[Thessaloniki, 25.09.24] Das Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara ist heute Nachmittag zu Ende gegangen. Die Richter erkannten an, dass Herr Sabetara auf seiner eigenen Migrationsroute unterwegs war, als er von den griechischen Behörden verhaftet wurde, und reduzierten daher seine Strafe von 18 Jahren auf 7 Jahre und vier Monate. Nachdem er bereits drei Jahre im Gefängnis verbracht hat, wird Homayoun Sabetara nun unter Auflagen aus der Haft entlassen.
„Ich bin einfach nur glücklich“, sagt seine Tochter Mahtab Sabetara. Die Freilassung von Homayoun Sabetara ist eine große Erleichterung für seine Kinder. Nach mehrmaligen Verschiebungen und mehr als drei Jahren, in denen kein angemessener Kontakt möglich war, endete das Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara heute mit einem Urteil. Mit seiner bevorstehenden Freilassung wird er endlich Zugang zu der dringend benötigten medizinischen Versorgung haben, die ihm während seiner Zeit im Gefängnis verwehrt wurde.
„Wir müssen mit diesem mittelmäßigen Ergebnis zufrieden sein, dass Homayoun Sabetara zumindest freigelassen wird, da das Gericht nicht den Mut hat, Menschen in solchen Fällen für unschuldig zu erklären,“ erklärte Herr Sabetaras Anwalt Dimitris Choulis. „Aber wir sind davon überzeugt, dass Menschen wie Homayoun Sabetara nicht ins Gefängnis gehören, nicht einmal für einen Tag“. Da die EU es Asylsuchenden unmöglich gemacht hat, auf legalem Wege nach Europa zu kommen, sind die Menschen gezwungen, die Grenzen auf gefährlichen Routen zu überqueren und dabei zu riskieren, kriminalisiert zu werden.
Mit der Urteilsverkündung erkannten die Richterinnen auch das Argument der Anwälte an, dass Homayoun Sabetara weder aus Profitgründen noch aus niederen Beweggründen gehandelt hat. „Das Gericht hat anerkannt, dass Homayoun Sabetara diese Reise unternommen hat, um bei seinen Kindern in Berlin zu sein“, fasst Harry Ladis, Sabetaras zweiter Anwalt, zusammen. Bis heute ist es dem Gericht nicht gelungen, den Hauptzeugen zu finden, wegen dem der Prozess im April verschoben wurde. Nach Ansicht von Harry Ladis stellt die Tatsache, dass die Verurteilung dennoch auf seiner Aussage beruhte, eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren dar, das leicht vor einem höheren Gericht angefochten werden könnte.
Dennoch werden Homayoun Sabetara und seine Kinder noch einen langen Weg vor sich haben, bevor er endgültig freigesprochen wird. Die Reise von Homayoun Sabetara ist noch lange nicht zu Ende. Solange er keine positive Entscheidung über seinen Asylantrag erhält, läuft er weiterhin Gefahr, eines Tages seine Kinder zurücklassen zu müssen. Die Kampagne #FreeHomayoun wird weiterhin das Bewusstsein für die Umstände von Tausenden von Menschen schärfen, die mit den gleichen Anklagen konfrontiert sind wie Homayoun Sabetara.
Wir teilen ein Update zur Kampagne #FreeHomayoun vom 09.09.24
In 15 days Homayoun Sabetara’s appeal trial will take place in Thessaloniki. His state of health is worrying. What will happen with the appeal and what can we do until then?
There are three possible outcomes for 24 September: Our biggest concern is that the trial will be postponed again. That would be a great psychological burden, especially for Mahtab and Homayoun. The court has repeatedly found various reasons for this in the past. The second scenario, which we are of course hoping for, is an acquittal for Homayoun. His conviction is based on untenable evidence that will not stand up on appeal. The third scenario is a reduction of the sentence, but not an acquittal. In this case, we will probably take the case to the European Court of Human Rights. “The court’s decision to postpone the trial is torture. Homayoun has collapsed in his cell many times and had to go to hospital, but there have been no further examinations. His health is getting worse. The prison doesn’t allow families to send medication, and the healthcare doesn’t even cover basic medical needs. I’m just relieved he’s still alive,” Mahtab states.
We are now preparing for the trial. On friday, Mahtab and our lawyers were visiting Homayoun in Trikala prison. We are trying to continue to raise awareness of the case by contacting journalists or using social media to show that our demand for an end to the criminalisation of migrants in Greece is widely supported. To this end, we are publishing a solidarity video every day from a different person or group.
And we are planning actions in Thessaloniki, such as an information event on the Sunday before the trial and a rally in front of the court on 24 September.
You can support us: Write something about the case yourself or talk to journalists in your network. Share the solidarity videos on Instagram and Twitter or record your own statement. Come to Thessaloniki to support Homayoun in court. Help us with a donation to cover the costs of the trial and the campaign. “My father should never have been in prison in the first place. No one who simply wants to cross the European border to seek asylum belongs in prison. Yet here we are, with nearly 3,000 people incarcerated in Greece alone.”
In Solidarity,
Mahtab, Kiana, Anne, Afsoon und Hannah
// about Homayoun’s case // Mahtab has been fighting for her father’s freedom for three years. He was wrongly accused of being a smuggler in Greece and sentenced to 18 years. His first trial was on 22 April 2024 and postponed. He is waiting for his next trial on 24 September 2024. |
Fast ein Jahr nachdem das Postulat «Sicherer Hafen Bern» am 16. März 2023 angenommen wurde, erklärt der Gemeinderat die Stadt Bern nun offiziell zu einem «Sicheren Hafen». Bern ist somit die erste Stadt in der Schweiz, die sich öffentlich als «Sicherer Hafen» positioniert und damit ein Zeichen für eine andere Asyl- und Migrationspolitik der Schweiz setzt.
Erst kürzlich hat Bern entschieden die Organisation Sea-Eye e.V. mit 70’000 Fr. zu unterstützen. Die Stadt Bern hat mit dieser Entscheidung und der Annahme des Postulats erste Schritte gemacht. Wir hoffen sehr, dass es weitergeht, Bern als «Sicherer Hafen» sichtbar bleibt und auch in Zukunft die Forderungen der Seebrücke mitgedacht werden. Wir freuen uns darüber, dass das Label «Sicherer Hafen» nicht nur einen symbolischen Charakter behält und sind gespannt was wir weiterhin gemeinsam umsetzen können.
Wir sind weiterhin überzeugt, dass Städte die Kompetenz erhalten sollten über die Aufnahme von Menschen auf der Flucht in ihrer Gemeinde selbst entscheiden zu können. Auch sollten die Stimme von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen verstärkt Gehör finden, die seit mehreren Jahren daran arbeiten die Lücken zu füllen, die von staatlichen Budgetkürzungen im Sozialbereich herbeigeführt werden. Statt Abschottung braucht es endlich eine menschenwürdige und gerechte Aufnahme von Menschen auf der Flucht!
Antwort Gemeinderat vom 12. Februar 2024
Am 14. September hat der Berner Stadtrat einen kurzfristig eingereichten Budgetantrag der AL angenommen, der die “Sea-Eye 4” mit 70’000 Fr. bei ihrem nächsten Einsatz unterstützen soll. Der bisher nicht budgetierte Betrag wurde mit 38 Ja, 25 Nein, 2 Enthaltungen angenommen. Zwar muss das Budget bei der Abstimmung im November noch angenommen werden, aber wir danken der Stadt Bern jetzt schon für ihre Entscheidung.
Der Beitrag von Bern ist unverzichtbar! Bereits im April dieses Jahres wurde deutlich: 2023 ist das Jahr, in dem so viele Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer sterben, wie seit 2017 nicht mehr. Das Mittelmeer ist und bleibt damit die tödlichste Grenze der Welt, die jedes Jahr mehrere tausend Menschenleben fordert. Das unbegreifliche dabei ist, dass alle Todesfälle vermeidbar wären. Allein die Abwesenheit sicherer und legaler Migrationswege zwingt einzelne Personen, diese Entscheidung zu treffen. Solange es keine sicheren Fluchtwege gibt, darf kein weiteres Menschenleben riskiert werden.
Bern, als Stadt, die laut ihren Legislaturrichtlinien 2021-2024 konkrete Massnahmen ergreifen möchte, um lebendig, solidarisch und nachbarschaftlich agieren zu können, kann jetzt dazu beitragen, die entstandene Lücke der Seenotrettung zu füllen. Wiederholt hat sich die Stadt Bern öffentlich dazu geäussert geflüchtete Menschen in ihrer Mitte willkommen zu heissen, nicht zuletzt im März, als der Stadtrat das Postulat der Seebrücke zum Sicheren Hafen mit 47:19 Stimmen angenommen hat. Auch hat sich die Stadt Bern in verschiedenen Situation solidarisch mit Menschen auf der Flucht gezeigt, unter anderem beim Brand von Moria oder nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Nun besteht für die Stadt Bern die Möglichkeit, weiter über konsequentes Handeln ein klares Zeichen der Solidarität und gegen das Sterbenlassen im Mittelmeer zu setzen.
Medienberichte unter anderem in:
1‘600 Menschen kann die Schweiz auch in den kommenden zwei Jahren via Resettlement aufnehmen, entschied der Bundesrat. Aktuell ist das Programm allerdings ausgesetzt. Die Wiederaufnahme ist nicht in Sicht.
Seit 2019 nimmt die Schweiz am Resettlement-Programm der UNHCR teil. Bereits als Flüchtlinge anerkannte Migrant*innen können so in der Schweiz Schutz finden, ohne ihr Leben auf dem Mittelmeer oder anderen tödlichen Routen zu riskieren. Das Programm ist das Feigenblatt der europäischen Migrationspolitik, um den Schein der Humanität zu wahren, denn schließlich nehme man die schutzbedürftigsten Menschen auf. Die Weiterführung ist auch in der Schweiz eine reine Formalität.
In der Praxis findet das Resettlement in der Schweiz seit Ende 2022 nicht mehr statt. Der Ständerat möchte, dass dies auch bis Ende 2025 so bleibt. Die Kantone müssten der Wiederaufnahme zustimmen. Das machen sie erst, wenn sich die Situation im Asylwesen aus ihrer Sicht «deutlich entspannt» hat. Wer schon einmal einen „entspannten“ Umgang der Kantone mit dem Thema freiwillige Aufnahme von Migrant*innen erlebt hat, kann sich hier Hoffnungen machen. Absehbar ist ein Ende der Resettlement-Blockade nicht.
Weltweit waren laut UNHCR im vergangenen Jahr 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Der weltweite Resettlement-Bedarf betrug 2 Millionen Geflüchtete. Die EU hatte zugesagt, insgesamt 20.000 Geflüchtete über Resettlement-Programme aufzunehmen. Zusammen kamen die EU-Staaten lediglich auf 16.695 aufgenommene Personen, was nur 1,1 Prozent des weltweiten Bedarfs entspricht. Zahlreiche EU-Staaten hatten Aufnahmezusagen gar nicht erst erteilt.
Seit 2013 haben 6‘287 Personen in der Schweiz einen Resettlement-Platz erhalten. Seit 2013 sind 27’047
Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. So viel zu den Zahlen.
Bild: Eine theoretisch gute Idee: Via Resettlement-Programm können Menschen auf der Flucht in sichere Staaten evakuiert werden. Quelle: UNHCR
Am Freitag, den 16. Juni 2023, trafen sich Vertreter*innen von Seebrücke Schweiz und der Alternativen Linke (AL) mit Franziska Teuscher und Claudia Hänzi zum Gespräch um Wege finden, wie das Postulat „Die Stadt Bern wird Sicherer Hafen“ nach der Annahme am 16. März 2023 umgesetzt werden kann.
Carla Marti von der Seebrücke Schweiz: „Gerade vor dem Hintergrund der neusten Asylrechtsreformen auf EU-Ebene brauchen wir weiterhin Städte, die sich aktiv gegen diese Entwicklungen positionieren und zeigen, dass es auch anders gehen kann.“
Dieie Stadt Bern hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach für eine zusätzliche Aufnahme von schutzsuchenden Menschen gegenüber Bund eingesetzt. Auch nach der Katastrophe von Pylos, am 13. Juni 2023, bei der über 600 Menschen ertrunken sind, zeigt sich der Wille in Bern , sich öffentlich zu solidarisieren. Gemeinderätin Franziska Teuscher ist nach wie vor bereit, Überlebenden direkt aufzunehmen und die Forderung beim Bund erneut zu platzieren..
Nina Maurer von der Seebrücke Schweiz ergänzt: „Jede Aufmerksamkeit, die auf die Vorkommnisse an den Aussengrenzen gerichtet wird, ist zentral. Die Stadt Bern kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, dass das Thema präsent und auf der politischen Agenda bleibt.“
Währenddessen plant die AL bei der Budgetdebatte im Stadtrat einen Antrag zu stellen, mit dem die Stadt Bern einen Betrag an die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye bezahlt und somit den vielen Worte auch konkrete Taten folgen lässt.
Ob sich die Stadt Bern den Titel „Sicherer Hafen“ letztendlich geben wird, wird derzeit geprüft und müsste letztlich vom Gemeinderat entschieden werden.
Alle Details zum Postulat “Die Stadt Bern wird Sicherer Hafen”
Die Seebrücke Schweiz stellt im Juni Kunstinstallationen im öffentlichen Raum der Städte Luzern, Winterthur und Zürich auf. Damit wird auf die europäische Abschottungspolitik aufmerksam gemacht.
Orangene Wegweiser markieren im Rahmen der Aktion alltägliche Orte in der Schweiz und im Ausland, an denen Menschen isoliert und ihre Rechte verletzt werden. Das Ziel ist es, diese Orte sichtbar zu machen und Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht aktiv mit dem Thema Flucht beschäftigen. So schaffen die Wegweiser eine Verbindung zwischen dem, was neben uns passiert und dem, was Menschen aus den Medien z.B. von den europäischen Aussengrenzen kennen.
Denn: Das Thema Flucht geht uns hier vor Ort etwas an.
Oft scheint es, dass all diese Menschenrechtsverletzungen, diese unmenschlichen Lager, all diese Toten der Festung Europa so weit weg sind und nichts mit unserem Alltag und unserer Politik zu tun haben. Doch sind diese Verhältnisse einerseits von der europäischen Politik so gewollt und mindestens geduldet – die Schweiz macht und finanziert munter mit. Andererseits zieht sich diese Abschottungslogik und dieser menschenunwürdige Umgang bis vor unsere Haustür.
Die Pfeile der Wegweiser zeigen deshalb mit Kilometerangaben auf Orte, an denen sich die Abschottungspolitik Europas in unserer unmittelbaren Nachbarschaft niederschlägt. Sie zeigen beispielsweise, wie nah etwa Ausschaffungsgefängnisse sind, wo das Migrationsamt liegt, welches diese Ausschaffungen umsetzt und in welchen Lagern Menschen tagtäglich inhaftiert werden.
Egal ob Menschen an einem sicheren Grenzübertritt gehindert oder durch ein strenges Regime eingesperrt werden: Schutzsuchende werden systematisch isoliert, während ihnen ein menschenwürdiges Dasein verwehrt wird. Die Pfeile zeigen so nicht zuletzt auch auf Orte, die bekannte Symbole der europäischen Abschottung darstellen, wie z.B. das Mittelmeer – die tödichste Grenze der Welt.
Aktuell stehen die Wegweiser an diesen Orten in der Stadt Luzern:
Im Januar waren wir mit Mahtab Sabetara in Bern, Winterthur und Konstanz auf Infotour. Sie sprach über die Kriminalisierung ihres Vaters bei der Flucht aus dem Iran und die grossen Zusammenhänge zwischen sogenanntem Schmuggel und der europäischen Abschottungspolitik. Auszüge aus der Veranstaltung sind in dieser Sendung des fministischen Radio Zack vom Radio Bern RaBe zu hören.
In dieser Sendung geht es um Gewalt und um Widerstand. Es geht um die Gewalt an den Aussengrenzen Europas und um die Kriminalisierung geflüchteter Personen, die viele ins Gefängnis bringt. Und es geht um Widerstand dagegen, konkret um den Kampf einer Tochter, die für die Freilassung ihres Vater kämpft, der auf seiner Flucht aus dem Iran in Griechenland zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde. Wir hören persönliche Texte und Analysen zur Situation an den Grenzen und zu der scheinheiligen Anti-Schmuggel-Politik. Und zwischendurch Musik von Roody, einer jungen Rapperin aus Teheran.
Der Berner Stadtrat hat am 16.03.23 das Postulat der Seebrücke zum Sicheren Hafen mit 47:19 Stimmen angenommen. Er setzt damit ein öffentliches Zeichen der Solidarität und Aufnahmebereitschaft gegenüber Menschen auf der Flucht.
Eine öffentlich solidarische Haltung gegenüber Menschen auf der Flucht besteht in Bern schon lang. Als Mitglied der Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» vertritt sie immer wieder eine offensiv aufnahmebereite Haltung gegenüber dem Bund. Mit der Erklärung zum Sicheren Hafen wird diese Position nochmals verstärkt.
Hinzu kommt die Zusage, sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu positionieren und sich auf politischer Ebene für eine staatliche Seenotrettung einzusetzen, Auch soll eine Patenschaft und finanzielle Unterstützung für das zivile Seenotrettungsschiff Sea-Eye übernommen werden.
Die Stadt Bern hat nun die Chance, auf ihrer bisherige Solidarität aufzubauen und sich auch transnational für die aktive Gestaltung einer menschenrechtskonformen europäischen Migrationspolitik einzusetzen.
Lasst uns aufmerksam sein, ob auf diesen politischen Zusagen auch Taten folgen. Und die Initiative auch in weiteren Städten ergreifen. Allein in Deutschland gibt es bereit 319 Sichere Häfen.
Beitrag von RaBe.
Heute Abend debattiert der Stadtrat über ein Postulat, welches fordert, dass die Stadt Bern zu einem sicheren Hafen wird. Die Idee geht zurück auf die zivilgesellschaftliche Bewegung Seebrücke, die 2018 in Deutschland gegründet wurde und seit einigen Jahren auch in der Schweiz aktiv ist.
Die Alternative Linke Bern versteht sich als parlamentarischer Arm von solchen Bewegungen. Ihr Stadtrat David Böhner erklärt, dass der Stadt zwar in vielen Fällen die Hände gebunden seien – Migration und Asyl sind auf nationaler Ebene geregelt. «Doch die Stadt Bern könnte beispielsweise im Schweizerischen Städteverband aktiv werden und gegenüber dem Bund einfordern, dass die Stadt direkt Geflüchtete aufnehmen kann», betont er.
Seit November ist eine Gruppe von Aktivist*innen aus der Schweiz an der polnisch-belarusischen und der litauisch-belarusischen Grenze aktiv. Sie unterstützen dort People on the Move und machen für uns mit ihren Berichten sichtbar, was an den europäischen Aussengrenzen abseits der Öffentlichkeit passiert.
Wir sind etwas gestaffelt angereist und haben uns die ersten drei Wochen auf verschiedene lokale Gruppen in Polen aufgeteilt. Eine Person war auch schon im September/Oktober für drei Wochen vor Ort. Seit Anfang Dezember sind wir nun zu fünft gemeinsam in Litauen.
Im späten Sommer diesen Jahres wurde der Bau des Grenzzaunes zwischen Belarus und Polen abgeschlossen. Das ist eine 5,5 Meter hohe und 186 Kilometer lange Stahlkonstruktion, durchgängig versehen mit Nato-Draht. Jüngst wurden elektronische Bewegungsmelder und teilweise schon Wärmebildkameras installiert, die Ausweitung und der Ausbau der elektronischen Überwachung schreitet täglich weiter voran. Militär und freiwillige Verteidigungseinheiten (WOT) patrouillieren in regelmässigen Abständen. Diese Barriere soll Menschen davon abhalten, nach Europa zu gelangen.
Doch wie auch an anderen Grenzen sind solche Installationen lediglich eine Erschwernis, kein Hindernis. Die Menschen nehmen nun gefährlichere Wege in Kauf, sie gehen zum Beispiel durch Flüsse und Sümpfe. Was dies im Winter bedeutet, kann sich sicherlich vorgestellt werden. Seit Mitte November gehen nicht mehr so viele Anrufe auf der zentralen Notfallnummer ein. Das hat vermutlich mit dem Wintereinbruch zu tun, aber auch mit den eben erwähnten Installationen am Grenzzaun. Auch an der Grenze Litauen-Belarus gibt es seit ca. zwei Wochen keine Anrufe mehr von Menschen, welche um Unterstützung anfragen. Aber das kann sich schnell wieder ändern, so die Erfahrungen vom letzten Winter. Es gibt immer Zeiträume in denen die Telefone ruhig bleiben, unabhängig der Jahreszeit. Die Dauer variiert dabei.
Fluchtgründe und Herkunft der Menschen sind divers
Die Menschen, welche auf dieser Route nach Europa gelangen wollen, starteten ihre Reisen aus verschiedenen, ehemals kolonialisierten Ländern, aus zentral- oder Südasien und unterschiedlichen afrikanischen Ländern. Immer mehr kommen aber auch Menschen über diese Route, die sich vorher bereits für längere Zeit in Russland aufgehalten haben.
Die Gründe sind unterschiedlich: Krieg und Vertreibung, politische Verfolgung, Verarmung und Hunger aufgrund kolonialer Ausbeutung und Folgen des Klimawandels, Perspektiven auf ein besseres Leben. Einige Menschen haben Freund*innen und Familie in Europa und möchten mit diesen Menschen zusammen leben.
Pauschal können wir die Frage zur Anzahl von Personen aus den verschiedenen Ländern nicht beantworten. Es ist wohl stark davon abhängig, wie Russland oder Belarus die Visa-Regularien für verschiedene Länder anpasst und erleichtert. Es gibt hier in Polen die NGOs “Grupa Granica”1 und «Helsinki Foundation for Human Rights»2, sie machen viel Monitoringarbeit, erstellen Berichte und erheben Statistiken.
Polnische Regierung hat Push-backs legitimiert
Die Repression beginnt schon in Belarus. Von dort berichten die Menschen immer wieder, dass sie von Militär und Grenzbeamt*innen gewaltsam gezwungen werden die Grenze nach Polen zu überqueren. Sollten sie in Polen ankommen und entdeckt worden sein, droht ihnen der Push-back zurück nach Belarus. Da arbeiten Grenzbehörden, Polizei und Militär Hand-in-Hand. Das Schlimme ist, dass die polnische Grenzwache (Straż Graniczna) eigenständig entscheiden kann, wer das Recht hat, einen Asylantrag zu stellen und wer nicht10.
Darüber hinaus hat sie den Befehl von der polnischen Regierung bekommen Push-backs, fernab des öffentlichen Bewusstseins, durchzuführen. Polen stellte somit nationales über internationales Recht, bisher ohne rechtliche Konsequenzen3. Selbst Schwerverletzte bitten darum, nicht den Rettungsdienst zu rufen, da ein Rettungseinsatz auch Polizei und/oder Grenzwachen alarmiert. Verletzte kämen bestenfalls ein paar Tage in ein Krankenhaus, um dann wieder nach Belarus abgeschoben zu werden.
Für diejenigen, die es schaffen einen Asylantrag in Polen zu stellen, heisst die Perspektive “Detention Center”. Das sind zum Teil geschlossene und überfüllte Lager4. Es sind mehr Gefängnisse als Aufnahmestellen, die Verhältnisse darin sind gewaltsam und menschenunwürdig. Am 13. August 2021 wurde eine Verordnung zu den Haftbedingungen geändert, welche es nun erlaubt, doppelt so viele Inhaftierte auf gleichem Raum einzusperren5. Bis zu 18 Monate werden Menschen dort ihrer Freiheit beraubt6. Polen ist daher selten das Ziel der Menschen, viele wollen weiter reisen z.B. nach Deutschland und Frankreich.
Was von anderen Grenzen bekannt ist, ereignet sich auch an den Grenzen von Belarus zu Polen und Litauen. Menschen werden in den Wäldern von staatlichen Beamt*innen geschlagen, getreten, sexuell belästigt und anderen körperlichen Gewalttaten ausgesetzt, bevor sie über die Grenze, zurück nach Belarus, zurückgedrängt werden. Ihnen werden Telefone, Geld und Klamotten geraubt und zerstört. Neben der körperlichen Gewalt erfahren Menschen auf der Flucht viel psychische Gewalt von staatlicher Seite mit dem Ziel, sie zu brechen; Menschen dazu zu bringen von einer erneuten Grenzüberquerung abzusehen.
Die Grenzgewalt fordert Menschenleben
Es gibt 28 bestätigte Todesfälle in den polnischen Wäldern in den letzten 14 Monaten. Mehr als 190 Menschen gelten als vermisst7. Und was in den belarusischen Wäldern geschieht, ist kaum bekannt. Augenzeug*innen berichten von vielen Toten, bestätigte Zahlen gibt es keine.
Der letzte Todesfall wurde am 20.12.2022 bestätigt: der 66-jährige Jaber Al Jawabra wurde am Grenzzaun an einem der Tore gefunden. Unter den Habseligkeiten befanden sich eine Ausweisungsverfügung vom 19. Dezember 2022 mit einem dreijährigen Verbot der Einreise nach Polen und in andere Länder des Schengen-Raums18.
In Polen agieren Grenzwache, Polizei und Militär an der Grenze nach Belarus, alles nationale Einheiten. Viele Einwohner*innen melden sich bei der freiwilligen Armee WOT (Wojska Obrony Terytorialnej: Truppen der Territorialverteidigung)8, die lediglich ein sechzehntägiges Training erfordert, um bewaffnet an der Grenze patrouillieren zu gehen. Für Menschen auf der Flucht bedeutet das vor allem eins: Wer nicht aus der Region kommt, fällt sofort auf. Unbemerkt über Felder und Waldwege zu laufen ist fast unmöglich. Welche offiziellen Befugnisse das Militär in der Grenzregion hat, wird nicht kommuniziert. Jurist*innen stellen seit über einem Jahr Anfragen an zuständige Behörden, bekommen jedoch keine Antworten, da die Angaben mit Verweis auf die nationale Sicherheit unter Verschluss gehalten werden.
Frontex hat hier keine Mandate.
Frontex hat kein Mandat an der polnisch-belarusischen Grenze. Am 12. Juli 2022 verkündete die damalige amtierende Exekutivdirektorin von Frontex, Aija Kalnāja, gegenüber den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, dass Frontex Litauen nicht mehr bei der Grenzüberwachung unterstützen werde9. Somit reduziert sich die behördliche Präsenz dort auf Grenzwache, Militär und Polizei.
Menschen werden über die Grenzen “hin- und hergezwungen“
Nach Aussage von Betroffenen ist das Vorgehen der Grenzbeamt*innen an der polnisch-belarusischen und litauisch-belarusischen Grenze ähnlich. Menschen werden aufgespürt, geschlagen, es werden Smartphones abgenommen oder zerstört und Geld geraubt. Schlussendlich werden die Betroffenen an die Grenze zu Belarus gefahren und gezwungen durch sogenannte Wildtore zurück nach Belarus zu gehen. Laut Grenzbehörde wurden solche Tore eigens eingerichtet, um Wildtieren den Durchgang zu ermöglichen. Dass diese Tore aber die meiste Zeit geschlossen sind, scheint keine Fragen hervorzurufen. Auf belarusischer Seite werden die Betroffenen dann wiederum gezwungen, die Grenze zu Polen so schnell wie möglich zu überqueren.
Werden Menschen in den Wäldern oder auf der Weiterreise in Richtung Deutschland aufgegriffen, werden sie in der Regel sofort an die belarusische Grenze “zurückgeführt”. Es kommt nicht selten vor, dass wir innerhalb kurzer Zeit mehrmals auf dieselben Menschen treffen, da sie nach dem Push-back wenige Tage später wieder in den polnischen Wäldern ankommen. Viele haben mehr als 10 Push-backs hinter sich, eine Person berichtete im Oktober von mehr als 20 Push-backs.
Push-backs sind die Regel, sind zur Regel geworden. Am 20. August 2021 hat der polnische Minister für innere Angelegenheiten und Verwaltung Maciej Wąsik eine Verordnung geändert10, welche Push-backs legalisiert und das Militär die Anordnung bekommen hat diese ‘legal’ durchzuführen. Eine Möglichkeit für People on the Move legal nach Polen einzureisen gibt es nicht.
Physische Barrieren und Umwelteinflüsse führen zu Verletzungen
Verletzungen gibt es immer wieder: Knochenbrüche, Verstauchungen, Gehirnerschütterungen durch den Sturz vom 5,5 Meter hohen Grenzzaun und Schnittwunden durch den Nato-Draht. Da viele Menschen die Grenze durch Flüsse und Sümpfe überwinden, müssen sie oft längere Zeit in nassen Kleidern und Schuhen in den Wäldern ausharren. Dies hat Unterkühlung und Erfrierungen zur Folge. Oft leiden die Menschen an Immersionsfuss; ein Syndrom das durch längere Einwirkung von Feuchtigkeit auf menschliches Gewebe in Verbindung mit Kälte und geschlossenem Schuhwerk ausgelöst wird. Dies kann zu lebensbedrohlichen Infektionen führen.
Aktive Angriffe durch Grenzbeamt*innen
Immer wieder haben Menschen Verletzungen wie Prellungen und Platzwunden, welche sie durch Schläge von belarusischen und polnischen Grenzbeamt*innen erfahren mussten. Von Gewalterlebnissen beiderseits der Grenze wird immer wieder berichtet. Zudem werden Smartphones zerstört, um den Menschen die Kommunikation und Orientierung/Navigation zu unterbinden.
Auch die lange Zeit, die Menschen brauchen, um die Grenze zu überwinden und sich in den Wäldern zu verstecken, führt zu gesundheitlichen Notsituationen. Menschen verbringen oft mehrere Tage ohne Essen oder Wasser, was zu Dehydrierung führen kann. Im Sommer wird dann in den Wäldern auf unbekannte Pflanzen und Früchte zurückgegriffen, die Folge sind Lebensmittelvergiftungen. Auch wenn Menschen gezwungen sind, Wasser aus den Sümpfen zu trinken, weil sie sonst kein anderes Wasser zur Verfügung haben, leiden sie an Bauchkrämpfen und Durchfall.
Aufrüstung der Grenze bringt mehr Gefahren
Der Zaunbau wurde im späten Sommer 2022 abgeschlossen, ein elektronisches Alarmierungssystem, Ende November in Betrieb genommen11. Maciej Wąsik teilte am 25. November 2022 auf Twitter stolz ein Video der Aufnahmen von installierten Wärmebildkameras12. Was dies im Hinblick auf das Gelingen der Grenzüberwindung bedeutet wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Was der Fall sein wird: der Zaun, die elektronischen Barrieren und die Videoüberwachung wird die Menschen nicht davon abhalten die Grenze zu überwinden. Jedoch werden die Versuche beschwerlicher und gefährlicher.
Es gibt so viele verschieden Geschichten, welche wir von den Menschen auf der Flucht hören. Und wir sehen immer wieder auch die Verletzungen, welche durch Schläge von Grenzbeamt*innen verursacht wurden. Es fällt schwer, da ein “besonderes” Beispiel zu nennen und es würde der Vielzahl an Menschen und Begegnungen auch nicht gerecht werden. Alle Erzählungen sind dramatisch und besonders. Die Geschichten, die wir hören, sind so zahlreich wie die Menschen, denen wir begegnen. Jede Person, der wir begegnen, bringt eine unglaubliche und einzigartige Geschichte mit, die viel mehr ist, als nur der kurze Ausschnitt der Überquerung der Grenze. Alle Menschen bringen eigene Wünsche, Erwartungen und Träume mit, die alle gleich viel Aufmerksamkeit verdienen.
Neben all den unpersönlichen Zahlen, die wir in den Medien hören, wird schnell vergessen, dass hinter jeder Zahl ein ganzes Leben steckt, welches ebenfalls ein ganzes Leben bräuchte, um erzählt zu werden. Erst Anfang Dezember wurde vom Border Violence Monitoring Network und den Linken aus dem EU-Parlament das Black Book of Pushbacks veröffentlicht. Auf über 3.000 Seiten sind über 1.600 Zeug*innenaussagen von Push-backs zu lesen, die das brutale Grenzregime der EU dokumentieren13.
Seit letztem Jahr wurden etliche Aktivist*innen und Unterstützer*innen mit Repression belegt. Derzeit gibt es Ermittlungsverfahren gegen Aktivist*innen zum Vorwurf der Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt. Eines der Verfahren wurde nun am 05. Dezember 2022 von der Staatsanwaltschaft eingestellt14. Schikanen bei polizeilichen Massnahmen sind an der Tagesordnung, zum Beispiel während Verkehrskontrollen im Grenzgebiet. Die Personalienfeststellungen dauern zum Teil zwischen 30 und 60 Minuten.
Genoss*innen berichteten uns von gewalttätigen Übergriffen während solcher Massnahmen: Sie wurden aus Autos gezerrt, mussten sich zur Personenkontrolle auf die Strasse legen und wurden bedroht. Ebenso werden auch immer wieder Smartphones der Aktivist*innen untersucht, sie müssen anhand der IMEI (eindeutige und einmalige Hardwarenummer eines Mobiltelefons) beweisen, dass das Gerät nicht gestohlen ist. Mit solchen Smartphonekontrollen erhoffen sich die Beamt*innen, an Informationen aus Messenger-Chats zu gelangen, Beweise für etwaige Gesetzesübertretungen zu finden und aktuelle Aufenthaltsorte von Menschen auf der Flucht zu erfahren.
Auch kommt es vor, dass Aktivist*innen auf den Polizei- oder Grenzposten mitgenommen werden. Dabei werden sie so lange festgehalten, bis ihre Identität geklärt ist, auch wenn das mehrere Tage sind. Personalienverweigerung ist in Polen keine Option.
Vorwürfe sind juristisch nicht haltbar
Juristisch stellen weder Hilfsmassnahmen im Wald, das Beherbergen von illegalisierten Menschen, noch deren Mitnahme in einem Fahrzeug einen Straftatsbestand dar. Im Gegenteil: nach Artikel 162 ist es jedes Menschen Pflicht, Menschen in Notsituationen zu helfen.
Im Gegensatz dazu gibt es zum Beispiel Gerichte, welche die Aktivitäten des polnischen Grenzschutzes als rechtswidrig verurteilen. Am 29. November 2022 z.B. hat das Landesverwaltungsgericht in Białystok festgestellt, dass der Push-back eines 16-jährigen rechtswidrig war15.
Dass noch keine gerichtlichen Entscheidungen gegen Aktivist*innen vorliegen, zeigt das perfide System. Die solidarischen Gruppen sind den staatlichen Behörden ein Dorn im Auge. Sie wollen die Hilfe unterbinden und Aktivist*innen mit langen, rechtlichen Verfahren zermürben. Eine Taktik, die auch in Italien und Griechenland bei der Kriminalisierung von Seenotrettung angewandt wird.
Wir kennen uns zum Teil schon seit Jahren, manche arbeiten in verschiedenen Projekten und Kollektiven zusammen. Wir hatten bereits die Idee zusammen an die EU-Aussengrenzen zu reisen, waren uns aber noch nicht sicher, wohin uns die Reise führen wird. Im Sommer diesen Jahres fand im französischen Nantes das Transborder Summer Camp statt16. Dort gab es erste Kontakte mit Strukturen, welche hier in Polen seit 2021 an den Grenzen zu Belarus aktiv sind und so begannen wir unseren Aufenthalt konkret in diese Region zu planen.
Wir arbeiten auch zu Hause in verschiedenen Projekten, welche sich mit dem Thema Migration und Antirassismus befassen. So gibt es zum Beispiel in verschiedenen Schweizer Städten autonome Schulen, in welchen unter anderem unentgeltliche und bedingungslose Sprachkurse angeboten werden. Es gibt Unterstützungsnetzwerke für Sans Papiers in isolierenden Notunterkünften, Netzwerke von und mit migrantischen Personen. Also viele Projekte, in welchen Menschen sich beteiligen können. Diese Projekte sind auch Unterstützung für uns: wir lernen tolle Menschen kennen, welche uns helfen unsere eigene Rolle in einer “weiss” dominierenden Gesellschaft zu reflektieren.
Wir lernen viel von den Menschen, die wir hier unterstützen können.
Uns ist bewusst, dass wir hier an den Aussengrenzen als privilegierte weisse Menschen mit europäischen Papieren die Rolle der Helfenden einnehmen. Aber auch wir lernen viel von den Menschen, welchen wir begegnen, aus deren Erfahrungen, Wünschen und Perspektiven. Von Anfang an war es für uns wichtig, dass wir nicht nur im Rahmen von humanitärer Hilfe an die Aussengrenzen der Festung Europa reisen. In unseren Städten berichten wir oft über die Situation an den Aussengrenzen. Unsere Perspektiven zu reflektieren, die Situation mit eigenen Augen zu sehen und die öffentliche Berichterstattungen mit eigenen Beobachtungen zu vergleichen ist uns wichtig. Eine wichtige Aufgabe sehen wir dabei auch in der Berichterstattung und Medienarbeit, der Verbreitung von Erlebnissen und Ereignissen und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit dafür, dass diese Routen weiterhin existieren. Zudem nutzen wir die Begegnung mit (NoBorder) Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern und Regionen zum Austausch und einer transnationalen Vernetzung.
Langfristige müssen wir das rassistische System überwinden
Was solidarische Gruppen an den Grenzen unternehmen ist streng genommen reine Symptombekämpfung. In unserem politischen Kampf müssen wir deshalb weiterhin das grosse Ganze im Blick behalten. Bestimmte Menschen, die seit Jahrhunderten von dem bestehenden politischen System unterdrückt werden, werden auch weiterhin von den rassistischen Politiken Europas unterdrückt werden. Wir setzen uns deswegen für einen Prozess ein, in dem wir uns bereit erklären immer wieder aufs Neue herausfinden zu wollen, wie wir Seite an Seite koexistieren können, wie wir eine gerechtere Verteilung der Güter ermöglichen und wie wir die rassistische neo-kolonialistische Politik stoppen können.
In parlamentarische Politik haben wir kein Vertrauen. Als Anarchist*innen und Menschen, die mit anarchistischen Ideen sympathisieren, lehnen wir Nationalstaatlichkeit und deren politische Strukturen ab.
Beispiel Ortskräfte in Afghanistan: leere Versprechen vor den Wahlen in Deutschland und danach die Sache als kompliziert und quasi unmöglich darzustellen. Oder der neue Aktionsplan gegen irreguläre Migration zwischen Schweiz und Deutschland17; das ist doch der beste Beweis für das Totalversagen einer scheinheiligen und profitorientierten Politik. Und Ähnliches sehen wir auch an den EU Aussengrenzen, egal auf welcher Route, ob Balkan, Mittelmeer und Kanaren, im Ärmelkanal oder hier an den östlichen Grenzen, überall wird nur abgeschottet, militarisiert und weg gesehen. Passiert mal wieder eine Tragödie, geben sich alle schockiert und fragen sich vor den Kameras der Medien “wie konnte das nur passieren?”.
Ausreichend und wirksamer Druck kann nur von einer sich emanzipierenden und kritischen Gesellschaft kommen, die leere Versprechen nicht länger hinnehmen will. Wir müssen selbst auf die Zukunft, in der wir leben wollen, hinarbeiten.
Wir vertrauen auf uns selbst und unsere Genoss*innen und Freund*innen welche überall von einer grenzenlosen Welt träumen und täglich für diese kämpfen. Der Teil eines starken NoBorders-Netzwerks zu sein, gibt unheimlich viel Kraft, Hoffnung und Perspektive für ein gutes Leben für alle.
Unterstützt werden Aktivist*innen durch Supportstrukturen, wie zum Beispiel einer Gruppe solidarischer Jurist*innen oder Psycholog*innen. Sollte mal wer an die juristischen oder psychischen Grenzen geraten, steht Hilfe zur Verfügung. Unterstützung bekommen wir auch durch Menschen aus unserem Umfeld durch Geld- oder Sachspenden. Im Oktober gab es eine Infotour von polnischen Aktivist*innen zur aktuellen Situation und den Kämpfen vor Ort. Daraufhin hat sich eine Unterstützungsgruppe gebildet, welche mit Arbeiten von zu Hause aus supporten. Menschen, die mit dem aktuellen System nicht zufrieden sind, organisieren Kleider- und Materialsammlungen, übersetzten Texte und vieles mehr.”
Verweise
1 https://www.grupagranica.pl/
3 https://hfhr.pl/upload/2022/04/ohchr2021_final_4.pdf
4 https://www.infomigrants.net/en/post/38499/migrants-in-polish-detention-center-stage-hunger-protest
5 https://isap.sejm.gov.pl/isap.nsf/download.xsp/WDU20210001482/O/D20211482.pdf
6 https://www.infomigrants.net/en/post/38499/migrants-in-polish-detention-center-stage-hunger-protest
7 https://euobserver.com/world/156420
9 https://euobserver.com/migration/155523 , https://balticword.com/frontex-ends-lithuania-border-surveillance-operation/
10 https://isap.sejm.gov.pl/isap.nsf/download.xsp/WDU20210001536/O/D20211536.pdf
11 https://twitter.com/Straz_Graniczna/status/1596148503625043970
12 https://twitter.com/WasikMaciej/status/1596063137429848064
13 https://www.borderviolence.eu/launch-event-for-the-black-book-of-pushbacks-expanded-and-updated-edition/
14 https://www.kik.waw.pl/aktualnosci-kik/postepowanie-prokuratorskie-w-sprawie-wolontariuszki-kik-u-zostalo-prawomocnie-umorzone/
15 https://bip.brpo.gov.pl/pl/content/rpo-maloletni-cudzoziemiec-wydalenie-bialorus-skarga-wsa-wyrok
16 https://trans-border.net/index.php/transborder-summercamp-transnational-solidarity-against-the-european-border-regime/
17 https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/mm.msg-id-92189.html
Um den Kampf von „Refugees in Libya“ weiterzuführen, fanden dieses Wochenende in Genf zwei Protesttage statt. Direkt vor dem Hauptquartier des UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der UNO, ergriffen Menschen das Wort, die zwischenzeitlich der “Hölle in Libyen” entfliehen konnten und nun in Europa leben. Am Freitag sprachen sie an einer beeindruckenden Medienkonferenz und trafen eine Delegation des UNHCR. Am Samstag demonstrierten sie zusammen mit rund 300 Personen, die aus verschiedenen Ländern angereist waren, vor dem UN-Hauptsitz und in der Genfer Innenstadt.
Ein Beitrag von antira.org. Jetzt folgen, abonnieren oder weiterempfehlen.
Vor einem Jahr protestierten in Libyen tausende Geflüchtete vor dem Hauptgebäude des UNHCR in Tripolis. Die 100 Protestage von damals waren ein historischer Akt der Selbstorganisation unter härtesten Bedingungen. Doch statt zuzuhören und sich zu verbessern, kritisierte das UNHCR den Protest und schwieg, als es zu einer brutalen Räumung und anschliessender Inhaftierung derjenigen kam, die ihre Grundrechte einforderten.
Diese Tage boten Gelegenheit, sich zu vernetzen und zu stärken. Nun geht der Kampf dezentral weiter. Die Forderung an das UNHCR und die europäischen Staaten bleiben bestehen: Geflüchtete in Libyen brauchen Sicherheit und müssen deshalb dringend evakuiert werden. Es braucht humanitäre Korridore – auf See und in der Luft.
Informationen, um auf die Probleme und Forderungen hinzuweisen, finden sich auf der Website unfairagency.org. Was es braucht, ist mehr Druck und mehr Proteste. UNHCR-Vertretungen gibt es in jedem Land. In der Schweiz befindet sich das Büro übrigens in Bern.
Nach der No Borders-Infotour sammeln sich Ideen, die aktivistischen Strukturen in Polen konkret zu unterstützen. Eine Möglichkeit ist das Crowdfunding. Gib was du kannst und willst und erzähl es deinen Freund*innen. Zudem gibt es eine neue Broschüre auf Deutsch zur Krise an der polnisch-belarusischen Grenze.
„Seit mehr als einem Jahr werden Tausende von Frauen, Männern und Kindern wie Schachfiguren in einem Machtkampf zwischen der belarusischen Regierung und der Europäischen Union behandelt, indem sie wiederholt mit Waffengewalt gezwungen werden, unerlaubt in die EU einzureisen, und dann von den Grenzbeamt*innen dieser Länder sofort wieder nach Belarus zurückgeschoben werden. Ihnen wird der Zugang zu Unterkünften, Nahrungsmitteln, medizinischer Behandlung und Rechtsbeistand verweigert.
Seit den ersten Tagen dieser Krise hat sich ein Netzwerk des polnischen anarchistischen Kollektivs No Borders Team (NBT) mit den Anwohner*innen des Grenzgebiets zusammengeschlossen, um diese Migrant*innen mit Lebensmitteln, Wasser, Decken, medizinischer Versorgung und anderen lebensnotwendigen Gütern durch gegenseitige Hilfe zu versorgen.
Von Anfang an basiert unser Aktivismus auf Spenden und Crowfunding. Wir erhalten keinerlei Unterstützung von der Regierung oder öffentlichen Einrichtungen. Deine Hilfe wird dringend benötigt. Deshalb müssen wir uns mobilisieren und die Hilfe leisten, die der Behördenapparat verweigert.“
Broschüre „Polnisch-belarusische Grenzkrise“
Weitere Infos: https://nobordersteam.noblogs.org/
Crowdfunding: https://www.indiegogo.com/projects/no-borders-team-support-no-border-s-activists
Über die letzten Jahre haben Kirchen, Parteien und Organisationen den Bund mehrmals zu einer zusätzlichen Aufnahme von Menschen in Migrationsbewegungen aufgefordert. Im Parlament wurde versucht, das Botschaftsasyl wieder einzuführen oder Städten mehr Handlungsfähigkeit bei der Aufnahme zu geben – bisher ohne Erfolg. Daraufhin wurde Druck auf den Bundesrat ausgeübt, um wenigstens die Resettlementquoten zu erhöhen. Folglich gab der Bundesrat die bereits erwähnte Studie in Auftrag, deren Resultat ihn nun an seiner rassistischen Argumentation festhalten lässt. Die Möglichkeiten der Humanitären Visa und der Familienzusammenführung seien bereits ausreichend, um schutzsuchenden Menschen einen sicheren Weg aus Drittstaaten in die Schweiz zu ermöglichen.
In der Pressemitteilung des SEM ist zu lesen, dass die Schweiz, als eines der einzigen Länder Europas, einen Zugang zu Humanitären Visa überall auf der Welt ermöglicht. Doch die dabei existierenden Hürden werden nicht thematisiert. Ausgelassen wird zum Beispiel, dass es längst nicht in jedem Land eine Vertretung der offiziellen Schweiz gibt. Um überhaupt die Möglichkeit zu haben, ein humanitäres Visum zu beantragen, müssen Menschen aus Afghanistan entweder nach Islamabad oder Teheran reisen. Neben einem finanziellen Aufwand, riskieren Menschen dabei auch ihr Leben, da die Taliban und andere bewaffnete Gruppierungen Strassen und Grenzen überwachen. Wenn der Weg geschafft ist, gibt es trotzdem keine Garantie für ein Visum. Oft verweisen Angestellte der Botschaften lediglich auf die Zuständigkeiten des SEM oder lassen Antragsstellende mehrere Monate auf einen Entscheid warten.
Nebst der Möglichkeit der Humanitären Visa – wovon 2021 gerade einmal 94 ausgestellt wurden – gibt es noch vier weitere Zugangswege zu Resettlementplätzen. Doch diese bieten noch weniger Menschen eine tatsächliche Perspektive auf ein menschenwürdiges Ankommen in der Schweiz. Nur ein kleiner Teil der Menschen kann überhaupt den Kriterien für einen anerkannten Status gerecht werden und hätte damit eine reale Chance, ein Gesuch auf Familiennachzug, Ausbildungs- oder Arbeitsvisum zu stellen. Welche Erfolgsaussichten das noch erwähnte «Community Sponsorship Programme» bietet, lässt allein ein hypothetisches Fallbeispiel im Bericht erahnen.
Fest steht, dass die offizielle Schweiz seit Jahren Initiativen und konkrete Lösungsvorschläge aus der Zivilgesellschaft und von solidarischen Städten und Gemeinden ignoriert und blockiert. Bereits existenten solidarischen Willkommensstrukturen von Städten und Gemeinden, schenkt der Bund keine Aufmerksamkeit. Forderungen jene anzuerkennen und ihnen eine rechtliche Grundlage zu bieten, finden kein Gehör. Stattdessen steigt die Quote verweigerter Visa seit Ende 2018 von 88 auf 94 Prozent im Jahr 2021. Statt scheinheiliger Studien, braucht es sichere Migrationsrouten und ein Recht auf Ankommen für alle Menschen.
Weitere Infos:
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90638.html
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/sichere-zugangswege-fuer-schutzsuchende-ausbauen
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/standpunkt/sichere-zugangswege-zu-schutz-in-der-schweiz-wo-ein-politischer-wille-ist-findet-sich-ein-rechtlicher-weg
KEIN MEMORANDUM // KEINE GRENZEN
15. OKTOBER 2022
INTERNATIONALER AKTIONSTAG organisiert von Abolish Frontex, Diritto di migrare-diritto di restare und Solidarity with Refugees in Libya.
Barcelona, Berlin, Bern, Brüssel, London, Madrid, Mailand, Neapel, Rom, Zürich und in vielen weiteren Städten wird dazu aufgerufen auf die Strassen zu gehen und die italienische Regierung aufzufordern, dieses illegale und beschämende Memorandum zu beenden. Ausserhalb Italiens werden die Proteste vor den italienischen Botschaften und Konsulaten stattfinden. Eine Liste aller Aktionen findet sich hier.
Das Memorandum verstösst gegen internationales Recht und die Menschenrechte. Im Jahr 2012 wurde Italien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, weil es Abschiebungen von Menschen auf der Flucht nach Libyen praktizierte. Um dieses Urteil zu umgehen, wurde das Memorandum of Understanding (MoU) im Jahr 2017 unterzeichnet. Seitdem wurde es von Amnesty International, anderen Menschenrechts-NGOs, dem UNHCR, den Vereinten Nationen (UN) und der Europäischen Union selbst stark angefochten und kritisiert. Refugees in Libya, eine Gruppe selbstorganisierter Menschen auf der Flucht, die in Libyen festsitzen, protestieren seit Oktober 2021 vor dem UNHCR-Büro in Tripolis, Libyen, gegen die unmenschlichen Bedingungen, die durch das MoU geschaffen wurden, trotz der brutalen Repression, der sie ausgesetzt sind. Bis heute befinden sich noch mehr als 300 der bei der gewaltsamen Räumung des Protestcamps im Januar 2022 verhafteten Genoss*innen in Haft.
Das MoU regelt die Zusammenarbeit zwischen Italien und Libyen in den Bereichen Sicherheit und irreguläre Migration. Dazu gehören: technische und technologische Unterstützung für die so genannte libysche Küstenwache, die Fertigstellung des Kontrollsystems an der südlichen Landgrenze Libyens sowie die Finanzierung der lokalen Haftzentren. Es wird hauptsächlich von der EU finanziert und von der europäischen Grenzagentur Frontex umgesetzt. Ein Teil der Mittel geht an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM), die eine humanitäre Fassade bieten, anstatt ihrer Pflicht zum Schutz der Flüchtlinge in Libyen nachzukommen.
Aber was ist die Realität?
– Das Memorandum sieht eine radikale Externalisierung vor und installiert ein Todesregime an den Grenzen und in den libyschen Lagern. Die zahlreichen Berichte über die Gräueltaten in Libyen, die durch diese italienischen Abkommen finanziert werden, sind allgemein bekannt. Seit 2017 wurden 50.000 Menschen auf der Flucht in diese Lager zurückgeschickt, da sie von der sogenannten libyschen Küstenwache abgefangen und gefangen genommen wurden. Libyen ist kein “sicherer Ort” für die Ausschiffung, dennoch werden Tausende von Menschen dort an Land gebracht, nur um den höllischen Kreislauf von willkürlicher Inhaftierung, Schleusung, versuchter Flucht in Sicherheit, Abfangen durch die sogenannte libysche Küstenwache und erneuter Inhaftierung zu durchlaufen. Dieser Kreislauf umfasst Folter, Vergewaltigung, Versklavung, Hunger und Tod.
– Die italienische Regierung bildet libysche Sicherheitskräfte aus und arbeitet direkt mit Milizen und Menschenhändlern zusammen, mit denen sie Geschäfte macht, die lukrativer sind als der Drogenschmuggel. Diese Absprachen wurden wiederholt von der UN-Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen und anderen Organisationen kritisiert.
– Libyen hat die Genfer Konventionen von 1951 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen nie ratifiziert und erkennt nicht einmal das UNHCR vollständig an. Selbst Menschen, die vom UNHCR als Schutzsuchende registriert sind, werden willkürlich verhaftet und in gefängnisgleichen Lagern festgehalten. Die UNO und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) haben die in diesen Lagern begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wiederholt verurteilt.
Am 2. November 2022 wird die Absichtserklärung automatisch um weitere drei Jahre verlängert, sofern sie nicht von der italienischen oder der libyschen Regierung gekündigt wird. Die Fortführung dieses Memorandums wird die unmenschlichen Bedingungen für Menschen auf der Flucht in Libyen verfestigen.
Alle Menschen in Italien, Europa und darüber hinaus sind aufgefordert sich mit Refugees in Libya zu solidarisieren und ihre Macht zu nutzen, um Italien und die EU zu zwingen, dieses unmenschliche Abkommen zu kündigen. Die Abgeordneten des italienischen Parlaments müssen die von der Verfassung garantierten Grundrechte verteidigen und das MoU anfechten.
ITALIEN MUSS DAS MEMORANDUM SOFORT STOPPEN!
BEWEGUNGSFREIHEIT UND BLEIBERECHT MÜSSEN EIN ALLGEMEINES RECHT SEIN.
Seebrücke Schweiz hat eine gemeinsame Erklärung der Refugees Platform in Ägypten (auf Englisch und Arabisch) zur Zwangsausschaffungen von über 70 Asylsuchenden in die eritreische Hauptstadt Asmara, mitunterschrieben.
Wir fordern ein sofortiges Ende von Ausschaffungen aller Art und Bewegungsfreiheit für alle!
Signatory organization’s names and the Arabic version below – أسماء المنظمات الموقعة والنسخة العربية أدناه
7 October 2022
Joint statement: End arbitrary detention and forcible deportation of Eritrean asylum seekers
The undersigned organizations condemn the arbitrary detention of Eritrean asylum-seekers in Egypt and call upon the Egyptian government to abide by international and regional treaties and conventions on refugee rights. Arrests and subsequent violations against Eritrean asylum-seekers should immediately stop together with an immediate halt to all plans for forced deportations to Eritrea. All refugees in Egypt should be allowed to access asylum procedures.
The Refugee Platform in Egypt (RPE), an organization focused on supporting refugees, has documented the forcible return of at least 70 Eritrean asylum seekers, including women and children, from Egypt to the Eritrean capital, Asmara since October 2021. Many of those deported include refugees who suffer from critical illnesses. These deportations happened on at least five separate flights between October 31, 2021, and June 30, 2022.
The Egyptian authorities routinely ill-treat and commit violations against detained asylum-seekers and violate the principle of non-refoulement. According to families’ testimonies, some of the asylum-seekers were sent to compulsory military service after their forcible return to Eritrea – a fate they had told Egyptian authorities they would meet when appealing their cases. The deported Eritreans had been denied a legal defense and given no access to United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) asylum procedures in Egypt.
Prior to their deportation, they had endured detention conditions described by detainees as unacceptable and inhumane. Medical care is woefully inadequate in detention facilities, and children and pregnant women especially suffer from poor nutrition as they languish in detention for periods that can extend up to two years. In Egypt, at least 200 asylum seekers are suffering under the same illegal and inhumane detention conditions in addition to the risk of forced deportation at any time.
Eritrean embassy representatives in Cairo are also complicit in the abuse, intimidation, and maltreatment of refugees. In several cases documented by RPE, they warned community leaders and activists to not communicate with human rights organizations or to publish information regarding the situation of Eritrean refugees and the rights violations they face at the hands of Egyptian authorities.
These practices constitute violations of Egypt’s national and international legal commitments. To that end, the undersigned organizations call on Egyptian authorities to immediately refrain from deporting asylum seekers for reasons related to their irregular entry into or exit from Egypt. Additionally, we call on the authorities to grant bodies such as the UNHCR access to all detainees who request to register protection applications. Finally, we call upon the Public Prosecutor’s Office to investigate previous forced returns and hold those responsible for human rights abuses accountable.
Signatories:
ينبغي على السلطات المصرية التوقف الفوري عن الاحتجاز التعسفي والترحيل القسري لطالبي اللجوء الإريتريين
تدين المنظمات الحقوقية الموقعة أدناه احتجاز السلطات المصرية لطالبي وطالبات اللجوء الإريتريين بشكل تعسفي، وتدعو الحكومة المصرية للالتزام بالمعاهدات والاتفاقيات الدولية والإقليمية المتعلقة بحقوق اللاجئين. وتؤكد المنظمات أنه ينبغي وقف هذه الاعتقالات والانتهاكات اللاحقة لها فورًا، كما ينبغي السماح لطالبي اللجوء الإريتريين بالوصول إلى إجراءات اللجوء الخاصة بمفوضية الأمم المتحدة لشئون اللاجئين، بالإضافة إلى وقف جميع خطط الترحيل القسري إلى إريتريا.
كانت منصة اللاجئين في مصر، وهي منظمة تركز على دعم اللاجئين، قد وثقت الإعادة القسرية لما لا يقل عن (70) طالب/ة لجوء إريتري بينهم نساء وأطفال إلى العاصمة الإريترية أسمرة. وكان من بين المرحلين لاجئون يعانون من أمراض مزمنة خطيرة. وعلى مدار الفترة بين 31 أكتوبر 2021 و30 يونيو 2022، تمت عمليات الترحيل هذه على متن خمس رحلات منفصلة على الأقل. ووفقًا لشهادات عائلات المحتجزين المرحلين؛ فإن بعض المرحلين تم إرسالهم إلى الخدمة العسكرية الإلزامية في أعقاب عودتهم – وهو مصير تقاسموه مع السلطات المصرية في مناشدات لوقف عمليات الترحيل القسري.
وبشكل روتيني، تسيء السلطات المصرية معاملة طالبي اللجوء المحتجزين، واحتجزتهم لفترات امتدت لسنتين، في «ظروف غير مناسبة وغير إنسانية»، خاصةً بحق النساء الحوامل والأطفال. وفي الوقت نفسه، فإن السلطات المصرية تنتهك التزاماتها الخاصة بعدم الإعادة القسرية، وتسئ معاملة طالبي اللجوء. وأثناء احتجازهم، واجه طالبوا اللجوء نقصًا في الرعاية الطبية، وعدم كفاية وسوء نوعية الطعام المخصص للأطفال والنساء الحوامل. إلى جانب الحرمان من الدفاع القانوني، ومنعهم من التواصل مع مفوضية الأمم المتحدة السامية لشؤون اللاجئين في البلاد. وفي الوقت الحالي، يواجه ما لا يقل عن 200 شخص ظروف الاحتجاز غير القانونية وغير الإنسانية نفسها، بالإضافة إلى خطر الترحيل القسري في أي وقت.
وفي سياق متصل، يواجه طالبو اللجوء تهديدات من ممثلي السفارة الإريترية في القاهرة. كما وثقت منصة اللاجئين في مصر تعرض قادة مجتمعين ونشطاء لتهديدات بالترحيل حال تواصلهم مع منظمات حقوق الإنسان، أو نشرهم معلومات تتعلق بوضع اللاجئين الإريتريين والانتهاكات التي تمارس بحقهم على أيدي السلطات المصرية.
وتؤكد المنظمات الموقعة أن هذه الممارسات تشكل انتهاكًا لالتزامات مصر القانونية المحلية والدولية. وفي سبيل وقفها، فإن المنظمات تدعو السلطات المصرية للامتناع الفوري عن ترحيل طالبي اللجوء لأسباب تتعلق لأسباب تتعلق بدخولهم إلى مصر أو خروجهم منها بشكل غير نظامي. كما تدعو السلطات لمنح هيئات مثل المفوضية السامية للأمم المتحدة لشؤون اللاجئين حق الوصول إلى جميع المحتجزين الذين يطلبون تسجيل طلبات الحماية. وأخيرًا، تطالب المنظمات النيابة العامة لإجراء تحقيق في عمليات الإعادة القسرية السابقة ومحاسبة المسئولين عنها.
المنظمات الموقعة:
In der aktuellen Herbstsession hat sich der Ständerat gegen eine Aufnahme von Menschen aus den Lagern auf den griechischen Inseln ausgesprochen. Er stellt sich damit gegen das Engagement des Kantons Basel-Stadt und die Empfehlung der Staatspolitischen Kommission.
Eine Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt forderte die «Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren». Im Vorstoss heisst es konkret: “Das Bundesparlament und die Bundesbehörden werden ersucht, sicherzustellen, dass Menschen auf den griechischen Inseln in der Schweiz Schutz geboten wird, damit ihnen hier ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet werden kann. Das Bundesparlament soll den Bundesrat zudem beauftragen, die Kapazitäten der Bundesasylzentren, sowie der kantonalen Asylzentren vollständig auszulasten. Der Bundesrat soll zusätzlich andere Staaten in Europa auffordern, es ihm gleichzutun.”
Lisa Mazzone, Abgeordnete der Grünen im Nationalrat, erklärt zu den Hintergründen der Initiative: „Ausgangspunkt für diese Initiative des Kantons Basel-Stadt war eine breit angelegte Mobilisierung nach den Bränden auf den griechischen Inseln, insbesondere in Moria, wo es zu wirklich einschneidenden und bemerkenswerten menschlichen Katastrophensituationen gekommen ist. Eltern und Kinder fanden sich ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen und ohne die Möglichkeit, in überdachten Räumen zu schlafen, wieder. Dies führte zu dieser großen Mobilisierung und zeigte die Situation in Griechenland, die sehr besorgniserregend ist. Man muss feststellen, dass die Reaktion des Bundes zumindest zurückhaltend war, da man beschlossen hat, eine extrem begrenzte Anzahl von Minderjährigen aufzunehmen und Material vor Ort zu schicken. Aber in Bezug auf die Entlastung des Landes in einer menschlich dramatischen Situation war die Reaktion bei weitem nicht angemessen.
Das Ärgerliche an dieser Geschichte – und das ist der Grund für die Einreichung der Initiative – ist, dass es eine grosse Bewegung gab, die von Städten initiiert wurde, die sagten, dass sie ihre Aufnahmekapazitäten zur Verfügung stellen und unabhängig einen Beitrag zur Verbesserung einer menschlich sehr besorgniserregenden Situation leisten wollten.
Die Antwort, die sie erhielten, lautete: “Ihr habt nicht die Kompetenz dazu, bleibt an eurem Platz, ihr könnt nichts ändern.” Wenn sich ein solcher Wille zeigt, der auch bereit ist, sich an den Kosten und der später notwendigen Infrastruktur zu beteiligen, ist es schwer verständlich und erklärbar, auch gegenüber der Bevölkerung, dass man ihnen die Tür verschliesst und ihnen die Solidarität verweigert. Dies hat den Kanton Basel-Stadt dazu veranlasst, diese Initiative einzureichen, die im Grunde von einem grossen Netzwerk von Städten unterstützt wird, die den Osterappell unterzeichnet haben, der gerade aufgrund dieser Situation hervorgehoben worden war.“
Immer wieder spricht sich die Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen», in der unter anderem die acht grössten Schweizer Städte vertreten sind, dafür aus, dass die Schweiz mehr geflüchtete Menschen aufnimmt und erklärt sich bereit, diese Menschen bei sich zu beherbergen.
Angesichts der anhaltenden menschenunwürdigen Bedingungen in den griechischen Lagern stimmte im Februar 2022 ebenfalls die Staatspolitische Kommission zu, dass der Bund in Bezug auf die Aufnahme von den griechischen Inseln dringend handeln muss. Sie nahm die Initiative per Stichentscheid des Präsidenten Marco Romano von der EVP mit 4:3 Stimmen an. Die Kommission gründete ihre Entscheidung auf der Überzeugung, dass Städte eine grössere Rolle bei Entscheidungen zuteilwerden muss, die eine Aufnahme von schutzsuchenden Menschen betreffen. Dies schon allein vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Städte und Gemeinden sich bereits solidarisch mit Menschen auf der Flucht und für eine zusätzliche Aufnahme ausgesprochen haben.
Erneut verschliesst die Mehrheit der National- und Ständerät*innen die Augen vor ihrer humanitären Verantwortung und den umfangreichen Handlungsmöglichkeiten der Schweiz. So tat sie es bereits in der Vergangenheit beispielsweise zur Forderung, aus Seenot geretteten Menschen einen Ort zum Ankommen zu gewähren, wie Mazzone weiter ausführt:
„Eine zweite Situation, in der der Bund ebenfalls beschlossen hat, sich nicht an einem Ansatz zu beteiligen, der über die Dublin-Verordnung hinausgeht, was die Verteilung von Personen betrifft, die in Europa Asyl beantragen, ist die Situation der Rettungsschiffe im Mittelmeer, die immer noch regelmässig auf See festsitzen – vor den Häfen, mehrere Tage lang, mit geretteten Personen an Bord -, weil einige Regierungen sich weigern, diese Personen an Land zu bringen. Das Ergebnis ist, dass sie tagelang in extrem schwierigen Situationen zurückgelassen werden; manchmal haben sie Probleme mit der Wasserversorgung und leiden unter der Hitze – wenn du auf einem Schiff bist, kannst du sehen, was das bedeutet. Auch hier gab es einen Schritt von einigen Ländern, die sich Länder des guten Willens nannten, die beschlossen hatten, sich zusammenzuschliessen, um eine Ad-hoc-Antwort ausserhalb des Anwendungsbereichs der Dublin-Verordnung auf diese besonderen Situationen zu geben. Wieder einmal war die Schweiz nicht bereit, sich dieser Dynamik anzuschliessen.
Ich denke, es war eine Reaktion auf diese Entscheidungen, dass die Städte dazu aufriefen, ihnen mehr Handlungsspielraum zu geben, um ihre Solidarität und ihren guten Willen zum Ausdruck zu bringen. Sie folgten damit dem Aufruf einer Reihe von Ländern, darunter Frankreich, Menschen, die Asyl beantragen, auf einen EU-Mitgliedsstaat zu verteilen.“ Wir fordern weiterhin: Aufnahme statt Abschottung, Städte zu sicheren Häfen und Bewegungsfreiheit für alle.
Quelle: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=58213
Bild: Kara Tepe Refugee Camp on Lesbos Island, Greece. (c) United Nations Photo
Am Wochenende waren wir mit einem Infostand an den enough.-Aktionstagen in Zürich. Wir durften viele tolle Gespräche führen, uns mit anderen Aktivist*innen vernetzen und einige Spannende Inputs mitnehmen.
Vom 14. bis 18. September fanden in Zürich wieder die enough.-Aktionstage zu Migrationskämpfen und antirassitsischem Widerstand auf dem Park Platz und in der Autonomen Schule statt. Das Kollektiv schreibt über sich: „enough. ist eine Plattform, ein Treffpunkt, eine Bühne, eine Informationsstelle, ein Austauschort. Wir schaffen Raum, um antirassistische Initiativen und den Widerstand gegen das Migrationssystem sichtbar zu machen.“
Unter der Überschrift des Abolitionismus gab es Vorträge, Panels, Workshops, Diskussionen, Infostände, Stadtspaziergänge und Kunstaktionen von verschiedenen Gruppierungen, wie z.B. Freiplatzaktion, Linke PoC, Bezgranica, Women in Exile, Abolish Frontex, Collective Climate Justice, ignite!, Direkte Solidarität mit Chiapas, Allianz gegen Racial Profiling, Justice 4 Nzoy, World Without Prisons und viele mehr. Auch Radio LoRa war das ganze Wochenende vor Ort und hat einige Inhalte zum Nachhören aufgezeichnet.
Medienmitteilung des Bündnis “Alle heisst alle” vom 18.08.22
Am Donnerstagabend besammelten sich trotz Regen 50-100 Personen, um gegen das Vergessen der Menschen in Afghanistan und gegen die Taliban zu demonstrieren.
Der Demonstrationszug setzte sich gegen 19:30 in Gang und zog über die Seebrücke auf den Theaterplatz, wo in einer Rede auf den Zusammenhang zwischen dem Krieg der USA und der NATO in Afghanistan und dem Kapitalismus aufmerksam gemacht wurde. Dieser müsse überwunden werden, folgerte der Sprecher und forderte eine grenzenlose Welt.
Unter laut skandiertem «Keine Macht der Taliban – Don’t forget Afghanistan» zog die Demo weiter auf den Helvetiaplatz, wo ein Sprecher auf die miserablen Bedingungen für Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam machte. Er forderte ausserdem von der Schweiz: Die Taliban nicht anzuerkennen, Afghan*innen mit humanitären Visa auszustatten und humanitäre Hilfe zu schicken. Er endete mit einer persönlichen Mitteilung, wie sehr es ihn schmerze, seine Familie nicht sehen zu können.
Geendet hat die Veranstaltung auf dem Bahnhofplatz, auf welchen der Umzug gegen 20:45 einbog. Eine Rednerin machte abermals auf die Unterdrückung von Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam. Ein weiterer Redner wies darauf hin, dass die Verhüllungspflicht nichts mit der afghanischen Kultur zu tun habe.
Die Demonstration, die vom Bündnis Alle heisst Alle organisiert wurde, löste sich um 21 Uhr auf. Es kam zu keinen Zwischenfällen.
Wir setzen uns als Seebrücke dafür ein, dass Städte mehr geflüchtete Menschen aufnehmen und Orte zum Ankommen werden. Wir schaffen in der Migrationspolitik einen Gegenentwurf zu Abschottung und Ausgrenzung von Menschen. Dafür wollen wir Städte gewinnen, sich proaktiv einzusetzen. In Deutschland ist die Seebrücke sehr erfolgreich und es gibt bereits über 300 Städte, die sagen, wir sind ein Sicherer Hafen[1] und bereit, im Migrationsbereich mehr zu tun. In der Schweiz ist dieses Label nicht so sehr bekannt. Aber es gibt doch auch hier einige Städte, die schon viel machen. Dazu gehört Zürich.
Raphael Golta ist SP-Politiker und seit 2014 Mitglied des Zürcher Stadtrats. Er ist Vorsteher des Sozialdepartements der Stadt Zürich.
Anfang des Jahres hat sich die Stadt Zürich für die Initiative «Willkommensstädte»[2] stark gemacht und sich für einen Systemwechsel ausgesprochen: Der Bund soll aufhören, zu blockieren und mehr Möglichkeiten schaffen, dass Städte selbstständig mehr geflüchtete Menschen aufnehmen können. Wie setzt sich die Stadt Zürich aktuell über diese Willkommensstädte-Initiative hinaus für geflüchtete Menschen ein?
Die Stadt Zürich hat sich als grösste Schweizer Stadt schon immer dafür eingesetzt, zusammen mit anderen Städten zu einer fortschrittlichen Flüchtlingspolitik beizutragen. Was in den Städten den Anfang nahm, widerspiegelt sich heute etwa in der schweizweit geltenden Integrationsagenda auch auf Bundesebene. Dieses Engagement hat sich also gelohnt.
Zum Thema Aufnahme von Geflüchteten haben wir uns gemeinsam mit anderen Städten organisiert und so ist Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» entstanden.
Angefangen hat das vor zwei Jahren mit dem Osterappell von evakuierenJETZT[3] und nach dem Brand von Moria. Die 8 grössten Schweizer Städte haben damals erklärt, dass sie mehr Menschen aufnehmen können und wollen – weitere Gemeinden haben sich seither angeschlossen.
Wie viele Städte beteiligen sich gerade aktiv an der Städteallianz und was passiert in diesem Rahmen im Moment? Was könnten in Zukunft Handlungsmöglichkeiten für diese Allianz sein?
Im Moment sind folgende 16 Städte und Gemeinden Teil der Allianz: Baden, Basel, Bern, Delémont, Fribourg, Genf, Kriens, Lausanne, Luzern, Moutier, Prilly, Spiez, St. Gallen, Wil (SG), Winterthur und Zürich. Der Lead liegt bei den grössten acht Schweizer Städten, darunter Zürich, Bern und Basel.
Aktuell warten wir auf eine ländervergleichende Untersuchung vom Bund zu den komplementären Zugangswegen für Menschen auf der Flucht und den weiterführenden rechtlichen Möglichkeiten für die Schweiz, die demnächst veröffentlicht werden sollte. Die Allianz konnte ihre Anliegen im Rahmen einer Stellungnahme des Schweizerischen Städteverbands einbringen. Wie wollen solche Opportunitäten nutzen oder auch neue schaffen.
Was wir versuchen, ist politisch immer wieder einen Fuss in die Tür zu bekommen und zu sagen: “Wir sind bereit, wir können.” Wie die Erfahrung zeigt, öffnet sich immer irgendwann eine Tür. Bis dahin müssen wir geduldig und hartnäckig sein.
Welche Position nimmt die Stadt Zürich gegenüber dem Bund ein?
Im Moment bemühen wir uns darum, aufzuzeigen, dass die Schweiz – durch das Engagement der Städte – humanitär mehr leisten könnte. Es fehlt aber noch die Bereitschaft des Bundes, sich auch darauf einzulassen. Der Bund sucht immer wieder neue Ausreden, weshalb dieses Engagement eben nicht möglich sein soll. Derweil könnte der Bund, wenn er will, mehr Menschen aufnehmen. Dafür könnte er zum Beispiel das Kontingent des Resettlement-Programms erhöhen und so in Absprache mit den Städten und Kantonen handeln. Es gibt also heute schon Möglichkeiten, wenn man denn wollte.
Ein anderer Weg ist die parlamentarische Initiative auf Bundesebene: Dort könnten wir explizit gesetzlich zusätzliche Möglichkeiten verankern, sodass Städte und Kantone selber ein Kontingent bestimmen können und entsprechend mehr geflüchtete Menschen aufnehmen könnten.
Eine Herausforderung, mit der wir uns immer wieder konfrontiert sehen: Wir würden bloss Symbolpolitik machen. Widerlegen können wir den Vorwurf nur, wenn der Bund uns ermöglicht, auf Worte Taten folgen zu lassen.
Zu Beginn des Ukraine-Kriegs ist dies auch erstmals passiert. Damals ist der Bund auf die Städte zugekommen und hat explizit angefragt, ob wir bereit wären, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Das hat uns gezeigt, die Möglichkeit besteht eigentlich schon. In dieser Situation hat der Bund unser Angebot offensichtlich als Chance gesehen und für gut befunden. Bisher leider die Ausnahme – aber da bleiben wir dran.
Gibt es Ansätze, die Veränderungen, die sich seit dem Beginn des Ukraine-Krieges ergeben haben, auszuweiten und auch für andere Geflüchtete zu nutzen? Kann diese Bereitschaft des Bundes dann auch für Menschen von ausserhalb Europas genutzt werden?
Für uns ist es ein klares Ziel, dass alles, was man für ukrainische Geflüchtete ermöglicht hat, auch für Geflüchtete anderer Nationalitäten und mit anderem Status gilt. In der Stadt Zürich hat es verschiedene Vorstösse gegeben, was man für Ukrainerinnen und Ukrainer noch machen sollte. Dafür sind wir offen, aber für uns ist klar, dass das nachfolgend die Messlatte für das ist, was wir für alle Geflüchteten machen, egal woher sie kommen.
Für die Bundespolitik wage ich noch keine Prognose, wie sich der Ukraine-Krieg auf die generelle Flüchtlingspolitik auswirkt. Aktuell sehe ich eher Zeichen dafür, dass der Bund die aktuelle Situation dermassen als Ausnahme ansieht – insbesondere auch, was die Solidarität der Schweizer Bevölkerung betrifft – und deshalb lieber keine weitergehenden Schlüsse daraus zieht.
Es gibt viele zivilgesellschaftliche Strukturen, die sich ebenfalls im Migrationsbereich engagieren und die Arbeit der Städte und Kantone ergänzen. Wie kann das Zusammenwirken von Städten und solchen zivilgesellschaftlichen Strukturen gestärkt werden?
Es ist wichtig, dass man zum Thema Geflüchtete von verschiedenen Seiten her etwas tut und sich verlauten lässt. Das haben wir damals beim Osterappell gemerkt, wo auch die Kirchen dabei waren und gezeigt wurde, dass es nicht einfach einzelne Städte oder ihre politischen Vorsteher*innen sind, die etwas wollen, sondern dass das Engagement durch eine gewisse Breite in der Bevölkerung gestützt wird. Zivilgesellschaftliches Engagement hat ein grosses Potenzial und ist wichtig.
Das Engagement der Bevölkerung wird oft ähnlich blockiert, wie das der Städte. Es gibt beispielsweise immer wieder Initiativen, die sagen, wir haben privaten Wohnraum, wir würden gerne Menschen in unserer Mitte empfangen und unterstützen. Für Menschen aus anderen Ländern als der Ukraine geht das in der Regel nicht. Steht man da vor ähnlichen Problemstellungen, nur dass es dort Stadt oder Kanton sind, die blockieren?
Wir haben es hier als Stadt mit einer vielschichtigen Herausforderung zu tun. Wenn Geflüchtete aus der Ukraine eine private Unterbringung in einer Gastfamilie gefunden haben und diese funktioniert, so versuchen wir das Zusammenleben bestmöglich zu unterstützen. Unsere diesbezüglichen Möglichkeiten sind aber begrenzt, da unsere Strukturen darauf ausgerichtet sind, Geflüchtete zu betreuen und nicht Gastfamilien. Aktuell sind wir nur schon in dieser Kernaufgabe an der Belastungsgrenze. Was wir aktuell gar nicht bieten können, ist die Vermittlung von Geflüchteten an Gastfamilien. Will man dies gut und korrekt machen, so ist das enorm aufwendig.
Auch müssen wir uns bewusst sein: Die private Unterbringung ist kein Wundermittel. Funktionierende Verhältnisse bringen einen Mehrwert für alle. Aber Gäste und Gastfamilien stossen auch schnell einmal an ihre Grenzen.
Zurück zur Vernetzung: Die Stadt Zürich ist in zahlreichen Netzwerken aktiv und trägt verschiedene Label[4]. Sie tritt zum Beispiel als Solidarity City öffentlich auf. Nach welchen Kriterien werden solche Initiativen und Beteiligungen ausgewählt und was ist daran attraktiv für die Stadt?
Einerseits geht es um die Identifikation damit, wir wollen unser Commitment zeigen. Andererseits geht es um die Vernetzung, um miteinander etwas zu bewirken. Die Arbeit in den Netzwerken ist teils aufwendig und wurde durch die Corona-Pandemie eher erschwert. Aktuell konzentrieren wir uns mehr darauf, was wir in der Schweiz politisch bewegen können.
Die Stadt Zürich hat sich schon oft solidarisch mit Menschen auf der Flucht erklärt und ist bereit, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen. Das sind die Kriterien, nach der die Seebrücke eine Stadt als Sicheren Hafen beschreibt. Wie steht die Stadt Zürich zu diesem Titel?
Unser Fokus liegt zurzeit auf der innenpolitischen Arbeit und wir konzentrieren uns aktuell auf die Städteallianz. Obwohl wir uns aktuell die Frage nach einem zusätzlichen Label oder wo wir uns international anschliessen können, nicht stellen, schliessen wir dies für die Zukunft nicht aus. Und wenn uns andere Organisationen zuschreiben, dass wir ein “Sicherer Hafen” sind oder uns wie ein solcher verhalten, so haben wir da sicher kein Problem damit. Schliesslich sind unsere Anliegen weitestgehend deckungsgleich.
[1] Sichere Häfen heissen geflüchtete Menschen willkommen – und sind bereit, mehr Menschen aufzunehmen. Gemeinsam bilden sie eine starke Gegenstimme zur europäischen Abschottungspolitik. Grundlage für die Anerkennung als Sicherer Hafen ist eine öffentliche Solidaritätserklärung.
https://seebruecke.org/sichere-haefen/haefen
[2] Die parlamentarische Initiative «Willkommensstädte und solidarische Gemeinden ermöglichen» forderte vom Bund, dass dieser der Aufnahmebereitschaft von Städten und Kantonen nicht mehr im Weg steht. Auch Raphael Golta, Sozialvorsteher der Stadt Zürich, äusserte sich unterstützend: «Die Stadt Zürich ist bereit, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen. Ich unterstütze alle Bestrebungen, die dies künftig möglich machen.» Der Vorstoss wurde im Juni 22 vom Nationalrat abgelehnt.
https://seebruecke.ch/demand/willkommensstaedte-und-solidarische-gemeinden-ermoeglichen/
[3] Die Kampagne evakuierenJETZT forderte mit dem Osterappell 2020 von Bundesrat und Parlament, möglichst viele Geflüchtete aus den Camps der Ägäis in die Schweiz zu holen. 50’458 Unterschriften und 132 unterstützende Organisationen setzten ein starkes Zeichen. Bis Ende 2020 erklärten sich 25 Städte und Gemeinden bereit, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. Kirchgemeinden stellen ebenfalls ihre eigenen Strukturen zur Verfügung, um die Aufnahme zu erleichtern. Alle Bemühungen und Hilfsangebote wurden von Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des EJPD, abgelehnt oder ignoriert.
https://evakuieren-jetzt.ch/
[4] Im Netzwerk Solidarity Cities engagieren sich europaweit Städte für eine solidarische Migrationspolitik. Neben diesem beteiligt sich Zürich auch an der European Coalition of Cities against Racism, Eurocities, Mayors Migration Council oder Mayors for Peace.
https://seebruecke.ch/zurich/
In einer Vorprüfung am 16.06.2022 hat der Nationalrat die Initiative “Willkommensstädte und solidarische Gemeinden ermöglichen” der Grünen mit 119 zu 70 Stimmen abgelehnt.
Die Initiative fordert, dass der Bund im Asylgesetz in Ergänzung zu Artikel 56 AsylG die Voraussetzungen für zusätzliche Möglichkeiten zur Aufnahme von schutzsuchenden Menschen auf Antrag von Gemeinden und Kantonen schafft. Das heisst, Gemeinden und Kantone sollen die Möglichkeit erhalten, gruppenweise Geflüchtete selbstbestimmt aufzunehmen.
Obwohl es ein guter Ansatz ist, stellen die Grünen in ihrer Initiative eine Reihe von Bedingungen, die an eine zusätzliche Aufnahme geknüpft sind:
Für uns steht jedoch fest, dass eine Aufnahme allen Menschen zustehen muss, die sich gezwungen sehen ein Land zu verlassen. Eine lokale Aufnahme ist dafür essenziell. Städte und Gemeinden müssen die uneingeschränkte Verantwortung bekommen selbst darüber entscheiden zu können wer in ihren Kreisen lebt.
Die Begründung der Ablehnung durch die Kommission liest sich wie folgt:
“Die Kommission hat die parlamentarische Initiative 21.519 der Grünen Fraktion zusammen mit der
Initiative 21.310 des Kantons Basel-Stadt behandelt. Beide verlangen, dass in humanitären Krisen
zusätzliche Flüchtlinge aufgenommen werden können.Nach Meinung der Kommission stünde die Umsetzung eines Mechanismus, welcher die Gemeinden
Bericht der Staatspolitischen Kommission vom 29. April 2022
und Kantone, die zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge auf eigene Kosten bereit sind, einbezieht,
im Widerspruch zum aktuellen System. Die SPK-N hat deshalb beschlossen, der parlamentarischen
Initiative keine Folge zu geben. Sie betont zudem, dass die Realisierung eines solchen Systems
äusserst komplex wäre, insbesondere in Bezug auf die Zuständigkeiten und die Finanzierung, und
dass langfristig der Vollzug erschwert würde. Im Allgemeinen ist sie der Ansicht, dass die
humanitäre Nothilfe vor Ort sowie die aktuelle Resettlement- und Relocation-Strategie zu
bevorzugen sind.”
Weitere Informationen:
Protokoll der kurzen Debatte online
Argumente der Mehrheit schriftlich im kurzen Kommissionsbericht festgehalten
Maria, eine 30-jährige Frau aus Eritrea, kam Ende Dezember 2021 in die Schweiz. Im Bundeszentrum in Chiasso stellt sie ein Asylgesuch. Die Schweizer Behörden verweigerten ihr die Aufnahme unter dem Vorwand, dass ihr in Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei. Anfang Mai wurde sie an den Kanton Luzern überstellt, der für die Durchführung der Zwangsrückführung zuständig ist. Dort verschwendeten sie keine Zeit. Ein paar Tage später ging sie zum Termin beim Migrationsamt, um ihr Aufenthaltsdokument zu verlängern. Doch dort wartet die Polizei auf sie. Sie wird verhaftet und in das Verwaltungsgefängnis Zürich gebracht. Sie wird von den Polizisten stark unter Druck gesetzt: Entweder sie nimmt den für sie gebuchten Linienflug, oder sie wird inhaftiert und zwangsweise nach Griechenland zurückgeschickt. Sie möchte eine Spur ihrer Erfahrungen und ihrer Verzweiflung hinterlassen.
Triggerwarnung: Dieser Text zeigt Inhalte, welche psychisch, physisch oder sonst in einer Art Menschen erschüttern könnte.
„Als ich 12 Jahre alt war, floh ich aus meinem Heimatland Eritrea, und liess mich mit meinem Bruder und meiner Mutter in Äthiopien in der Region Oromo nieder.
Ich bin vor drei Jahren aus politischen und familiären Gründen aus Äthiopien geflohen. Jetzt herrscht in dieser Region Krieg und eine sehr grosse Hungersnot, aber niemand spricht darüber oder unternimmt etwas dagegen.
Von Äthiopien kam ich in die Türkei. Nach mehreren Versuchen, die Türkei auf dem Seeweg nach Griechenland zu verlassen, kam ich auf der Insel Chios an. Ich dachte, Griechenland sei das Paradies, stattdessen war es die Hölle. Ich lebte zwei Jahre lang in einem Flüchtlingslager unter unmenschlichen, katastrophalen Bedingungen. Ich wohnte mit einer Freundin in einem provisorischen Zelt, mit einem Gaskocher zum Kochen. Im Winter war es sehr kalt, die Zelte sind nicht für Winter und Regen geeignet. Wir hatten nicht genug Decken und Kleidung. Das Lager war überfüllt, die Toiletten waren löchrig, die hygienischen Bedingungen erbärmlich, überall lag Müll herum. Es gab kein fliessendes Wasser und es gab nicht genug Essen für alle. Das Essen, das es gab, war sehr schlecht. Totaler Schwachsinn. Niemand sollte unter solchen Bedingungen leben müssen. Wir hatten keine Unterstützung von irgendjemandem, es war ein totales Chaos. Manchmal gab es sogar Polizisten, die uns wie streunende Hunde verjagten oder schlimmstenfalls mit ihren Schlagstöcken verprügelten.
Ich beantragte politisches Asyl, ohne überhaupt zu verstehen, was mit mir geschah, niemand erklärte mir, worum es ging und welche Rechte ich hatte. In zwei Jahren habe ich 90 Euro erhalten. Als sie mir die Genehmigung erteilten, sagten sie mir, dass ich das Lager verlassen müsse und für mich selbst sorgen müsse. Ich glaube, sie machen das absichtlich, damit sie leicht Genehmigungen erteilen können, denn sie wissen, dass die Menschen die schrecklichen Lager verlassen und sich in Luft auflösen. Nach zwei Jahren kam ich also in Athen an, wir liessen uns in der Strasse (Viktoria Platzes) nieder. Ich habe keine Hilfe erhalten. Es war furchtbar, jede Nacht hatten wir mit meiner Freundin Angst, überfallen zu werden. Es war zu gefährlich, als Frau riskiert man, täglich missbraucht zu werden.
Als ich in Chios war, wurde ich Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Ich konnte mit niemandem darüber reden und erhielt keine Unterstützung, weder medizinisch, gynäkologisch, rechtlich noch psychologisch. Ich war allein.
Aber für die Schweizer Behörden ist alles, was ich in Griechenland erlebt habe, nicht genug, sie haben meinen Asylantrag abgelehnt. Ich bin nur eine Nummer, keine Person.
Sie sagen mir, dass ich zurück nach Griechenland auf die Strasse gehen muss, dass ich nicht glaubwürdig genug bin:
Wie ist es möglich, auf diese Weise behandelt zu werden? Wie kann ich eine Vergewaltigung beweisen?
Es gibt keine Würde in Griechenland, niemand sollte unter diesen Bedingungen leben. Ich würde ihnen gerne ins Gesicht sehen, denjenigen, die von ihren Ämtern aus den negativen Entscheidungen treffen, und mir erklären lassen, wie ich in Griechenland in Würde leben kann: Ich bin ein Mensch, eine Person mit Rechten, ich bin keine Maus.
Im März wurde eine Bekannte von mir von Polizisten geweckt, verhaftet und nach Athen abgeschoben. S. wohnte mit mir im Zimmer, in Chiasso, in der Via Motta. Frühmorgens klopften sie an die Tür, drei von ihnen betraten den Raum, aber unten am Eingang waren viele, vielleicht ein Dutzend. Sie legten ihr vor meinen Augen Handschellen an, als sei sie die schlimmste aller Kriminellen, als sei es in der Schweiz ein Verbrechen, Asyl zu beantragen. Sie nahmen ihre Sachen und steckten sie in einen Sack. S. erzählte mir einige Tage nach ihrer Ankunft in Athen, dass sie drei Tage, einen in Lugano und zwei in Zürich, in Polizeizellen verbracht hat, kalt, mit nichts, drei Tage, ohne zu duschen, und dass sie immer wieder psychologisch unter Druck gesetzt wurde: “Entweder du unterschreibst die Rückführung oder du kommst ins Gefängnis, du hast keine andere Wahl”. Sie versuchte, sich zu wehren, aber nach einer Weile verlor sie die Hoffnung und befindet sich nun wieder auf der Strasse in Athen, immer am selben Ort (Viktoria Platzes), ohne Hilfe, ohne Schutz, ohne Würde.
Nach einigen Wochen war ich an der Reihe. Ich lebte jeden Tag mit der Angst, dass ich die Nächste sein würde. Ich war ziemlich gefasst, weil ich einen Wiederholungsantrag beim Bundesverwaltungsgericht anhängig hatte. Aber nichts, überall, wo ich hinkomme, jagten sie mich weg. Als ich beim Migrationsamt in Luzern ankomme, verhaften sie mich dort, sie legen auch mir Handschellen an. Sie sagen mir: ‘Du musst gehen, geh zurück nach Griechenland’. Sie bringen mich nach Zürich, ich schlafe eine Nacht in einer Zelle ohne Fenster, um 9 Uhr wartet ein Flugzeug auf mich; wenn ich es nicht erwische, Gefängnis und Zwangsrückführung. Ich weiss nicht, was ich tun soll, aber ich habe nicht mehr die Kraft, mich zu wehren, zu kämpfen, ich lasse mich gehen….
Als ich in Athen ankam, war niemand da. Die griechischen Behörden wussten von nichts, obwohl die Schweiz verpflichtet ist, sie über meine Ankunft zu informieren. Ich bin wieder da, wo ich angefangen habe, wieder auf der Strasse, wieder in Gefahr, wieder ohne Schutz. Dank einigen Freunden finde ich einen Platz zum Schlafen, aber ich weiss nicht, für wie lange…. Was für ein Elend! Warum behandelt uns Europa auf diese Weise? Auch in Äthiopien herrscht Krieg, warum werden wir nicht so behandelt wie die Ukrainer?”
Seit mehreren Jahren prangern zahlreiche NGOs (HCR, Amnesty International, Human Rights Watch, Ärzte ohne Grenzen usw.) regelmässig die Lage der Menschen auf der Flucht in Griechenland an. Die Hilfsleistungen für Flüchtende und Asylbewerber*innen sind äusserst prekär. Die Menschen haben keinen Zugang zu Wohnraum oder finanzieller Unterstützung durch die griechischen Behörden und landen oft ohne jegliche Unterstützung auf der Strasse[1].
Warum schikanieren die schweizerischen und kantonalen Behörden Männer, Frauen, Kinder, schutzbedürftige Menschen, um sie in Länder zurückzuschicken, in denen es keine Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben gibt? Sie sind keine Menschen mehr, sondern nur noch Pakete. Wie ist es möglich, die katastrophalen Bedingungen des griechischen Aufnahmesystems zu übersehen?
Wir fordern ein Ende aller Abschiebungen und Zwangsrückführungen, ein Ende der staatlichen Gewalt, für die Aufnahme aller schutzbedürftigen Menschen!
Chiasso, Juni 2022.
[1] https://www.rts.ch/info/monde/12591862-des-ong-denoncent-la-precarite-des-personnes- au-statut-de-refugie-en-grece.html“
Medienmitteilung NoFrontex Referendumskomitee vom 15. Mai 22
Mit dem heutigen Abstimmungsergebnis macht sich die Schweiz mitschuldig am Tod von und der Gewalt gegen zehntausende Menschen. Das ist eine grosse Enttäuschung! Doch vergessen wir nicht: Widerstand gegen das tödliche Migrationsregime gab es bereits vor dem Referendum und wird es auch weiterhin geben. Als Teil davon wird sich auch NoFrontex weiterhin gegen Frontex und für Bewegungsfreiheit einsetzen. Die Schweizer Stimmbevölkerung fragen wir: Wie könnt ihr angesichts der Gewalt und des Elends an den Schengen-Aussengrenzen dieses Ja zum Frontex-Ausbau verantworten?
Das NoFrontex Referendum hat aufgezeigt, wie die Schweiz Frontex mitfinanziert und mitverwaltet. Es rückte die Verantwortung der Schweiz für Gewalt, Elend und Sterbenlassen an den Aussengrenzen des Schengenraums ins öffentliche Bewusstsein. Die Enthüllungen der letzten Wochen unterstrichen, was schon lange im Raum steht: Frontex rettet nicht, sondern ist mitschuldig an Gewalt an den europäischen Aussengrenzen. Frontex hat im Mittelmeer keine Seenotrettungsschiffe, sondern beobachtet aus der Luft, wie Menschen ertrinken. Systematisch informiert Frontex die sogenannte libysche Küstenwache über Boote die von Libyen aus in Richtung Italien fahren. Diese fängt Geflüchtete ab und schafft sie gewaltsam zurück nach Libyen. Ein ähnliches Bild bietet sich in der Ägäis: Frontex versorgt die griechischen Kommandos mit Informationen über Grenzübertritte, die diesen dazu dienen, ihr gewaltvolles Pushback Regime duchzsetzen. Frontex ist das Rückgrat dieser Politik – die Agentur stärkt keine Menschenrechte, sondern betrachtet Migrant:innen als Bedrohung und führt einen regelrechten Krieg gegen Migration. Als Frontex-Mitglied ist auch die Schweiz mitschuldig.
Ein Referendum von unten
Weil weder die grossen Parteien noch die grossen migrationspolitischen/menschenrechtlichen Organisationen sich gegen den Frontex-Ausbau wehrten, entstand ein Referendum von Unten. Es waren Aktivist*innen und Basisorganisationen rund um das Migrant Solidarity Network, die das Referendum ergriffen und bis zuletzt getragen haben – viele davon sind von der Abstimmung selbst ausgeschlossen. Sie haben als ausserparlamentarische, antirassistische Bewegung das Referendum, in einem aussergewöhnlichen Schlussspurt, erst möglich gemacht und die letzten drei Monate in den politischen Diskurs interveniert: zahlreiche Veranstaltungen, Demonstrationen und andere Aktionen fanden statt. Europäische Unterstützer*innen besuchten die Schweiz und lokal wie überregional stärkten sich widerständige Vernetzungen.
Rückblick: Skandal um Skandal rund um die europäische Grenzagentur
In der Zeit zwischen Referendumsübergabe und Abstimmungssonntag vergingen kaum zwei Wochen, ohne das ein neuer Skandal zu Frontex publik wurde: Verschiedene Medienrecherchen beweisen, dass Frontex systematisch in Pushbacks involviert ist und diese bewusst verdeckt. Es häufen sich juristische Klagen gegen Frontex, das EU-Parlament stimmte gegen die Entlastung des Frontex-Haushaltes. Am 29. April trat Frontex-Chef Fabrice Leggeri zurück.
Gleichzeitig behaupten Befürworter*innen von Frontex nach wie vor, dass sich die Agentur verbessern lasse. Doch das ist Augenwischerei: davon zeugen nicht nur die systematischen Menschenrechtsverletzungen sondern auch ein Blick auf den geplanten Ausbau. Die aktuelle Reform hat die strukturellen Probleme, die Unkontrollierbarkeit von Frontex und deren Intransparenz zementiert und nicht verbessert.
Frontex spaltet die Welt und hierarchisiert Menschen
Die vom Ja-Lager geschürten Sorgen um nationale oder europäische Vorteile führen heute zum rassistischen Ergebnis, dass Frontex Ungleichheiten zwischen Nord und Süd mit Überwachung und Gewalt aufrecht erhalten will. Der Frontex-Ausbau schützt eine koloniale Weltordnung, welche Menschen von ausserhalb Europas gewaltsam diskriminiert und entrechtet.
Aktuelle Kriege, aber auch Klimawandel, Wirtschaftskrisen und die andauernde Pandemie erfordern globale Solidarität und eine nachhaltige Politik für alle. Migration lässt sich nicht mit militärischer Abschottung und Frontex kontrollieren – das haben die letzten 20 Jahre gezeigt. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel: das System Frontex ist gescheitert. Stattdessen braucht es antirassistischen Dialog, antikolonialen Widerstand und solidarische Räume für Beziehungen auf Augenhöhe.
Der Widerstand geht weiter. Die migrantischen Stimmen müssen gehört werden.
Migration ist eine Tatsache, keine Bedrohung. Menschen werden weiterhin Länder verlassen und in Europa eine Perspektive suchen. Gleichzeitig geht auch der Kampf gegen das tödliche EU-Migrationsregime weiter. Die Vernetzung zahlreicher Basisgruppen und organisierter Kollektive in der gesamten Schweiz und darüber hinaus ist ein Gewinn. Globale und antikoloniale Perspektiven auf Migration wurden sichtbar und erhielten neuen Fahrtwind. NoFrontex lebt auf vielen Ebenen weiter: durch kritischen Austausch über Bewegungsfreiheit, gelebte Solidarität oder organisierten antirassitischen Widerstand.
Am 21. Mai beginnt auf Sizilien der Vorprozess gegen die Iuventa-Crew. Während europäische Seenotretter*innen und Aktivist*innen viel mediale Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten, wenn sie kriminalisiert werden, bleibt die alltägliche Praxis der Inhaftierung von Migranten (ausschliesslich Männer), die mit denselben Vorwürfen konfrontiert werden, fast unbemerkt. Tausende Migranten werden in Italien und Griechenland wegen angeblicher „Schleusung“ und „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ festgenommen und inhaftiert.
In Griechenland wird Beihilfe zur illegalen Einreise härter bestraft als Mord. Da gibt es den Fall von Hasan und N. Hasan wird wegen Menschenschmuggels angeklagt und mit bis zu 230 Jahren Gefängnis bedroht. Er habe ein Boot gesteuert, das im November 2020 vor Samos Schiffbruch erlitt. An Bord waren auch N. und sein Sohn, der den Schiffbruch nicht überlebte. N. wird angeklagt, weil sein 6-jähriger Sohn auf der Flucht starb – weil er sein Kind durch die Flucht in Gefahr gebracht habe. Dabei ist das Schiffsunglück weder Hasans noch N.’s Schuld. Es ist ein direktes Resultat der zunehmenden Grenzschliessungen der EU, die Menschen zwingen, ihr Leben und das ihrer Familien zu riskieren. Ihr Gerichtsverfahren ist am 18. Mai 2022.
Da ist der Fall von Amir und Razuli. Sie versuchten im März 2020 auf einem Schlauchboot Griechenland zu erreichen. Die griechische „Küstenwache“ griff das Boot an und versuchte es unter Gewaltanwendung zurück in türkische Gewässer zu drängen. Nachdem dies misslang, wurden Amir und Razuli festgenommen und willkürlich des „Schmuggels“ und der „Gefährdung von Menschenleben“ angeklagt sowie wegen ihrer eigenen «illegalen» Einreise. Im September 2020 wurden sie zu 50 Jahren Haft verurteilt. Ihr Berufungsverfahren wurde wegen «Überlastung des Gerichts» auf den 8. Dezember 2022 verschoben.
Oder der Fall der #Paros3. Am 5. Mai verurteile ein griechisches Gericht Kheiraldin, Abdallah und Mohamad zu insgesamt 439 Haft für das Steuern eines Bootes auf ihrer eigenen Flucht. Das Boot kenterte im Dezember 2021 vor der griechischen Insel Paros, wobei 18 Menschen starben.
Diese Migrant*innen machen, wozu sie von der EU aufgefordert werden: Sie kommen auf europäischen Boden, in diesem Fall auf die griechischen Inseln, um ein Asylgesuch zu stellen. Das ist der normale Ablauf, in Europa überhaupt Asyl beantragen zu können. Sobald sie jedoch ankommen, werden sie genau dafür kriminalisiert. Dabei ist es typisch, dass die Menschen, die die Überfahrt organisieren und damit Geld verdienen, sich nicht selbst in Gefahr bringen und Migrant*innen dadurch gezwungen sind, das Boot zu steuern.
Die griechischen Behörden können mit der Kriminalisierung des Bootsführers oder einer beliebigen Person, die sich auf dem Boot befindet, den Erfolg ihrer Arbeit gegen Schmuggler vortäuschen. Denn: Für diese Menschen interessiert sich die Öffentlichkeit in der Regel nicht. Betroffen von dieser Kriminalisierung waren in Griechenland in den letzten Jahren 2’000 bis 3’000 Personen. Von vielen Fällen wissen wir nicht einmal.
Den typischen Ablauf eines Verfahrens gegen Migrant*innen schildert ein griechischer Anwalt so: Bei der Inhaftierung sieht sich eine Anwaltsperson kurz den Fall an. Nach acht bis zwölf Monaten kommt es zum Verfahren. 10 Minuten vor dem Beginn des Verfahrens sehen die Angeklagten die Anwaltsperson das erste Mal wieder. Die Verhandlungen dauern ein paar Minuten. Keine Zeug*innen, keine Beweismittel, schnelles Urteil. Von einer fairen Verhandlung, die die geltenden Gesetze beachtet, kann keine Rede sein. Das übliche Strafmass: 5-15 Jahre Haft für jede Person auf dem Boot. Bei 30 Personen ergeben sich absurde Strafmasse von über 200 Jahren. Auch wenn von dieser Haftzeit 12-20 Jahre tatsächlich abgesessen werden müssen, ist der psychische Druck eines solchen Urteils enorm. Zumal für ein Verbrechen, das keines ist und für das man nicht schuldig ist. Für ein Verbrechen ohne Opfer. Denn wer ist das Opfer, wenn Menschen auf eigenen Wunsch von Libyen nach Italien oder von der Türkei nach Griechenland befördert werden?
Ähnlich ist die Situation in Italien. Migrant*innen, die in Italien verhaftet werden, wird Beihilfe zur illegalen Migration vorgeworfen, ein Verbrechen, das mit bis zu 20 Jahren Haft und hohen Geldstrafen geahndet werden kann. Auch in Italien werden grundlegende Menschenrechte verletzt. Häufig sitzen Migrant*innen monatelang in Haft, ohne überhaupt den Grund zu kennen. Es fehlt an Informationen und Übersetzungen. Migrant*innen werden aufgrund äusserst schwacher Beweislagen und unzuverlässiger Zeug*innenaussagen angeklagt, die Gerichtsverhandlungen sind selten öffentlich, es gibt keinen angemessenen Zugang zu einer Rechtsverteidigung. Die Prozesse sind politisch und die Gerichte strikt. Auch in Italien finden diese Prozesse in der Annahme statt, dass sich niemand für die Menschen und die Rechtsverletzungen, die sie erfahren, interessieren wird. In vielen Haftanstalten ist es nicht möglich, ein Asylgesuch zu stellen. Daher wird aus der Untersuchungs- schnell eine Abschiebehaft.
Anfang April hat das Berufungsgericht in Palermo vierzehn Migranten freigesprochen, die von 2016 bis 2018 in Italien inhaftiert waren. Sie waren im Mai 2016 direkt nach ihrer Ankunft in Sizilien verhaftet und beschuldigt worden, die Boote mit Migrant*innen gesteuert und sich somit der Beihilfe zur illegalen Einreise schuldig gemacht zu haben. In einem aktuellen Bericht dokumentiert die NGO Arci Porco Rosso, dass seit 2013 in Italien mehr als 2’500 Menschen mit dem Vorwurf, ein Boot gesteuert zu haben, inhaftiert wurden.
Gruppen wie Arci Porco Rosso und Borderline Europe möchten diese systematische Kriminalisierung von Migration an die Öffentlichkeit bringen. Sie geben den Betroffenen Namen, machen auf ihre Fälle aufmerksam und stellen rechtliche Unterstützung zur Verfügung. Dabei können wir sie beispielsweise mit Spenden für den Rechtsbeistand oder mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Medienarbeit zu den einzelnen Fällen unterstützen: Freiheit für die #Samos2, Freiheit für die vier Fussballer, Freiheit für die Moria6, Freiheit für Amir & Razuli, Freiheit für Hamza & Mohamed.
Diese politischen Prozesse funktionieren, weil der öffentliche Diskurs dem Narrativ folgt: Das Sterben auf dem Mittelmeer sei die Folge des «Menschenschmuggels». Wenn man diesen endlich unterbände, wäre das Problem gelöst. Aber wer dieses Narrativ benutzt und Menschen anklagt, die ein Boot gesteuert haben, das Menschen in Sicherheit bringen sollte, darf sich nicht länger als Verteidiger*in der Menschenrechte und erst recht nicht als Verteidiger*in von Migrant*innenrechten darstellen. Die wahren Verantwortlichen für das Sterben auf dem Mittelmeer zu benennen, die europäischen Entscheidungsträger*innen und Akteur*innen wie Frontex, ist die Grundlage für einen breiten öffentlichen Widerstand gegen diese Kriminalisierung.
Menschen kommen aus vielen Gründen an die Grenzen. Sie fragen dort Menschen, sie über die Grenzen zu bringen. Weil es anders nicht funktioniert. Sie werden in diesen hier besprochenen Fällen nicht gegen ihren Willen von Schmugglern aus ihren Herkunftsorten über die Grenzen geschleppt. Sie machen sich nicht wegen der Schmuggler auf den Weg nach Europa. Jeder Mensch hat einen individuellen Grund für seine Flucht oder Migration. Migration ist eine Realität, der wir nur mit sicheren Migrationsrouten gerecht werden können.
Am 15. Mai wird in der Schweiz über das NoFrontex-Referendum abgestimmt. Über 80 Basisgruppen haben es geschafft, dass sich Medien und Parteien in den nächsten Monaten eindringlicher mit dem Thema europäische Aussengrenzen beschäftigen. Frontex, die offizielle europäische Behörde für Grenzschutz wird seit 2015 zunehmend aufgerüstet. Am 15. Mai wird in der Schweiz über das NoFrontex-Referendum abgestimmt. Über 80 Basisgruppen haben es geschafft, dass sich Medien und Parteien in den nächsten Monaten eindringlicher mit dem Thema europäische Aussengrenzen beschäftigen. Frontex, die offizielle europäische Behörde für Grenzschutz wird seit 2015 zunehmend aufgerüstet. Der Bundesratsentscheid vom Herbst 2021 gewährt Frontex sogar eigenes Personal. Dabei ist schon längst bekannt, dass Frontex in systematische Verstösse gegen Menschenrechte und internationales Recht verwickelt ist.
Frontex ist auch im Mittelmeer tätig, wo eine Kollaboration mit der sogennanten lybischen Küstenwache zu einem Kernaufgabengebiet der Agentur zählt. Warum die Seebrücke Schweiz NEIN gegen Frontex am 15. Mai sagt haben wir in der unten stehenden Position zusammengefasst.
Mehr als 44.000 Menschen haben bereits ihr Leben beim Versuch, die Festung Europa zu erreichen, verloren. Trotzdem hält Europa weiter an einer brutalen Abschottungspolitik um jeden Preis fest. Anstatt auch nur einen Franken für die Rettung von Menschen in Seenot auszugeben, wird die Grenzschutzagentur Frontex militarisiert und finanziell und personell aufgestockt. 2022 stellt die EU Frontex etwa eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung, ein Drittel davon geht in die Luftüberwachung. Die ist dazu da, um Menschengruppen an Küsten, in Verstecken, in Booten und Lagern zu beobachten und so früh wie möglich von EU-Grenzen fernzuhalten. Durch diese Überwachung sollen schutzsuchende Menschen daran gehindert werden in der EU Asyl zu beantragen. Das geschieht oft durch gewaltsam durchgeführte illegale Pushbacks oder andere Formen physischer und psychischer Gewalt. Obwohl es zahlreiche Beweise und Berichte über diese brutalen Praktiken gibt, wurde bisher von Seiten der EU noch nichts unternommen. Frontex ist zum Symbol des externalisierten Migrationsregimes Europas geworden, welches die aktive Entscheidung getroffen hat, eine brutale und menschenunwürdige Abschottung Tag für Tag mit militärischen Mitteln fortzuführen und dabei internationale Standards und Rechte zu ignorieren, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Eine weitere Aufrüstung von Frontex ist nicht die Lösung, die wir brauchen! Die Finanzierung von strafffreien und menschenverachtenden Strukturen darf nicht weiter staatlich unterstützt werden!
Durch die Auslagerung des Grenzschutzes an Agenturen wie Frontex geben Mitgliedsstaaten die Verantwortung über die andauernden psychischen und physischen Gewalttaten gegen schutzsuchende Menschen an externe Akteur*innen ab. Auf der Grundlage einer europäischen Sicherheitskooperation haben dieses System bisher alle Schengen-Mitgliedsstaaten ohne Zögern akzeptiert und unterstützt – dazu gehört auch die Schweiz. So beteiligt sich die Schweiz finanziell als auch personell an Frontex. Bis 2027 wurde ein jährlicher Beitrag von 61 Millionen Franken gesprochen, was 5% des gesamten Frontex-Budgets ausmacht. Mit der Unterstützung der unmenschlichen Abschottungspolitik Europas trägt die Schweiz Mitschuld an tausenden Toten jedes Jahr an den europäischen Aussengrenzen. Am 15. Mai 2022 wird es nun das erste Mal die Möglichkeit geben, Einfluss von unten auf das europäische Migrationsregime zu nehmen und die rassistischen Handlungen und Entscheidungen nicht gezwungenermassen hinzunehmen.
Die schweizer Stimmbevölkerung kann mit einem NEIN zur Finanzierung von Frontex am 15. Mai europaweit ein Zeichen setzen; gegen Frontex und die unmenschliche europäische Abschottungspolitik, zu dessen Symbol sie geworden ist; dafür, dass eine humanere europäische Migrationspolitik möglich ist und dafür, dass das existierende Migrationsregime nicht mehr hingenommen werden muss und wird.
Ein Nein entkräftet das Narrativ, dass man nichts tun könne als einzelnes Land und bildet einen Anknüpfungspunkt für Menschen und Bewegungen, die das europäische Migrationsregime grundlegend verändern möchten. Die Abstimmung ermöglicht zudem eine in der Schweiz längst überfällige kritische öffentliche Auseinandersetzung mit der rassistischen europäischen Abschottungspolitik und der Rolle, die die Schweiz darin spielt und die grösstenteils ignoriert wird von der Öffentlichkeit. Essenziell dabei ist aber, dass die vom Migrationsregime betroffenen Menschen, die fast ausschliesslich von der Abstimmung ausgeschlossen werden, eine angemessene Plattform im öffentlichen Diskurs erhalten.
Militarisierung und Aufrüstung von Frontex werden gewollt eingesetzt, um Europa weiter unerreichbar für Menschen auf der Flucht zu machen. Mit der Finanzierung von Frontex unterstützt die Schweiz daher nicht nur den systematischen Bruch von Menschenrechten, sondern auch ein System inhärenter Gewaltstrukturen, welches durch Frontex verkörpert wird.
Die Seebrücke sagt daher NEIN gegen Frontex am 15. Mai, denn stattdessen baucht es…
… ein Ende der personellen, finanziellen und technischen Unterstützung aller Frontex-Einsätze und keine weitere Aufstockung des Frontex-Budgets oder weiterer Befugnisse der Grenzschutzagentur!
… Schutz und sichere Fluchtwege für alle fliehenden Menschen!
… ein staatliches europäisches Rettungsprogramm!
… FERRIES NOT FRONTEX!
2012 wurde der einzige sichere Fluchtweg in die Schweiz abgeschafft, das Botschaftsasyl. Tausende Tote und unzählige Gewalterfahrungen an den Grenzen später wurde die Wiedereinführung gefordert – und nun abgelehnt. Die angepriesenen Alternativen wie die Erteilung von humanitären Visa oder das Resettlement bleiben sogar hinter den selbst gesteckten Quoten des Parlaments zurück.
Das Botschaftsasyl erlaubte es Menschen, ausserhalb der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen, welches dann von den Behörden geprüft wurde. Es wurde mit der Begründung abgeschafft, dass es diese Möglichkeit nur in der Schweiz, nicht aber in anderen europäischen Staaten gäbe. Die Rede ist von einer «Sogwirkung», die man auf keinen Fall (wieder) riskieren könne und von genügend anderen Möglichkeiten, zum Beispiel mit einem humanitären Visum oder via Resettlement-Programm in die Schweiz zu gelangen. Praktisch hatte die Abschaffung des Botschaftsasyls aber zur Folge, dass Menschen bis heute nur auf Schweizer Boden ein Asylgesuch stellen können. Der Weg dahin ist illegalisiert und lebensgefährlich.
Ein humanitäres Visum zu erhalten ist mit grossen Hürden verbunden. Eine Person muss in ihrem Herkunftsstaat «unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet» sein, einen Bezug zur Schweiz, Integrationsaussichten und keine Möglichkeit haben, in einem anderen Land Schutz zu suchen. Ein kollektiver Fluchtgrund, wie Bedrohung durch Krieg oder Hunger reicht nicht aus. Und das muss dann das SEM auch noch so beurteilen. Zudem muss man einen Antrag in einer Schweizer Botschaft stellen, die es nicht in jedem Land gibt und die für viele Menschen nicht erreichbar ist. 2020 wurden entsprechend auch nur 296 humanitäre Visa ausgestellt.
Ähnlich eng sind die Resettlement-Möglichkeiten. Seit 2019 werden immer für 2 Jahre Aufnahmequoten festgelegt. Bisher betrug die Zahl 1’600 Personen pro zwei Jahre, die von der UNHCR vorausgewählt und vorgeschlagen werden. Dazu muss ihre Flüchtlingseigenschaft schon anerkannt und ebenfalls eine Integrationsbereitschaft in der Schweiz zugesagt sein. 2020/21 wurde diese sowieso schon sehr tiefe Quote nicht erfüllt. Lediglich 1’380 Menschen konnten innerhalb von zwei ganzen Jahren via Resettlement in die Schweiz kommen. Allein aus Afghanistan suchen nach der Machtergreifung der Taliban tausende Menschen Schutz. Resettlement-Plätze der Schweiz für Menschen aus Afghanistan 2021: 219.
In Afghanistan wie an so vielen anderen Orten wolle man lieber vor Ort helfen. Die Gelder, die meist aus dem Topf der Entwicklungszusammenarbeit fliessen, sind immer häufiger an Migrationsabkommen und Abschottungsmassnahmen geknüpft. Die Herkunftsländer sollen aktiv dafür sorgen, dass sich Menschen nicht auf den Weg nach Europa machen, um dort dann ein Asylgesuch stellen zu können. Denn: Eine wirtschaftlich bessere Situation der Menschen führt nicht zwingend dazu, dass sie in ihrem Herkunftsland bleiben wollen. Vielmehr gibt es vielen Menschen erst die Chance, sich Flucht oder Migration nach Europa leisten zu können.
Die offizielle Schweiz wiederholt immer wieder mantraartig zwei Kernargumente: “Es gibt genügend Möglichkeiten, auf sicherem Wege ein Asylgesuch in der Schweiz zu stellen.” Und: “Wir können nicht mehr machen, sonst stehen wir in Europa allein da.” Beide Aussagen werden durch ihre Wiederholung nicht wahrer. Beide Narrative lassen sich verändern. So wie eine andere Schweizer Politik möglich ist, wenn man dann will, so ist auch eine andere europäische Politik möglich. Eine, in der humanitäre und rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden – zumindest also das, was man sich als Staat selbst auf die Fahnen schreibt. Für eine Welt ohne Grenzen und gleiche Möglichkeiten für alle Menschen sind wir auch dann noch weit entfernt.
Auch wir als Seebrücke können nicht oft genug wiederholen: Die Schweiz hat Platz und über 30 aufnahmebereite Städte und Gemeinden. Während wir das schreiben, werden es immer mehr.
Bild: Schweizerische Botschaft Islamabad © EDA
Mit der parlamentarischen Initative “Willkommensstädte und solidarische Kantone ermöglichen” vom 10. Februar 2022 fordern die Grünen Schweiz den Bundesrat auf, die lokale Aufnahme schutzsuchender Menschen von den europäischen Aussengrenzen endlich möglich zu machen. Unterstützung für das Anliegen kommt auch von den Städten Bern, Genf und Zürich. Drei Städt, die sich bereits seit langem für eine zusätzliche Aufnahme ausgesprochen haben.
Auch die SEEBRÜCKE Schweiz setzt sich dafür ein, dass Wege für eine unbürokratische und dezentrale Aufnahme geschaffen werden und arbeitet dafür mit solidarischen Städten und Gemeinden zusammen. Wir zeigen auf, dass es nicht nur einzelne Stimmen sind, die eine andere Migrationspolitik fordern.
Deshalb wollen wir im Gespräch mit Balthasar Glättli, dem Präsidenten der Grünen und Nationalrat, wissen, welche Möglichkeiten es für den Willkommensstädteappell gibt und was in der Schweiz weiter passieren muss um eine lokale Aufnahme voranzubringen.
Wir möchten mit Ihnen über den Appell zu Willkommensstädten und solidarischen Kantonen sprechen. Als Seebrücke sind wir genau an dieser stärkeren Entscheidungsmacht für Städte und Gemeinden interessiert. Woran knüpft der Appell an und worauf liegt sein Fokus?
Der Ausgangspunkt war, dass sich die Schweiz in dieser Debatte immer im Kreis gedreht hat. Es haben sich immer wieder Städte, Gemeinden oder ganze Kantone bereit erklärt, geflüchtete Menschen aufzunehmen. Damit hat die Schweiz ein positives Gesicht gezeigt. Wir haben dann aber immer gemerkt, dass der inhaltlichen Frage auf Bundesebene ausgewichen wurde. Man hat darauf verwiesen, dass im Schweizer Recht so etwas wie besondere Quoten für Gemeinden oder Kantone nicht vorgesehen ist. So hat man politisch aneinander vorbeigeredet. Die Städte haben gesagt, „wir wollen doch“ und der Bund hat gesagt, „wir können gar nicht.“
Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?
Es ist jetzt Zeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Die Aufnahmekontingente müssen erhöht werden, wenn Städte und Kantone bereit sind, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei sagen wir ganz explizit, dass die entstehenden Kosten, die sonst der Bund übernimmt, auch von den Städten getragen werden. Damit ist sichergestellt, dass Städte und Gemeinden die ganze Verantwortung übernehmen. Es geht nicht nur um positive Schlagzeile und die Rechnung geht dann nach Bern. Wir sind bereit, organisatorisch und auch finanziell solidarisch zu sein.
Die Aufnahme in die Schweiz war bisher also allein aus juristischen Gründen nicht möglich? Oder sind da auch politische Hintergründe im Spiel?
Bisher war die einzige Instanz, die berechtigt ist Kontingente aktiv aufzunehmen, der Bundesrat oder bei kleineren Kontingenten die Migrationsministerin. Es gibt aber rein rechtlich keine Möglichkeit für Städte, geflüchtete Menschen aufzunehmen. Und das wollen wir ändern, damit es dann auch zur politischen Debatte kommt – die politische Debatte ist ja noch gar nicht geführt. Wir haben das Gefühl, in verschiedenen Gemeinden ist Handlungsbereitschaft vorhanden und entsprechend sollte man dort nicht länger blockieren.
Karin Keller-Sutter hat für Menschen, die aus der Ukraine flüchten, eine unkomplizierte Aufnahme und die Aktivierung des Schutzstatus S zugesagt. Welchen Spielraum gibt das Schweizer Städten im Hinblick auf zukünftige Aufnahmeangebote?
Auch der Status S wird vom Bundesrat verkündet. Die Details sind hier noch zu klären, aber von einem gehe ich aus: Die Menschen, die den Schutzstatus S erhalten, werden dann nach dem bestehenden Verteilschlüssel auf die Kantone und von dort weiter auf die Gemeinden verteilt. Auch hier sind keine zusätzlichen Solidaritätsleistungen einzelner Städte möglich aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie wir sie jetzt kennen. Was Moment anders ist als in vergangenen Krisen, ist dass nicht nur die Bevölkerung und einzelne Städte und Gemeinden ihre Unterstützung für Menschen auf der Flucht erklären. Es zeichnet sich auch ab, dass der Bundesrat die Tür für Schweizer Verhältnisse relativ weit öffnet. Ich finde es wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Bereitschaft zur Aufnahme seitens der Städte und der Bevölkerung auch für Flüchtende aus Syrien oder Afghanistan vorhanden gewesen wäre. Und damals ist es der Bundesrat gewesen, der sich geweigert hat, kreative Lösungen zu finden oder von sich aus die gesetzlichen Vorlagen zur Aufnahme durch Städte anzupassen.
Die Situation ist jetzt insofern eine andere, dass ganz Europa sich für eine andere Aufnahmepolitik entschieden hat und die Schweiz sich dem anschliesst. Wie schätzen Sie das ein: Wenn nicht dieser europäische Druck besteht, könnte die Schweiz auch einmal mit einer progressiveren Aufnahmepolitik vorweg gehen?
Wie ich den jetzigen Bundesrat einschätze, glaube ich nicht, dass die Schweiz kaum jeh einen Schritt voran gehen wird, sondern im besten Fall mitmacht, wenn andere Länder auch mit dabei sind. Aber ich bin überzeugt, dass es auch in Zukunft immer Städte geben wird, die mehr machen wollen. Und das wäre ja der Sinn und Zweck dieser Petition und unser Vorschlag, dass hier jetzt die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen werden, dass auch Gemeinden und Kantone Flüchtlinge aufnehmen können, wenn sie die Unterbringung und Finanzierung sicherstellen können.
Welche Möglichkeiten gibt es noch, in der Schweiz eine andere Migrationspolitik mitzugestalten?
Im Moment haben wir die Diskussion um die Frontex-Abstimmung. Wir werden das einzige Land sein, in dem es eine Volksabstimmung über die Frontex-Weiterentwicklung gibt. Die erneute Aufrüstung von Frontex, die mit viel Personal und technischen Mitteln an der Festung Europa weiterbaut ist für uns ein Kampf, der sich mit dem Kampf um Willkommensstädte verbindet. Für mich ist ganz klar: Wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir stärker Brücken bauen und legale Fluchtwege schaffen und dass, wenn die Willkommensbereitschaft dann da ist, dass diese dann auch genutzt werden kann. Ich bin natürlich gespannt, wie sich die aktuelle Situation in der Ukraine auf die Frontex-Abstimmung auswirken wird. Es ist noch zu früh, dazu eine Analyse zu machen. Aber man sieht jetzt schon, dass es anders geht. Anstatt die Grenzen mit Waffengewalt zu sichern, kann die Schweizerische Bundesbahn den ukrainischen Flüchtlingen beispielsweise heute Gratistransporte anbieten. Ich hoffe, dass das dazu führt, dass es mehr Leute gibt, die dieses Referendum gegen Frontex unterstützen.
Was sind die nächsten Schritte im Willkommensstädte-Appell?
Es geht als nächstes ganz konkret darum, diesen Appell breiter bekannt zu machen. Über 50‘000 Menschen haben damals den Evakuieren Jetzt!- Appell unterschrieben und unser Ziel ist es natürlich, sie und viele andere jetzt auf diesen Willkommensstädte-Appell aufmerksam zu machen. Was bei Evakuieren Jetzt! gefordert wurde, nämlich dass Städte Flüchtlinge aus diesen Lagern an den Grenzen Europas aufnehmen, dies soll der Appell nun auch ermöglichen. Das zweite, das für uns wichtig ist, ist die Diskussion in der Schweiz etwas zu entkrampfen. Dass es nicht ein Pro oder Contra offene Flüchtlingspolitik ist, sondern dass man sagt, ja es gibt eine Flüchtlingspolitik auf Schweizer Ebene, die dort definiert und entscheiden wird. Und dann gibt es aber die Möglichkeit, dass Schweizer Gemeinden und Kantone darüber hinaus solidarisch sein können. Es ist dann nicht mehr die Frage, muss man mehr tun oder nicht. Es ist dann die Frage, darf man mehr tun, wenn man es will, oder nicht. Wenn ein Stadt- oder Gemeindeparlament bereit ist, dass zu tragen, gibt es ja eigentlich gar keinen Grund, da nein zu sagen. So können wir positiver über die Bereitschaft reden, konkrete Hilfe zu leisten, statt nur davon zu reden, was die gesetzlichen Hürden sind. Das wäre das Ziel dieser Kampagne.
Das Narrativ von Flucht als Bedrohung für Europa wird sehr bewusst von vielen Medien und Politiker*innen aufrecht erhalten. Welche Möglichkeiten sehen Sie, auch im Rahmen des Appells, dem entgegenzuwirken und ein anderes Bild von Migration zu prägen?
Was ich wichtig finde ist, dass man die Zusammenhänge zeigt. Flucht und Migration haben mit der Aufrüstungspolitik, mit der Rohstofffrage oder auch damit, welche Regimes man unterstützt, indem man fossile Energien importiert, zu tun. Diese Zusammenhänge haben grad mit dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine wieder an Aktualität gewonnen. Es ist wichtig, nicht nur zu sagen, wir sind gefordert, weil so viele Menschen kommen, sondern sich auch darüber Gedanken zu machen, wie man in Europa geholfen hat, die russische Armee aufzurüsten, sonst wäre das ja gar nicht möglich gewesen. Ich finde es wichtig, Flucht und Migration nach Europa nicht immer nur als Bedrohung darzustellen, sondern dass man auch bewusst von einer Verantwortung spricht, die wir durch die Art und Weise unseres Wirtschaftens in der Schweiz und in Europa haben. Es ist nicht so, dass diese Flüchtenden und diese Konflikte, vor denen sie fliehen, aus dem Nichts kommen.
Vielen Dank für das Interview.
Gerade die Entwicklungen in der Ukraine zeigen, dass eine unkomplizierte Aufnahme politisch möglich ist. Alle, die vor Krieg fliehen, haben das Recht, Schutz zu suchen! Die SEEBRÜCKE setzt sich ohne Unterschied für die Aufnahme aller Menschen ein, die Schutz bedürfen. Die Festung Europa hat eine Tür geöffnet und wir lassen sie nicht wieder zugehen. Wir fordern den Bundesrat auf, lokale Aufnahme für alle sofort zu ermöglichen!
Am 18.03.2022 demonstrierten über 250 Personen in Luzern für eine menschliche und gerechte Schweizer Migrationspolitik. Zur Demonstration aufgerufen hat das Bündnis „Alle heisst alle!“.
Medienmitteilung des Bündnisses “Alle heisst alle”
Die Solidarität, die Menschen aus der Ukraine im Moment erfahren, ist gross. Sie gilt leider nicht für alle. Menschen nichteuropäischer Herkunft wird eine menschliche Behandlung seit Jahren verwehrt. Sie werden an den europäischen Aussengrenzen (oft gewaltvoll) abgewiesen, ertrinken im Mittelmeer oder sterben an Hunger und Kälte in den Wäldern der Grenzregionen. Angekommen in der Schweiz durchlaufen sie ein zermürbendes Asylverfahren, an dessen Ende häufig die Ausschaffung steht.
Die Demonstrant*innen forderten deshalb in verschiedenen Redebeiträgen eine Gleichbehandlung von Flüchtenden, unabhängig ihrer Herkunft oder Hautfarbe.
“Jetzt können wir sehen, was alles möglich ist, wie es auch gehen würde: Grenzen werden geöffnet, Menschen auf der Flucht wird mit grosser Solidarität begegnet. Wir sehen: Wenn wir wollen, können wir die Grenze öffnen. Es ist eine politische Entscheidung. Die Verantwortlichen könnten sich heute dafür entscheiden, dass keine Menschen mehr sterben auf dem Mittelmeer,” äussert sich die No Frontex-Gruppe Luzern kritisch.
Die Demonstration startete am Schwanenplatz und nahm die Route über die Seebrücke zum Theaterplatz und von dort zum Helvetiaplatz. Dort gab es eine Abschlusskundgebung und die Demonstration löste sich gegen 20:00 Uhr auf. Es nahmen über 250 Menschen teil.
„Es war schön Menschen mit so verschiedenen Perspektiven auf Flucht und Migration zu sehen. So viele Menschen haben sich vereint dafür eingesetzt, dass es Schutz für alle statt für wenige gibt,“ meint Angela Addo vom Bündnis „Alle heisst alle“.
Für das Bündnis „Alle heisst alle“ ist klar, dass es zu diesem Thema in der Schweiz politisch und aktivistisch noch viel zu tun gibt. Im nächsten Schritt: Nein zu Frontex am 15. Mai. Der Abstimmungskampf in Luzern startet mit einer Installation am Kurplatz ab dem 28. März.
Der Krieg in der Ukraine hat begonnen. Die Schweiz muss sich jetzt vorbereiten, 10’000 Menschen aufzunehmen! Unterzeichne dazu den offenen Brief an Karin Keller-Sutter.
“Sehr geehrte Frau Bundesrätin Karin Keller Sutter,Die Lage für die Zivilbevölkerung in der ukrainischen Krisenregion spitzt sich zu: Mit einer militärischen Eskalation und kriegerischen Handlungen ist jederzeit zu rechnen. Die Schweiz und Europa müssen sich dringend darauf vorbereiten, Geflüchtete aufzunehmen und eine solidarische gesamteuropäische Lösung zu finden.
Alle Menschen, die schutzbedürftig sind, weil sie vor einem zerstörerischen Krieg fliehen, und Zuflucht suchen für sich und ihre Familien, haben ein Recht auf Schutz von Leib und Leben und müssen die Möglichkeit haben, ein Asylgesuch in einem sicheren Land zu stellen. Aufgrund der zunehmenden Abschottung Europas ist dies aber immer schwieriger, wie das Flüchtlingsdrama an der Grenze zwischen Belarus und Polen unlängst gezeigt hat. Um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wie aus anderen Krisenregionen zu schützen, braucht es sichere und legale Zugangswege nach Europa und in die Schweiz.
Die Unterzeichnenden fordern Sie als verantwortliche Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und den Bundesrat auf, in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen, den Gemeinden und der Zivilgesellschaft, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit so rasch als möglich 10’000 Schutzsuchenden aus der ukrainischen Krisenregion aufgenommen werden könnten. Unser Land muss zudem legale Zugangswege schaffen, über die schutzbedürftige Menschen sicher und unversehrt in die Schweiz gelangen.”
Ständeratskommission lehnt Wiedereinführung des Botschaftsasyls ab
Im März 2021 wurde eine Motion eingereicht, die die Wiedereinführung des Botschafsasyls fordert. Dieses würde eine Möglichkeit wiederherstellen, ein Asylgesuch zu stellen, ohne die Schweiz über die lebensgefährlichen Fluchtrouten erreichen zu müssen. Allein auf dem Mittelmeer sind dabei seit 2014 über 21’000 Menschen ums Leben gekommen. Die Staatspolitische Kommission hat am 02.02.22 die Ablehnung der Motion gefordert. Die ablehnende Argumentation spricht von einer “Sogwirkung”, wenn die Schweiz das einzige Land in Europa mit dieser Möglichkeit bliebe. Zudem gäbe es bereits genügend Möglichkeiten, in der Schweiz Schutz zu erhalten, “insbesondere über das humanitäre Visum oder durch Resettlement-Programme.” Das erste Argument reiht sich schon sprachlich in einen rassistischen Wortschatz neben “Flüchtlingswelle” ein, als wären Menschen auf der Flucht eine unberechenbare Naturgewalt. Auch wird diese Rede vom “Pull-Faktor” seit Jahren von Staaten in ganz Europa verwendet, um sich aus der Verantwortung zu ziehen, obgleich dieser Migrationsmythos bereits mehrfach widerlegt wurde. Das zweite Argument hat mit der Realität im Schweizer Asylsystem wenig zu tun, wie beispielsweise aktuell der Umgang mit geflüchteten Menschen aus Afghanistan oder die Nicht-Ausschöpfung der Resettlement-Möglichkeiten zeigen.
Standesinitiative zur Verbesserung der Bundesasylverfahren wir von der SPK angenommen
Im Frühjahr 2021 ersuchte Basel-Stadt das Bundesparlament und die Bundesbehörden, ein effektives und schnelles Asylverfahren für Menschen, die auf den griechischen Inseln festsitzen, zu gewährleisten. Dabei fordert die Initiative dies insbesondere durch eine komplette Auslastung der kantonalen und Bundesasylzentren sicherzustellen. Angesicht der anhaltend menschenunwürdigen Bedingungen in den griechischen Lagern muss der Bund dringend handeln.Dem stimmte auch die Staatspolitische Kommission zu, die die Initiative per Stichentscheid des Präsidenten Marco Romano von der EVP, letztendlich mit 4:3 Stimmen annahm. Die Kommission gründete ihre Entscheidung auf der Überzeugung, dass Städte eine grössere Rolle bei Entscheidungen zuteil werden muss, die eine Aufnahme von schutzsuchenden Menschen betreffen. Dies schon allein vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Städte und Gemeinden sich bereits solidarisch mit Menschen auf der Flucht und für eine zusätzliche Aufnahme ausgesprochen haben.
Einen neuen Anlauf im Kampf um eine andere Aufnahmepolitik des Bundes nimmt die Grüne Fraktion. Sie fordert im Nationalrat, dass Städte Menschen aufnehmen dürfen, wenn sie das möchten. Bisher wurden alle Bemühungen darum von Karin Keller-Sutter blockiert.
Die Forderung der Grünen Fraktion ist so einfach, wie ihre bisherige Ablehnung unverständlich ist: Städte, die Menschen auf der Flucht aufnehmen wollen, sollen das dürfen. Auf eigene Rechnung. Unter Berücksichtigung des UNHCR-Flüchtlingsstatus. Ohne weitere Auswirkungen auf den Asylprozess oder die Aufnahmekontingente, den die Städte und Gemeinden weiterhin erfüllen müssen.
Die Gründe, warum diese Forderung nötig ist, kennen wir nur zu gut: Die Unterbringung von Menschen auf der Flucht in (Zelt-) Lagern ist unwürdig, hat sich aber von einer Notlösung zu einem untragbaren Dauerzustand entwickelt. Gleichzeitig organisieren sich seit Jahren zahlreiche Städte in einer solidarischen Allianz, um ihre Aufnahmebereitschaft zu bekräftigen.
Das Bündnis Evakuieren Jetzt!, die Organisation Seebrücke und viele weitere Akteur*innen setzten sich seit Jahren für das gleiche Ziel ein. Auch jetzt können Privatpersonen den Appell mit einer Unterschrift stärken. Das allein wird vielleicht nicht reichen, um einen Kurswechsel zu schaffen. Nehmen wir den Appell der Willkommensstädte als Anlass, unseren Forderungen auch auf der Strasse wieder mehr Nachdruck zu verleihen.
Schweizer Städte und Gemeinden wären schon seit Jahren bereit, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Sie blitzen mit ihrem Anliegen beim Bund jedoch immer wieder ab. Die Grünen machen nun Druck für eine Gesetzesänderung.
Ein Beitrag der WOZ vom 10.02.22
Man könnte meinen, das Staatssekretariat für Migration und Justizministerin Karin Keller-Sutter hätten einen Sprung in der Platte. Gebetsmühlenartig heisst es immer dasselbe, wenn Schweizer Städte und Gemeinden dem Bund anbieten, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen: Dafür gebe es keine rechtliche Grundlage, man wolle vielmehr Hilfe vor Ort leisten.
So war es etwa, nachdem im September 2020 das Elendslager Moria auf Lesbos niedergebrannt war. So war es nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im vergangenen August.
«Bisher hat sich der Bundesrat immer hinter der aktuellen Gesetzeslage versteckt, wenn die Städte sich solidarisch zeigen wollten», sagt Grünen-Präsident Balthasar Glättli. «Das soll nicht mehr möglich sein.» Die Grünen haben schon in der vergangenen Wintersession eine parlamentarische Initiative eingereicht, die den Bund auffordert, im Asylgesetz die Voraussetzungen für die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlingskontingente auf Antrag von Gemeinden und Kantonen zu schaffen. Um ihrem Vorstoss Schub zu verleihen, lancieren die Grünen am Erscheinungstag dieser Zeitung eine Petition mit derselben Forderung. «Wir wollen jetzt die Weichen stellen. Wenn bei einer nächsten Katastrophe Tausende Menschen vertrieben werden, sollen Willkommensstädte auch tatsächlich Geflüchtete aufnehmen dürfen», sagt Glättli.
Geht es nach den Grünen, sollen Gemeinden und Kantone künftig direkt Geflüchtete aufnehmen können, wenn sie deren Unterbringung sicherstellen und die Finanzierung übernehmen. Zudem müssen diese die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Gruppe erfüllen, also etwa durch das UNHCR als Flüchtlinge anerkannt sein. Die zusätzlich aufgenommenen Menschen sollen weder an den kantonalen Verteilschlüssel angerechnet werden können noch an Flüchtlingskontingente, die der Bund etwa im Rahmen von Resettlementprogrammen beschliesst.
Dass die städtische Bevölkerung mehrheitlich hinter der Forderung steht, machen mehrere parlamentarische Vorstösse auf Gemeindeebene deutlich. So überwies das Zürcher Stadtparlament Anfang Januar ein Postulat an die Exekutive mit der Forderung, eine Rechtsgrundlage für die Aufnahme von geflüchteten Menschen ausserhalb des bestehenden Kontingents der Stadt zu schaffen. Der Vorsteher des Zürcher Sozialdepartements, Raphael Golta (SP), hatte schon im Herbst 2020 unmittelbar nach dem Brand in Moria deutlich gemacht, dass Zürich 800 Menschen aufnehmen könne (siehe WOZ Nr. 39/2020). Damals schlossen sich die acht grössten Städte der Schweiz zur Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» zusammen, mittlerweile ist diese auf sechzehn Städte angewachsen.
«Wir sind überzeugt, dass die Schweiz mehr für geflüchtete Menschen tun kann», sagt Golta auch heute noch. «Europa schottet sich immer mehr ab, und es braucht dringend mehr direkte Zugangswege. Da wollen wir uns als Städte engagieren und haben dies dem Bund auch immer wieder so kommuniziert. Doch bisher zeigte er null Interesse daran.» Aus Anlass des Postulats sei man nun daran, weitere rechtliche Abklärungen zu machen. «Aber damit wirklich etwas passiert, braucht es den politischen Willen auf Bundesebene. Dabei hilft auch der Vorstoss der Grünen», so Golta.
Kein Blatt vor den Mund nimmt auch Goltas Berner Amtskollegin Franziska Teuscher (Grünes Bündnis): «Der Bund betrachtet die Städte nicht als gleichberechtigte Partner in der Asylpolitik. Sonst wird die Gemeindeautonomie immer hochgehalten, doch hier scheint kein Dialog auf Augenhöhe möglich.» Auch sie weiss die Unterstützung des Stadtparlaments hinter sich. Als die Stadt Bern nach dem Brand von Moria dem Bund angeboten hatte, innerhalb von zwei Wochen 20 Flüchtlinge aus Lesbos zu übernehmen, hatte es eine dringliche Motion verabschiedet, dass Bern 500 Menschen aufnehmen solle – 20 seien viel zu wenig.
Zentrales Element der Petition sowie der parlamentarischen Initiative ist die alleinige Finanzierung durch die Gemeinden. Doch wie sieht das für die Stadt Bern aus, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat? «Die Frage des Geldes stellt sich nicht als Erstes», sagt Teuscher. «Die Schweiz ist immer noch eines der reichsten Länder, und trotz Finanzproblemen müssen wir solidarisch sein. Die Menschen in den griechischen Lagern leben immer noch in grösster Not. Der Winter war sehr kalt und verschlimmerte die Lebensbedingungen. Es ist eine Pflicht, dass wir sie aufnehmen.»
Teuscher gesteht der parlamentarischen Initiative durchaus Chancen zu: «Es wird ja niemand zu irgendetwas gezwungen. Aber diejenigen, die helfen wollen, sollen helfen dürfen.» Mit der Petition hoffen die Grünen, Druck auf die Staatspolitische Kommission des Nationalrats zu machen, die sich als Erste mit der Vorlage befassen wird. «Wir müssen wieder zeigen, dass wir viele sind, die dieses Anliegen unterstützen», so Teuscher. Sie verweist dabei auf den Osterappell «Evakuieren jetzt!» von 2020, der den Bundesrat dazu aufforderte, möglichst viele Geflüchtete aus der Ägäis in die Schweiz zu holen – und von 50 000 Personen unterzeichnet wurde.
Wir geben den Solidaritätsbeitrag der Gemeinde Sempach in Höhe von Fr. 1’000 an das zivile Rettungsschiff OCEAN VIKING weiter. Die Gemeinde lehnte es im Sommer 2021 ab, sich zum Sicheren Hafen zu erklären, erfüllte aber die Anfrage nach finanzieller Unterstützung der Seenotrettung mit einer Spende.
Aktuell werden alle Spenden an die Ocan Viking durch den Landkreis Lüneburg verdoppelt. Dieser erklärte sich im März 2021 solidarisch mit den Forderungen der Seebrücke an einen “Sicheren Hafen”. Daraufhin entschied der Landkreis im Juni 2021, eine Patenschaft für das zivile Rettungsschiff OCEAN VIKING der europäischen Seenotrettungsorganisation SOS Mediterranee zu übernehmen.
Die Seebrücke Lüneburg schreibt dazu: “Diese Patenschaft beinhaltet, dass der Landkreis in Zusammenarbeit mit der Seebrücke und SOS Mediterranee einen öffentlichen Spendenaufruf startet, um die OCEAN VIKING finanziell zu unterstützen. Der Landkreis sichert zu, sich an diesem Aufruf mit einer Verdoppelung der eingehenden Spenden bis insgesamt maximal 100.000 € zu beteiligen. So folgt der Landkreis dem Beispiel der Stadt München, die im Dezember 2019 eine ähnliche Patenschaft für selbiges Schiff übernommen und eine erfolgreiche Spendenkampagne durchgeführt hat.
Die EU-Staaten, die eigentlich staatlich koordinierte Seenotrettung leisten müssten, werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Seit 2014 sind mehr als 22.940 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunken. Zivile Seenotrettung ist seitdem wichtiger denn je!
Seit 2016 betreibt SOS Mediterranee zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer und setzt seit 2019 die OCEAN VIKING als Rettungsschiff ein. Seit Gründung hat die humanitäre Organisation mehr als 34.500 Menschen das Leben gerettet. Doch ein Rettungsschiff zu betreiben, ist zeit-, arbeits- und kosten-intensiv: es kostet 14.000€ die OCEAN VIKING einen Tag lang zu finanzieren. Dies entspricht allen Kosten, die für den Schiffsbetrieb anfallen, wie das Chartern, Treibstoff, Logistik, Teams an Bord und Ausrüstung.
Damit die OCEAN VIKING weiterhin Menschen aus Seenot retten kann, braucht es eure Unterstützung. Ihr Einsatz wird aus Spenden finanziert.
Spenden gehen an:
Kontoinhaber: Landkreis Lüneburg
Kreditinstitut: Sparkasse Lüneburg
IBAN: DE60 2405 0110 0000 0038 71
Verwendungszweck: OCEAN VIKING
Bitte unbedingt den Verwendungszweck angeben!
Es kann auch von ausserhalb gespendet werden, auch diese Spenden werden verdoppelt!”
Dragan Umičević hat eine Familie unterstützt, ihr Recht auf einen Asylantrag einzufordern. Dafür wurde er kriminalisiert. Die Seebrücke Schweiz unterstützt ihn bei der Deckung der Kosten. Unterstützt du auch?
Ein Beitrag von Borderline-Europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.:
“Wir solidarisieren uns mit Dragan Umičević von Are You Syrious!
Am Dienstag, den 14. Dezember 2021, wurde Dragan Umičević, ein Freiwilliger der kroatischen Nichtregierungsorganisation Are You Syrious, wegen “Beihilfe zur unerlaubten Einreise” zu einer Geldstrafe von 60.000 Kuna verurteilt, was etwa 8.000 Euro plus Gerichtsgebühren entspricht. Das ist mehr als das Zwölffache seines Monatseinkommens.
Im März 2018 hatte er die Polizei auf eine größere Gruppe von Schutzsuchenden aufmerksam gemacht, die gerade die serbisch-kroatische Grenze überquert hatten. Da die kroatische Grenzpolizei dafür bekannt ist, Menschen auf der Flucht systematisch mit roher Gewalt zurückzudrängen, begleitete Umičević die Gruppe zur Polizeiwache, um sicherzustellen, dass die Gruppe tatsächlich einen Asylantrag stellen konnte. In diesem speziellen Fall handelte es sich um die Familie von Madina Hussiny, ein sechsjähriges Mädchen, das infolge eines vorherigen Pushbacks durch die kroatische Polizei auf den Bahngleisen getötet wurde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied erst im November diesen Jahres, dass Kroatien das Recht des Mädchens auf Leben grob verletzt hatte. Weiterhin wurde festgehalten, dass die Behörden Folter angewendet hatten, der Familie Zugang zu Rechtsbeistand und internationalem Schutz verweigerten, sie an der Untersuchung des Todes des Mädchens hinderten und Aktivist*innen und Anwält*innen von Are You Syrious systematisch schikanierten.
Als die Familie erneut die Grenze überquerte, nachdem sie ihre Tochter beim vorangegangenen Pushback verloren hatte, wollte Umičević sicherstellen, dass dieses Mal wenigstens der Rest der Familie zu ihrem Recht kommt.
Daraufhin leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen “Beihilfe zur unerlaubten Einreise” gegen ihn ein und Umičević wurde 2018 zu einer Geldstrafe von 60.000 Kuna verurteilt, gegen die er Berufung einlegte. Gestern bestätigte der Oberste Gerichtshof in Zagreb nun erneut das Urteil.
Dies ist ein ungeheuerlicher, unverhohlener Akt der Rache und Einschüchterung, der darauf abzielt, diejenigen zu bestrafen und zu stoppen, die gegen die grausamen Praktiken an den Grenzen kämpfen.
Wir werden und dürfen nicht zulassen, dass Dragan diese Last allein tragen muss!
Wenn ihr Dragan dabei helfen möchtet, die Geldstrafe zu bezahlen und seinen Rechtsstreit fortzusetzen, könnt ihr an Are You Syrious, IBAN HR6824020061100765183 (SWIFT/BIC: ESBCHR22), spenden und dabei als Verwendungszweck “for Dragan” angeben.
Wir stehen zu Dragan! Wir werden uns nicht einschüchtern lassen und weiter kämpfen!”
Legal Centre Lesvos klagt gegen Pushbacks. Seebrücke Schweiz unterstützt das finanziell, weitere Spenden werden benötigt. Unterstützt du auch?
Spendenaufruf von Open Eyes Balkanbrücke:
“Das Legal Centre Lesvos (LCL) braucht Unterstützung, um seine wichtige Arbeit fortsetzen zu können. Deshalb hat OpenEyes einen Spendenaufruf für das LCL gestartet. Neben juristischer Beratung und Rechtsvertretung in Einzelfällen beteiligt sich das LCL an der Dokumentation der strukturellen Gewalt und den systemischen Rechtsverletzungen an den europäischen Grenzen.
So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erst gerade im Dezember 2021 zwei Beschwerden, die das LCL gegen zwei Pushbacks eingereicht hat, an die griechische Regierung kommuniziert. Das ist deshalb eine gute Nachricht, weil das heisst, dass der EGMR über die Beschwerden entscheiden will.
Diese Eintretenshürde zu nehmen, ist extrem anspruchsvoll, da die aller aller aller meisten Fälle vom EGMR gar nicht erst angenommen werden. Die Weiterbearbeitung dieser zwei Pushback-Fälle wird das LCL-Team in den nächsten Wochen und Monaten intensiv beschäftigten.”
Trage mit einer Spende dazu bei:
Open Eyes Balkanroute,
3011 BernPostcheckkonto: 61-499563-0
IBAN: CH02 0900 0000 6149 9563 0
Pressemitteilung des Legal Centre Lesvos vom 22.12.21
Ein Beitrag von Frontex Referendum.
Laut Medienberichten plant Frontex die Ausschaffung von ungefähr 1700 irakischen Staatsangehörigen die derzeit in Polen feststecken. Es handelt sich dabei um Personen, die erst kürzlich die militarisierte Grenzregion zwischen EU-Mitgliedstaat Polen und Belarus überquert haben. An der Grenze zwischen Belarus und Polen spitzt sich die Situation derweil weiter zu: Mehrere hundert bis tausend Personen harren zum Teil seit Wochen in der bewaldeten Grenzregion aus. Die einzige Antwort von Europa? Stacheldraht, Militär und brutale Pushbacks, anstatt rasche Aufnahme und Hilfe.
Und jene, die es über die Grenze auf EU-Territorium geschafft haben, sollen nun also kurzerhand zurückgeschafft werden. Unter dem derzeitigen Vorgehen Polens, das einzig auf völlige Abschottung setzt und die Grenze militarisiert, ist es unwahrscheinlich, dass die wartenden Menschen in so kurzer Zeit ein faires Asylverfahren erhalten haben. Und nun soll Frontex die Leute aus Polen wieder ausschaffen. Das wären Massenpushbacks, ausgeführt durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Laut EU-Kommission stehe Frontex auch für Einsätze in der Grenzregion selber bereit, aber Polen wehrt sich nach wie vor gegen EU-Unterstützung. Das Frontex die polnischen Sicherheitskräfte unterstützen will, überrascht nicht, hat Frontex-Direktor Leggeri das brutale Vorgehen der polnischen Truppen bereits vor Wochen in vollen Tönen gelobt: «Exekutivdirektor Leggeri […] zeigte sich beeindruckt von den Mitteln, die zur Sicherung der Grenze eingesetzt werden. Er dankte Polen auch für die Zusammenarbeit mit Frontex seit Beginn der Krise durch den ständigen Informationsaustausch und die Bereitstellung von Daten über die Situation am polnischen Abschnitt der Aussengrenze für die Agentur», heisst es in einer Mitteilung der Agentur.
Die brutale und gegen das Recht auf Asyl verstossende Abwehrpolitik von Polen wird aus den ersten Reihen von Frontex gelobt. Die Toten und das Leid, die diese Politik auf beiden Seiten der Grenze produziert, werden derweil mit keinem Wort bedauert. Die Situation der Menschenrechte? Die ist Leggeri keine Zeile wert.
Frontex würde mit den Massenrückführugen erneut nicht für Menschenrechte einstehen, sondern dabei helfen, die europäische Abschottungspolitik mit Gewalt durchzusetzen – mitfinanziert durch die Schweiz, die der Situation teilnahmslos zuschaut.
Wir haben bei der Frontex-Pressestelle und der Eidgenössischen Zollverwaltung nachgefragt: Was genau ist die Rolle von Frontex bei den geplanten Ausschaffungen, auf welcher Grundlage planen sie diese überhaupt? Und welche Rolle spielt dabei die Schweiz? Updates folgen auf diesem Blog.
EU must prepare for more migrants trying to enter, border agency chief says
Swissinfo/Reuters, 12.11.2021
Nikolaj Nielsen on Twitter
Twitter, 11.11.2021
Frontex Executive Director visits Poland’s border with Belarus
Pressemitteilung von Frontex, 4.10.2021
Flüchtlingskrise an polnischer Grenze: Schweiz schaut hilflos zu
Nau.ch, 12.11.2021
Medienmitteilung
Am Montagabend hat auf dem Luzerner Inseli die Finissage der Installation über das Desinteresse Zentralschweizer Gemeinden und die Festung Europa stattgefunden. Die Installation in Form eines Grenzzauns thematisierte die Abschottungspolitik von Europa und die fehlende Solidarität der Schweiz Menschen auf der Flucht gegenüber. Als Protest dagegen wurde der Grenzzaun niedergerissen.
Während zwei Wochen stand auf dem Inseli in Luzern die Installation über das Desinteresse Zentralschweizer Gemeinden und die Festung Europa. Aufgebaut wurde der Grenzzaun von Aktivist*innen der Seebrücke Schweiz, der Autonomen Schule Luzern, des Solinetzes Luzern sowie der Kampagne AbolishFrontex. Die Installation thematisierte einerseits die europäische Grenzschutzagentur Frontex, die an den Aussengrenzen Europas immer wieder illegale Pushbacks durchführt, systematisch Menschenrechte verletzt und flüchtende Personen im Mittelmeer ertrinken lässt. Andererseits zeigte die Installation auch die fehlende Solidarität im Herzen von Europa, in der Schweiz.
Tagtäglich erfahren flüchtende Menschen Gewalt – dies zeigt nur schon ein Blick auf die letzten zwei Wochen. Im gleichen Zeitraum, in dem der Grenzzaun auf dem Inseli stand, bestätigte eine Untersuchungskommission der UNO die systematische und grausame Gewalt, die flüchtende Menschen in Libyen erleben. An der polnischen Grenze zu Belarus kam eine weitere flüchtende Person ums Leben, gleichzeitig wurde dem Bau einer stärkeren Grenzmauer zugestimmt. Und Video-Recherchen belegten einmal mehr die Gewalt durch Grenzbeamt*innen, die flüchtende Menschen auf der sog. Balkanroute erfahren.
Dieser menschenverachtenden Abschottungspolitik kann nicht mehr länger zugeschaut werden. Aus diesem Grund haben die Aktivist*innen den Abbau des Grenzzaunes gleich selbst in die Hand genommen. Abolish Frontex, Grenzen auf – so ihre Forderungen. Mit Bolzenschneider, Stirntaschenlampen und Zangen machten sie sich an den Abbau.
Nicht nur mit Bolzenschneider und Zange wurde heute auf dem Inseli gegen Frontex vorgegangen, sondern auch mit Stift und Papier. Vor wenigen Tagen startete Personen rund um das Migrant Solidarity Network das Referendum gegen Frontex. Das Schweizer Parlament hat entschieden, die Europäische Grenzschutzagentur mit 61 Millionen Franken jährlich zu stärken. Mit diesem Geld soll Frontex die europäischen Aussengrenzen noch mehr abschotten, Flucht und Migration noch unsicherer machen. Geld für Frontex bedeutet: Mehr Tote im Mittelmeer, mehr Folter in Libyen, mehr illegale Pushbacks, Grenzgewalt und Leid auf der Balkanroute oder in der Ägais. «Wir sagen JA zur Bewegungsfreiheit für alle und NEIN zu Geld für die Frontex». Hier finden sich weitere Informationen zum Referendum.
Linke Abgeordnete des Europaparlaments haben einen Solidaritätsbrief an Mimmo Lucano verfasst, dem sich Abgeordnete des Schweizer Nationalrates anschliessen, um zu zeigen, dass über die europäischen Grenzen hinweg dieses Urteil gegen Menschlichkeit und humanitäre Werte nicht toleriert werden darf.
Der Originalbrief kann hier gefunden werden.
***
Lieber Mimmo,
Als Mitglieder des Schweizer Nationalrats möchten wir dir, deinen Mitstreitenden und all jenen, die an der Verwirklichung der Erfahrung von Riace, der Stadt der Gastfreundschaft, beteiligt waren, unsere Solidarität, sowie unsere volle menschliche und politische Unterstützung zusichern. Dank Ihnen ist diese kleine Stadt in Kalabrien zu einem Beispiel für Menschlichkeit und Hoffnung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Angst geworden.
Die erstinstanzliche Verurteilung ist nicht nur unverhältnismässig, sondern auch ungerecht und absurd. Dies ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie Kriminalisierung von Solidarität aussieht. Dagegen müssen wir unsere Stimmen in ganz Europa erheben und senden Ihnen deshalb unsere volle Solidarität.
Das gesprochene Urteil ist ein Angriff auf ein lebendiges Beispiel, das gezeigt hat, wie es möglich sein kann, Türen zu öffnen um Geflüchtete willkommen zu heissen und Gemeinschaften statt Mauern zu bauen, wenn Menschen vor Krieg, Armut und Elend fliehen. Riace war all dies. Es war das Gegenteil der Hassreden, auf denen die radikale Rechte in ganz Europa ihre rassistischen Narrative aufbaut. Es war das Gegenteil der unmenschlichen europäischen Migrationspolitik, die sich auf den Ausbau der Festung Europa konzentriert und Menschen um jeden Preis davon abhält, hier anzukommen. Riace war ein Beispiel, das in ganz Europa bewundert wurde, weil es die Würde und die Menschenrechte von Menschen auf der Flucht an erste Stelle setzte.
Sie müssen wissen, dass Sie nicht allein sind, weder in Riace noch in Italien. In ganz Europa und hier in der Schweiz bewundern und unterstützen wir, was Sie getan haben und werden auch weiterhin den Kampf für Gerechtigkeit und den Beweis Ihrer Unschuld unterstützen. Das einzige Interesse, das Sie verfolgt haben, ist das der Solidarität. Das ist die gemeinsame Sache, für die wir weiterhin kämpfen, die der Menschlichkeit gegen die Barbarei.
In Solidarität,
Die Mitglieder des Schweizer Nationalrats
***
Caro Mimmo,
come deputati del Consiglio nazionale svizzero, vogliamo esprimere la nostra solidarietà, il nostro pieno sostegno umano e politico a te, ai tuoi compagni e a tutti coloro che sono stati protagonisti della costruzione dell’esperienza di Riace, città dell’accoglienza. Grazie a voi questo piccolo paese calabrese è diventato un esempio di umanità e di speranza contro la xenofobia, il razzismo e la paura.
La sentenza di primo grado non è semplicemente sproporzionata, ma ingiusta e assurda. Vediamo qui esattamente cosa significa la criminalizzazione della solidarietà. E dobbiamo parlare e opporci a questo in tutta l’Europa; per questo ti mandiamo tutta la nostra solidarietà.
Ciò che è stato colpito con questa sentenza è un esempio, che ha mostrato come sia possibile aprire porte e accogliere i profughi, costruendo comunità invece di muri quando le persone fuggono dalla guerra, dalla povertà e dalla miseria. Riace era tutto questo. Era l’esatto opposto dei discorsi di odio su cui l’estrema destra in tutta Europa costruisce le sue narrazioni razziste. Era l’opposto delle disumane politiche migratorie europee, che si concentrano sulla costruzione della Fortezza Europa e impediscono a tutti i costi di entrare nell’Europa. Riace ne è stato un esempio, ammirato in tutta Europa mettendo al primo posto la dignità ei diritti umani dei migranti.
Devi sapere che non sei solo, a Riace e in Italia. In tutta Europa e qui in svizzera ammiriamo e sosteniamo ciò che avete fatto e continueremo a sostenere la battaglia per la giustizia e per dimostrare la vostra innocenza. L’unico interesse che hai seguito è quello della solidarietà. Ed è la causa comune per la quale continuiamo a lottare, quella dell’umanità, contro la barbarie.
In solidarietà
I membri del Consiglio nazionale svizzero
Samira MARTI
Matthias AEBISCHER
Brigitte CROTTAZ
Claude FRIEDE
Balthasar GLÄTTLI
Michael TÖNGI
Florian IRMINGER
Delphine KLOPFENSTEIN BROGGINI
Isabelle PASQUIER-EICHENBERGER
Stefanie PREZIOSO
Christophe CLIVAZ
Nicolas WALDER
Lisa MAZZONE
Katharina PRELICZ-HUBER
Mit dem Schuldspruch wird die Abschottung Europas noch einmal mehr verdeutlicht. Die zunehmende Kriminalisierung von Migration, einem Phänomen, dass so alt ist wie die Menschheit, nimmt derzeit überhand und lässt unschuldige Menschen brutalste Repression erfahren.
In einer Rede in Rom vom 07. Oktober betont Lucano:
In den Protokollen der Prozesse taucht eine Frage immer wieder auf “aber hat dieser Bürgermeister wirtschaftliche Interessen?” Es gibt keine wirtschaftlichen Interessen: “Nein, er hat keine wirtschaftlichen Interessen, er hat politische Interessen”, als ob die Beteiligung an der Politik ein krimineller Tatbestand wäre.
Domenico ‘Mimmo’ Lucano
Die Verteidigung hat direkt Berufung gegen das Urteil eingereicht und eine breite Welle der Solidarität erreichte die Strassen Europas. Nicht nur in Italien gingen viele Menschen auf die Strasse, um sich mit ‘Mimmo’ Lucano zu solidarisieren und für seine Unschuld zu kämpfen.
***
Hier ist eine Liste aller vergangenen und aktuellen Kundgebungen in Italien. Organisiere deine eigene Kundgebung, Protest- oder Solidarisierungsaktion in deiner Stadt!
Die Linken Abgeordneten des Europaparlaments haben zudem einen Offenen Brief verfasst, in dem sie sich solidarisch neben ‘Mimmo’ Lucano stellen und den übertriebenen Schuldspruch angreifen.
Schweizer Abgeordnete des Nationalrats haben diesen Brief der Linken aus dem Europaparlament mitunterzeichnet.
Von Zivilgesellschaftlicher Seite hat Abolish Frontex ebenfalls einen Offenen Brief veröffentlicht, den auch einzelne Gruppen oder Organisationen unterschreiben können.
Wenn du noch etwas machen möchtest, kann online diese Petition gefunden werden, die sich hinter Lucano stellt und den Schuldspruch verurteilt.
#AbolishFrontex: Wer macht mit beim Referendum gegen Frontex?
Das Schweizer Parlament hat entschieden, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex mit 61 Millionen Franken jährlich zu stärken. Mit diesem Geld soll Frontex die europäischen Aussengrenzen noch mehr abschotten und europaweit Sonderflüge für Zwangsausschaffungen beschleunigen. Das Migrant Solidarity Network sagt JA zur Bewegungsfreiheit für alle und NEIN zu Geld für die Frontex. Deshalb starten wir ein Referendum.
Frontex: Mehr Grenzgewalt, Überwachung und Abschiebungen
Frontex schottet Europa gewaltwoll ab und macht Flucht und Migration unsicherer: Mehr Tote im Mittelmeer, mehr Folter in Libyen, mehr illegale Pushbacks, Grenzgewalt und Leid auf der Balkanroute oder in der Ägais. Auch nach der gefahrenvollen Reise und nach teilweise jahrelangem Leben innerhalb von Europa ist für Viele die Gefahr nicht vorbei: es droht das Leben in gefängnisähnlichen Camps oder gar die zwangsweise oder „freiwillige“ Rückführung. Frontex spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess der Entrechtung und der Entwürdigung durch Abschiebungen.
Referendum: Grundsätzlich NEIN sagen zu Frontex
Das Migrant Solidarity Network sucht dringend 1’000 Menschen, die je 50 Unterschriften sammeln. Wer sich entscheidet 50 Unterschriften zu sammeln, kann sich hier eintragen. Auch Gruppen und Organisationen, die das Referendum gegen Frontex unterstützen wollen sind willkommen, sich zu melden. Für ein Referendum braucht es 50’000 Unterschriften von in der Schweiz stimmberechtigten Personen. Die Unterschriften müssen bis Ende 2021 gesammelt werden.
Weitere Information gibt es auf der Webseite des Migrant Solidarity Network.
Am Montagabend hat auf dem Luzerner Inseli die Vernissage der “Installation über das Desinteresse Zentralschweizer Gemeinden und die Festung Europa” stattgefunden. Die Installation in Form eines Grenzzauns thematisiert die Abschottungspolitik von Europa und die fehlende Solidarität der Schweiz Menschen auf der Flucht gegenüber. Sie wird bis zum 18. Oktober auf dem Inseli in Luzern stehen.
Rund 50 Personen haben am Montagabend auf dem Inseli in Luzern die “Installation über das Desinteresse Zentralschweizer Gemeinden und die Festung Europa” eingeweiht. Den Anfang machten Redner*innen der Seebrücke Schweiz, der Autonomen Schule Luzern und des Solinetzes Luzern: «Im Mittelmeer, in den Wäldern von Bosnien oder in Moria auf Lesbos – Europas Grenzregime verursacht unfassbares Leid. Verantwortlich für die Umsetzung der gewalttätigen Politik gegen Menschen auf der Flucht ist unter anderem die Grenzschutzagentur Frontex. An den Aussengrenzen Europas und auf den Fluchtrouten führen sie zahlreiche illegale Pushbacks durch, verletzen systematisch Menschenrechte und lassen flüchtende Personen im Mittelmeer ertrinken.»
Auch die Rolle der Schweiz wurde thematisiert. Nebstdem, dass sie Frontex personell und finanziell unterstütz – die Schweiz zahlt neu jährlich 61 Millionen Franken an Frontex – ist auch ihre fehlende Solidarität Menschen auf der Flucht gegenüber für die tödliche Abschottungspolitik mitverantwortlich. Im Sommer 2021 kontaktierte die Seebrücke Schweiz die 156 Zentralschweizer Gemeinden mit einer offiziellen Anfrage, sich solidarisch zu zeigen und sich für die direkte Aufnahme von geflüchteten Menschen auszusprechen. Viele von ihnen reagierten mit einer ablehnenden Haltung oder gar nicht – seitens der institutionellen Politik fehlt es in der Zentralschweiz am Willen, sich aktiv für flüchtende Menschen einzusetzen. Am Grenzzaun auf dem Inseli sind diese Antwortbriefe von Zentralschweizer Gemeinden befestigt.
Anschliessend wurden Erfahrungsberichte von geflüchteten Personen vorgelesen, die verdeutlichten, was in grossen weissen Buchstaben bereits inmitten des Grenzzaunes zu lesen ist: Grenzen töten – sei es auf der Balkanroute oder im Mittelmeer. Zum Abschluss der Vernissage zündeten die Teilnehmer*innen Kerzen an und gedachten in einer Schweigeminute den über 44’000 Opfern, die die Abschottungspolitik Europas bis heute bereits zu verantworten hat.
Die Installation zeigt: Beide Grenzen – die durch Frontex verteidigte Aussengrenze Europas sowie die Mauer des Desinteresses der Schweiz – sind tödlich. Sie wird bis am 18. Oktober noch auf dem Inseli in Luzern stehen.
Weitere Informationen zur Ausstellung.
Medienberichte vom 04.10.21
«Grenzen töten»: In Luzern werden Grenzregimes kritisiert
Bericht mit Bildergalerie von Zentralplus
“Grenzen töten” nimmt die Zentralschweiz in die Pflicht
Stooszyt auf Radio 3fach
mit dieser Demonstration soll gezeigt werden, dass wir vereint gegen dieses inakzeptable System ankämpfen. Die Ereignisse der letzten Monate haben uns einmal mehr gezeigt, dass sich die Zustände grundlegend ändern müssen:
Nein zu physischer, psychischer, sozialer und wirtschaftlicher Gewalt gegen geflüchtete Menschen!
Wir fordern für alle in der Schweiz anwesenden Afghaninnen und Afghanen den Flüchtlingsstatus. Darüber hinaus müssen die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan sowie Familiennachzüge schnell und unbürokratisch ermöglicht werden.
Wir fordern für neu Angekommene eine Unterbringung in Wohnungen und Zugang zu professioneller psychologischer und sozialer Unterstützung sowie eine unabhängige Rechtsvertretung. Die heutigen geschlossenen und von der Zivilgesellschaft isolierten Bundesasyllager sind keine geeigneten Unterkünfte für neu angekommene Menschen (inkl. Kinder und Jugendliche). Sie fördern und erfordern erwiesenermassen psychische und physische Gewalt hinter ihren Mauern.
Wir fordern die sofortige Abschaffung des Nothilfesystems. Alle abgewiesenen Asylsuchenden müssen ihren Fall im Hinblick auf eine Legalisierung (Härtefälle) überprüfen lassen können. Sie sollen Anspruch auf Sozialhilfe, auf angemessenen Wohnraum sowie auf eine ihren Bedürfnissen entsprechende medizinische Versorgung haben.
Wir fordern einen Stopp der Kontroll- und Abschottungspolitik. Anwesenheitspflicht, tägliche Polizeikontrollen und die Isolation von der Gesellschaft machen die Menschen in den Camps kaputt. Wir verurteilen die Kriminalisierung von Personen ohne Papiere und die Verhängung von Geld- und Haftstrafen für illegalen Aufenthalt. Kein Mensch ist illegal!
Wir fordern einen generellen Stopp von Ausschaffungen, da sie das Bedürfnis nach materieller und physischer Sicherheit geflüchteter Menschen missachten. Dazu gehören auch die besonders besorgniserregenden Ausschaffungen nach Äthiopien und Eritrea.
Wir fordern die Abschaffung von Frontex und das sofortige Ende der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der europäischen Grenzagentur.
Wir fordern die sofortige Evakuierung aller Lager rund um das Mittelmeer, insbesondere von Moria. Das lächerliche Kontingent, das die Schweiz aufzunehmen gedenkt, beschämt uns. Mehrere Gemeinden und Städte haben sich bereit erklärt, Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Wir haben Platz!
Wir fordern den Rückzug der Schweiz aus dem Dublin-Abkommen und, bis dahin, eine konsequente und humane Anwendung der Souveränitätsklausel.
Schliesslich fordern wir, was selbstverständlich sein sollte: das Recht auf ein freies und würdiges Leben für Alle.
Im April 2021 reichten Franziska Grossenbacher (Grüne) und Karin Künti (SP) die Motion “#evakuieren JETZT – nach Muri-Gümligen!” ein. In der Motion wird “der Gemeinderat aufgefordert, sich der Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» anzuschliessen, die Bereitschaft zur Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten aus der Ägäis zu erklären, und den Bundesrat gemeinsam mit der Allianz und den 132 Organisationen von #evakuierenJETZT zum Handeln zu bewegen.”
Im Juni hatte der Gemeinderat die Motion zur Ablehnung empfohlen. Die Gemeinde selbst übernehme die Verantwortung für die Betreuung und Integration der 90 ihr zugewiesenen Personen im Asylbereich. Für eine zusätzliche Aufnahme stehe kein Wohnraum zur Verfügung.
Nach einer kontroversen Debatte im Grossen Gemeinderat am 24.08.21 wurde die Motion mit 19 Nein-Stimmen, 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt und somit nicht an den Gemeinderat zur Ausführung überwiesen. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass Fragen der Asylpolitik Aufgabe des Bundes seien und “nicht im Alleingang” von Gemeinden umgesetzt werden sollten.
Die Herbstsession findet wieder seit gestern, dem 13. September, im Bundeshaus statt. Heute ist es sehr wahrscheinlich, dass die Motion 19.4034 “Humanitäre Notlage im Mittelmeer. Die Schweiz soll sich am Verteilungsmechanismus der “Koalition der Willigen” beteiligen”, zwei Jahre nach der Einreichung materiell behandelt wird. Mehrere Abgeordnete haben die Liste traktandiert.
Durch die Motion wird der Bundesrat aufgefordert Solidarität mit europäischen Grenzstaaten und den Staaten der “Koalition der Willigen” zu zeigen, indem sich die Schweiz am “Solidaritätsmechanismus zur Verteilung der im Mittelmeer geretteten Menschen beteiligt”1.
Es werden zwei Möglichkeiten dafür vorgeschlagen:
Auch wenn der Fokus in den letzen Wochen auf einer grossen Solidarität mit Afghan*innen lag, bleibt das Mittelmeer ein zentraler Ort wo europäische Abschreckung ungehindert stattfindet. Rettungsschiffe warten immer noch mehrere Tage auf die Zuweisung eines sicheren Hafens, während die Menschen an Bord so schnell wie möglich an Land und in Sicherheit müssten2. Der Bundesrat beteiligt sich darüber hinaus finanziell an Frontex Einsätzen der libyschen Küstenwache, die Schiffbrüchige in Gefangenenlager zurückführt, in denen Misshandlungen und weitere Menschenrechtsverletzungen weit verbreitet sind3.
Den Bund scheinen diese Punkte jedoch nicht zu bewegen. Er sieht keinen Handlungsbedarf in der eigenen Politik und empfiehlt die Motion abzulehnen. Die Seebrücke ist jedoch der Meinung, dass es nicht reicht allein die Mitgliedsstaaten an den EU Aussengrenzen finanziell zu unterstützen. Die Schweiz muss aktiv handeln und sich solidarisch zeigen mit Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen internationalen Schutz bedürfen und auch ein Recht darauf haben.
Der Bundesrat kann nicht länger unbemerkt eine rassistische Migrationspolitik fortsetzen, während Bürgerinnen und Bürger eine offene Willkommenskultur anstreben.
Am 21. September 2021 wurde die Motion im Nationalrat abgelehnt.
___________________________________________
1 https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20194037
2 https://twitter.com/MSF_Sea/status/1429550099655544834?s=19
3 https://www.parlament.ch/centers/eparl/sessions/2021%20III/Tagesordnung%20EJPD%20N%20D.pdf S.9
https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/fluechtlinge-libyen-lager-101.html
Am Freitagabend nahmen sich in Zürich über tausend Menschen für mehrere Stunden die Strassen. Mit vielfältigen Redebeiträgen, Parolen und Transparenten forderten sie die Abschaffung der Grenzagentur Frontex und kritisierten das rassistische schweizer Migrationsregime.
In vielfältigen und starken Reden wurde über Rassismus gesprochen, über die Gewalt im Schweizer Asylwesen und an den Grenzen sowie den Alltag von Sans-Papiers in Zürich. Zu Wort kamen dabei vor allem Menschen, die von strukturellem Rassismus wie auch von alltäglicher Diskriminierung betroffen sind. In einer Schweigeminute wurde der Menschen gedacht, die auf der Flucht nach Europa ums Leben kamen.
Die Kampagne #AbolishFrontex bringt auf den Punkt, was Berichte über die Gewalt an den europäischen Aussengrenzen Woche um Woche aufzeigen: Frontex lässt sich nicht reformieren, Frontex gehört abgeschafft. Stattdessen brauchen wir einen sofortigen Abschiebestopp, Bewegungsfreiheit für alle und die Schliessung aller Camps.
Auch in anderen europäischen Städten fanden Aktionen und Demonstrationen statt. Der nächste transnationale Aktionstag ist am 03. Oktober. Für die Schweiz ist dann eine Aktion in Luzern geplant.
Ebenfalls an diesem Wochende fanden die Enough. Aktionstage in Zürich statt. Sie ermöglichten Workshops, Inputs und Vernetzungen zu Migrationskämpfen und antirassistischem Widerstand. Dabei ging es neben zahlreichen anderen Themen um Klima und Flucht, Bewegungsfreiheit aus tunesischer Perspektive sowie Blockaden von Kriegsmaterial im Hafen von Genua. Die Seebrücke Schweiz war mit einem Infostand vor Ort.
Das zweite Solicamp4Moria fand in Wil, dem Wohnort von Justizministerin Karin Keller-Sutter, statt. Sie wurde aufgefordert, die Türen zur Schweiz für Menschen auf der Flucht zu öffnen.
Tausende Menschen leben an den europäischen Aussengrenzen in ländlichen Lagern, in denen maximal ihre Grundbedürfnisse nach sauberen Toiletten, Wasser, Nahrungsmitteln und Sicherheit gewährleistet werden. Diese Struktur möchte ein Kollektiv aus der Ostschweiz mit der Aktionsform Solicamp sichtbar machen.
Die Verantwortung seitens der Schweiz, dass Menschen in Lager wie Moria kommen und dort gelassen werden, trägt Karin Keller-Sutter. Passant*innen und Aktivist*innen schrieben am Samstag Nachrichten an die Justizministerin, die auf einer riesigen Postkarte zusammengefasst wurden. Diese wurde am Sonntagmittag am Haus von Karin Keller-Sutter in Wil überreicht.
Es wäre überraschend gewesen, hätte sie sie entgegen genommen. Auch ohne ihre Reaktion ist es wichtig und wertvoll, abseits der grossen Städte auf das Thema aufmerksam zu machen.
Weitere Informationen:
Die Städte Genf, Bern und Zürich haben sich bereit erklärt gefährdete Menschen sofort aus Afghanistan aufzunehmen. Da der Bund einen Alleingang der Städte immer noch nicht erlaubt, wollen diese jetzt Druck auf den Bund ausüben.
Mit der Gewaltoffensive der Taliban, hat sich auch die Sicherheitslage für im Land lebende Menschen stark verschlechtert. Nicht nur Ortskräfte der unterschiedlichen europäischen Projekte in Afghanistan, sondern insbesondere Frauen, Frauenrechtler*innen, Mitglieder der LGBTQIA+-Community, Demokrat*innen, Künstler*innen und viele mehr sind in akuter Lebensgefahr.
Bereits nach dem Brand von Moria vor fast einem Jahr, am 09. September 2020, haben sich die drei Städte bereit erklärt Menschen über den bundesweiten Verteilungsschlüssel hinaus aufzunehmen. Nun bekräftigen Genf, Bern und Zürich wieder ihre Bereitschaft und üben Drück auf den Bund aus. Die Städte fordern die Eidgenossenschaft auf, unverzüglich ein erleichtertes Verfahren einzuführen, das es ermöglicht, zunächst ein humanitäres Visum zu für gefährdete Afghan*innen auszustellen.
«Ich bedaure, dass sich der Bundesrat nicht mit der Angelegenheit befassen wollte. Es ist unverantwortlich, nichts zu unternehmen», reagiert Delphine Bachmann, Präsidentin der Genfer PDC (Parti Démocrate-Chrétien).
Bei einer kürzlichen Pressekonferenz teilte der Bundesrat schliesslich mit vorerst 230 Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Auf die von verschiedenen Städten, NGOs und Zivilgesellschaft geäusserte Forderung, mehr Personen aus dem inzwischen von den Taliban kontrollierten Land aufzunehmen, reagiert die Justizministerin Karin Keller-Sutter nicht. Sie teilt mit: «Dies ist zur Zeit nicht möglich».
Aus Zürich kommen andere Worte: «Im Jahr 2015 hat die Stadt Zürich innert weniger Wochen 800 Geflüchtete auf dem Stadtgebiet untergebracht. Das wäre heute sicherlich wieder möglich. Jetzt liegt es am Bund, wie viele Menschen er aufnehmen will.» so Heike Isselhorst, Kommunikationsleiterin beim Sozialdepartement der Stadt Zürich.
Angesicht der dramatischen Lage darf der Bund die Aufnahme schutzbedürftiger Menschen nicht mehr länger verhindern. Die Schweiz kann und muss ihre Türen öffnen und sich mit Afghan*innen solidarisieren, die sich in den letzten Jahren für Frauenrechte, Demokratie und eine freie Gesellschaft eingesetzt haben.
Presse:
Immer wieder erreichen uns anfragen, was man aktuell tun kann, um Menschen in Afghanistan zu helfen oder die Aufnahme in die Schweiz zu unterstützen. Hier fassen wir einige Handlungsoptionen zusammen.
Die Schweiz ist aktuell nur bereit, 230 Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Dabei wären mehrere Städte bereit, mehr Personen aufzunehmen (vgl. SRF-Bericht). Du kannst deinen Wohnort anfragen, ob er ebenfalls bereit ist, Menschen aus Afghanistan aufzunehmen und dies dem Bund mitzuteilen.
Du kannst auch direkt an Karin Keller-Sutter schreiben und sie zum Handeln auffordern oder ihr mitteilen, dass du zuhause Platz für die Aufnahme von Personen hast. Adresse: Karin Keller-Sutter, Bundesrätin, Bundeshaus West,CH-3003 Bern.
Des Weiteren gibt es eine Petition, die unterschrieben und weiter verbreitet werden kann. Darin fordert die SP vom Bundesrat: “Verleiht allen Afghan:innen in der Schweiz unverzüglich den Schutzstatus, rettet ihre Familien aus dem Kriegsgebiet, nehmt zusätzlich 10’000 gefährdete Menschen auf – insbesondere Frauen und Mädchen – und verstärkt die humanitäre Hilfe in den Nachbarsländern!” Bereits über 40’000 Menschen haben ihn unterzeichnet:
https://afghanistan-appell.ch/
Es gibt einen Aufruf zu einem lautstarken Aktionswochenende: Luftbrücke Jetzt! Veranstalte in deiner Stadt eine Aktion und mache mehr Menschen auf die Notsituation in Afghanistan aufmerksam. Der Aufruf und Aktionsmaterialien sind hier zu finden:
https://seebruecke.org/aktuelles/kampagnen/fluchtwege-aus-afghanistan.
Letzten Samstag, 07. August 2021, fanden in der Schweiz und in Deutschland verschiedene Aktionen unter dem Motto ,,Seenotrettung ist #unverhandelbar‘‘ statt. So auch in Bern gemeinsam mit Amnesty Youth Bern.
Wir alle haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, wie schlimm die Situation im Mittelmeer ist – es gibt viele tödliche Schiffbrüche und Rettungsschiffe werden weiter festgesetzt. Sichere Fluchtwege oder nur staatliche Seenotrettung sind in weiter Ferne. Allein in diesem Jahr ertranken bereits über 800 Menschen im Mittelmeer. Mehr als 14’000 Menschen wurden völkerrechtswidrig von der sogenannten libyschen Küstenwache zurück nach Libyen gebracht, wo ihnen Folter und schwerste Menschenrechtsverletzungen drohen. Die zivilen Seenotrettungsorganisationen füllen seit Jahren eine Lücke, die die EU niemals hätte entstehen lassen dürfen.
Wir schauen nicht weg! Seenotrettung ist und bleibt #unverhandelbar #LeaveNoOneBehind #LeaveNoOneToDie #NoBorders #Seenotrettung.
Am Samstag schrieben wir, die Gemeinde Schwyz bekenne sich solidarisch gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung und waren erfreut über die positiven Aussagen des Gemeinderates.
Nach einem Gespräch mit dem Gemeindepräsidenten müssen wir die Veröffentlichung zurücknehmen. Man habe mit freundlichen Worten absagen wollen. Die Gemeinde sehe von einer Teilnahme an der Kampagne ausdrücklich ab.
Wir bitten um Entschuldigung für das Missverständnis.
Weitere Informationen zur Kampagne “Zentralschweizer Gemeinden zum Sicheren Hafen”:
https://seebruecke.ch/luzerner-gemeinden-zum-sicheren-hafen/
Eine überparteiliche dringliche Motion hatte nach dem Brand des Lagers Moria im September 2020 Ostermundigen ersucht, zehn Personen aus griechischen Lagern aufzunehmen. Der Gemeinderat hat nun zugestimmt, sich bei Bund und Kanton dafür einzusetzen und diese zusätzlich aufzufordern, möglichst viele Menschen aus diesen Lagern in der Schweiz aufzunehmen.
Ostermundigen bestärkt damit die Städtebewegung, die dem Bund Druck macht, in der Aufnahme von Menschen aus den griechischen Lagern aktiv zu werden. Neben grossen Städten wie Zürich, Basel und Genf haben sich auch kleinere Gemeinden wie Burgdorf oder Spiez solidarisch mit Menschen auf der Flucht erklärt.
Die Seebrücke Schweiz hat anlässlich des Weltflüchtlingstags am 19. Juni zahlreiche Gemeinden in der Zentralschweiz und St. Gallen aufgefordert, sich ebenfalls solidarisch zu erklären. Auf dass der Druck von unten steige und es einen Wechsel zu einer gerechteren Schweizer Politik gebe.
Bildquelle: https://www.ostermundigen.ch/
Der Weltflüchtlingstag findet international am 20. Juni statt. Anlässlich dieses Tages, haben unterschiedliche kirchliche und zivilgesellschaftliche Organisationen die Aktion Beim Namen nennen ins Leben gerufen. Begleitet von zahlreichen lokalen Aktionen, werden rund um diesen Tag die Namen und Geschichten aller vorgelesen, die bei dem Versuch Europa zu erreichen das Leben verloren haben.
Innerhalb dieser Stunden wird mehr als 44.000 Menschen gedacht. 44.000 Menschen, die seit 1993 registriert wurden. Die Tragödie im Mittelmeer geht jedoch weiter und wiederholt sich jeden Tag aufs Neue. Jenseits des Mittelmeers erreichen jedoch nur abstrakte Zahlen von Verschwundenen und Verstorbenen die Öffentlichkeit.
Mit der diesjährigen Aktion soll uns wieder ins Gedächtnis gerufen werden, dass es sich auch bei einer abstrakten Zahl um Individuen handelt, die mehr mit sich bringen als einen politischen Diskurs um Sicherheit und Integration. Es sind Familien, kleine Kinder oder junge Erwachsene, die alles auf eine Karte setzen, um ein menschenwürdiges und chancengleiches Leben zu führen. Die Festung Europa verwehrt diese Möglichkeit und sorgt mit ihrer abschreckenden Asylpolitik dafür, dass Menschen keine sicheren Fluchtrouten zur Wahl haben.
Auch im nächsten Jahr werden wieder Namen und Geschichten vorgelesen. Bis dahin hoffen wir, dass die Liste nicht noch länger wird.
Begleitet wurde die Aktion Beim Namen nennen von zahlreichen lokalen, künstlerischen Darbietungen.
In Kooperation mit Alarm Phone Schweiz und dem Maxim Theater Zürich hat Seebrücke das Dokumentationstheater „Mittelmeer Monologe“ aus Berlin in die Schweiz gebracht. Im Rahmen der Aktion wurde es insgesamt vier Mal, in Zürich, Bern, Luzern und St. Gallen aufgeführt. Die «Mittelmeer Monologe» erzählen von Naomie aus Kamerun und Yassin aus Libyen, von politischem Widerstand, von einem Boot auf dem Weg nach Europa. Die Texte sind wortgetreu aus mehrstündigen Interviews entstanden und werden mit musikalischer Begleitung vorgetragen.
Es ist nicht leicht fast zwei Stunden lang vier Menschen zuzuhören, die menschliche Ängste, Wünsche und Hoffnungen beschreiben. Doch diese Theateraufführung zwingt dazu sitzen zu bleiben und sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Das Endergebnis ist ein bewegender Abend, mit toller schauspielerischer Leistung und neuen Denkanstössen für ein Recht zum sicheren Ankommen.
Zusammen mit den katholischen und reformierten Kirchen und dem Solinetz Luzern wurden während 24 Stunden die Namen aller Verstorbenen und die Umstände ihres Todes vorgelesen. Jeweils zur vollen Stunde wurde dies mit Musik oder Performance Parallel zur Lesung der Namen haben die Teilnehmenden das Vorgelesene auf weisse Stoffstreifen geschrieben und an eine Holzkonstruktion vor der Kirche aufgehängt.
Damian Meyer, liess ausserdem zusammen mit jungen Künstler*innen hölzerne Gedenkskulpturen entstehen, die sich mit Vertreibung und Flucht, aber auch mit Ankommen und Hoffnung auseinandersetzen.
In Zusammenarbeit mit Sea Eye, entstand auf dem Bundesplatz über das Wochenende der Aktion eine Installation aus Zelten und Plakaten (#NowYouSeeMeMoria), die auf die Situation der griechischen Lager aufmerksam machte und eine sofortige Evakuierung der Camps forderte. Vier kleine und grosse Zelte standen eingezäunt vor dem Bundeshaus und sendeten so ein klares Signal an den Nationalrat und Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Ungefähr 60 Personen und Freiwillige beteiligten sich dieses Jahr in Genf an der Aktion. Unter ihnen waren Vertreter*innen der Organisationen Association pour la Promotion des Droits Humains, Vivre Ensemble oder UNHCR. Auch Privatpersonen wie Jean Ziegler lasen vor. Eine künstlerische Unterbrechung gab es Freitagnachmittag mit einer Flamenco Performance. Während der zwei Tage konnten Teilnehmende die einzelnen Geschichten der Verstorbenen auf kleine Papierstreifen schreiben, die dann an eine Holzkonstruktion angeheftet wurden.
Begleitend zur Lesung der Namen und der Todesumstände konnten Passant*innen die neue Ausstellung der Seebrücke besichtigen. Der Themenweg Flucht schildert die beschwerliche Reise vom afrikanischen Kontinent nach Europa. In unterschiedlichen Etappen werden Hürden und Risiken dargestellt, die Menschen auf ihrer Flucht erleben müssen. Die Ausstellung ist hier zu finden.
Heute Nachmittag wurde in Hilterfingen dem Gemeindepräsidenten Gerhard Beindorff eine Petition übergeben, welche von der Gemeinde ein verstärktes Engagement für die Aufnahme von geflüchteten Menschen von den griechischen Inseln fordert. Die unwürdigen Bedingungen, unter denen geflüchtete Menschen in den griechischen Lagern ausharren müssen, machen ein sofortiges Handeln zwingend notwendig.
Auf den griechischen Inseln in der Ägäis ereignet sich vor unseren Augen eine stille Katastrophe. Mehrere zehntausend geflüchtete Menschen aus Kriegs- und Konfliktgebieten sind dort gestrandet. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet, es fehlt an psychologischer Unterstützung, an ausreichenden Hygienemassnahmen und Schutzmöglichkeiten. Eine Gruppe junger Menschen aus Hünibach und Hilterfingen fordern mit einer Petition, dass sich die Gemeinde Hilterfingen stärker für die geflüchteten Menschen auf den griechischen Inseln einsetzt und sich solidarisch an der sofortigen Evakuierung der Lager beteiligt. Dieser Beschluss soll zudem öffentlich kommuniziert und auch dem Bundesrat mitgeteilt werden. Zahlreiche Schweizer Städte und Gemeinden fordern bereits gemeinsam mit der Kampagne EvakuierenJETZT (evakuieren-jetzt.ch) vom Bundesrat sofortiges Handeln. Mit der Petition erhoffen sich die Initiant*innen, dass sich die Gemeinde Hilterfingen dieser offenen Haltung anschliesst.
Während drei Monaten haben sie dafür Unterschriften gesammelt: An Standaktionen, mit einer Online-Petition oder dem Verteilen von Flyer und Petitionsbögen in die Briefkästen. 502 Unterschriften sind zusammengekommen. Symbolisch zu Schiffe gefaltet wurden die Petitionsbögen heute dem Gemeindepräsidenten Gerhard Beindorff sowie dem Gemeindeschreiber Jürg Arn übergeben. Anwesend waren zudem Unterstützer*innen von Parteien und der Zivilgesellschaft.
Einige ausgewählte Zitate der Initiant*innen und Unterstützer*innen:
«Mit der Petition in Hilterfingen/Hünibach wollen wir zeigen, dass es auch in unserer Gemeinde den Willen gibt, den geflüchteten Menschen beizustehen. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben dem Bund gegenüber bereits signalisiert, dass sie dazu bereit sind – ohne jegliche Reaktion seitens Bundesrates. Deshalb sollen auch noch möglichst viele kleinere Städte und Dörfer in der ganzen Schweiz ihre Stimme erheben.»
Rahel Helfenstein, Mitinitiantin Petition
«Die Situation für die Geflüchteten auf den griechischen Inseln ist menschenunwürdig. Es bringt nichts, die Verantwortung für diese Menschen auf andere Staaten zu schieben. Wir müssen jetzt handeln und Geflüchtete von den griechischen Inseln aufnehmen, um diesen die notwendige Unterstützung zu ermöglichen.»
Rebekka Strub, Gemeinderätin Hilterfingen
«Eine menschenwürdige und sichere Unterbringung von Flüchtlingen tut Not. Gerade in Zeiten, in denen das Coronavirus sogar uns Menschen in sicheren Häusern verunsichert.»
Ueli Egger, Grossrat & Co-Präsident SP BE, Hünibach
«Geflüchtete Menschen leben in den Lagern auf den griechischen Inseln unter menschenunwürdigen Bedingungen. Diese Asylsuchenden sind dringend auch auf unsere Solidarität und Hilfe angewiesen. Ich hoffe, dass sich unsere Gemeinde an dieser humanitären Aufnahme beteiligt.»
Paul Amstutz, pensionierter Pfarrer, Hünibach
Die politische Landkarte, auf der wir das Engagement Schweizer Städte zu einer solidarischen Migrationspolitik darstellen, erweitert sich wöchentlich. Uns erreichen immer wieder neue Vorstösse von aktiven Gruppen in der ganzen Schweiz. Auch von der Kampagne «500 Menschen für die Gemeinden im Aargau» bekommen wir immer wieder Neuigkeiten. Dies stellt eine starke zivilgesellschaftliche Stimme dar, die eine humane Migrationspolitik in der Schweiz fordert.
Ein Mahnmal der europäischen und Schweizer Abschottungspolitik ist das Mittelmeer. Dort sind seit 1993 mehr als 44’000 Menschen beim Versuch, nach Europa zu flüchten, gestorben. Die meisten sind ertrunken. In St. Gallen wurden heute im Rahmen der Aktion «Beim Namen nennen» die Namen und Geschichten der Verstorbenen vorgelesen. Die Namen wurden zudem auf Stoffstreifen geschrieben und an die Aussenfassade der Kirche St. Laurenzen gehängt.
Die SEEBRÜCKE Schweiz hat die heutige Aktion in St. Gallen zum Anlass genommen, 73 Gemeinden im Kanton anzuschreiben. Dies entspricht allen politischen Gemeinden in St. Gallen, die sich noch nicht öffentlich positioniert haben. Die Gemeinden Buchs, Sevelen, Wil und die Stadt St. Gallen haben bereits ein politisches Zeichen gegen die menschenunwürdige Asylpolitik gesetzt.
Das heutige Schreiben wurde an die jeweilige Gemeindeverwaltung adressiert und fordert diese auf, sich in einem ersten Schritt solidarisch mit Menschen auf der Flucht zu erklären. Dieser öffentlichen Solidaritätsbekundung können weitere konkrete Handlungsschritte folgen, wie die Adressierung der konkreten Forderung nach einer zusätzlichen Aufnahme von geflüchteten Menschen an den Bund.
Mit dem Ziel, durch die Gemeinden den Druck von unten auf den Bund und Bundesrätin Karin Keller-Sutter zu erhöhen, hat die SEEBRÜCKE Schweiz folgenden Brief verschickt:
“Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. In der Stadt St. Gallen organisieren zahlreiche Organisationen, darunter die katholischen und reformierten Kirchen, den Aktionstag “Beim Namen nennen”. Seit 1993 sind über 40’000 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer verstorben. Die Namen und Geschichten dieser Menschen werden heute während 24 Stunden in der Kirche St. Laurenzen vorgelesen. Wir möchten diesem Gedenken politisches Handeln folgen lassen.
Jeden Tag sterben Menschen im Mittelmeer, gleichzeitig werden NGOs bei der Seenotrettung behindert und müssen teilweise wochenlang mit geflüchteten Menschen an Bord vor den Küsten Europas warten. Die Schweiz verfügt über die nötige Erfahrung und Infrastruktur, um vulnerable Personen aufzunehmen und deren Asylantrag zu prüfen. Um das weitere Sterben tausender Menschen zu verhindern, ist ein schnelles Handeln unabdingbar.
Die SEEBRÜCKE setzt sich dafür ein, dass Menschen, die fliehen mussten, einen Ort zum Ankommen finden – einen Sicheren Hafen. Das könnte Ihre Gemeinde werden. Aus unserer Sicht sollten die Städte stärker Einfluss auf migrationspolitische Fragen nehmen und sich klar positionieren. Erklären Sie sich solidarisch mit Menschen auf der Flucht? Das ist ein wertvolles politisches Zeichen, auf das konkrete solidarische Handlungen folgen können.
Wir fordern Ihre Gemeinde auf, sich zum Sicheren Hafen zu erklären.
Zu einem Sicheren Hafen gehört, dass die Gemeinde:
Öffentliche Solidaritätserklärung
1. sich mit Menschen auf der Flucht und den Zielen der SEEBRÜCKE solidarisch erklärt.Aktive Unterstützung der Seenotrettung
2. sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer positioniert und diese aktiv unterstützt sowie die Patenschaft und finanzielle Unterstützung für ein ziviles Seenotrettungsschiff übernimmt bzw. sich daran beteiligt.Aufnahme zusätzlich zur Quote
3. die schnelle und unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen und Menschen aus den griechischen Lagern zusätzlich zur Verteilungsquote von Schutzsuchenden sicherstellt. Konkret erklärt sich die Gemeinde bereit, eine selbst gewählte, verbindliche Anzahl an geflüchteten Menschen, beispielsweise von einem zivilen Seenotrettungsboot oder aus einem griechischen Lager, ähnlich eines Relocation-Programms, direkt aufzunehmen und unterzubringen. Diese Aufnahme geschieht zusätzlich zur Verteilungsquote Asylsuchender. Hierzu wird ein Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement des Innern und dem Amt für Migration hergestellt.Aufnahmeprogramme unterstützen
4. sich gegenüber dem Bund für die Einrichtung neuer bzw. die deutliche Ausweitung bestehender Programme zur legalen Aufnahme von Flüchtenden einsetzt und dazu selbst zusätzliche Aufnahmeplätze anbietet.Kommunales Ankommen gewährleisten
5. für ein langfristiges Ankommen sorgt, indem alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, zur Verfügung gestellt werden.Nationale und europäische Vernetzung
6. sich auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene aktiv für die Umsetzung der oben genannten Punkte einsetzt.Bündnis Sichere Häfen
7. sich für ein Bündnis aller Sicheren Häfen in Europa zur aktiven Gestaltung einer menschenrechtskonformen europäischen Migrationspolitik einsetzt.Transparenz
8. alle unternommenen Handlungen zeitnah und fortlaufend veröffentlicht, mit denen die Gemeindzu einem Sicheren Hafen wird.Der Weg zu einem Sicheren Hafen ist für uns ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstrecken kann. Der entscheidende erste Schritt ist die öffentliche Solidaritätsbekundung. Ihre Gemeinde setzt damit ein wichtiges politisches Zeichen. Sie macht damit auf die humanitäre Notlage aufmerksam, von der nicht länger die Augen verschlossen werden können.
Bitte traktandieren Sie diesen Antrag an der nächsten Gemeinderatssitzung und teilen Sie uns mit, ob Sie unserem Begehren zustimmen. Wir zählen auf die Solidarität unserer Exekutive und freuen uns auf den Bescheid. Natürlich stehen wir Ihnen gerne auch für ein Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Seebrücke Schweiz”
Durch den nahenden Sommer versuchen derzeit tausende People on the Move (PoM) den kriminalisierten Grenzübertritt über die Balkanroute nach Westeuropa. Die Seebrücke Schweiz will sich aktiv und konkret solidarisieren. Aktivist*innen der Seebrücke sind deshalb seit einigen Monaten in solidarischen Projektstrukturen vor Ort eingespannt. Über diese Aktivist*innen stellt die Seebrücke Schweiz den PoM 3’000 CHF zur Verfügung.
Die Festung Europa schottet sich weiterhin mit unmenschlichen Pushback-Praktiken ab. Illegal und im Auftrag der EU drängt die kroatische Polizei täglich Menschen zurück nach Bosnien. Dabei sind PoM der physischen und psychischen Polizeigewalt schutzlos ausgesetzt. Ihnen werden bei einem Pushback in den meisten Fällen alle Wertgegenstände sowie Kleider und Essen weggenommen, um die Lebensbedingungen und einen erneuten versuchten Grenzübertritt möglichst zu erschweren.
Die Seebrücke Schweiz will die Menschen aktiv in dieser seit Jahren andauernden Situation unterstützen. Das gespendete Geld steht für Smartphones, Powerbanks, Nahrungsmittel und Medikamente zur Verfügung.
Falls du auch eine materielle Unterstützung leisten möchtest, folgendes wird auf der Balkanroute dringend gebraucht:
Stehen wir gemeinsam Schulter an Schulter und bekämpfen die Festung Europa, Tag für Tag – Stein für Stein.
#leavenoonebehind #stopptdiefestung #nobordersnonations #grenzenlosesolidarität
Während die Stadt Solothurn bereits mehrfach ihre Bereitschaft zur zusätzlichen Aufnahme von geflüchteten Menschen bekräftigt hat, zeigt sich der Kanton zurückhaltend. Er sieht die Verantwortung beim Bund.
In einem dringlichen Auftrag hat Christof Schauwecker (Grüne) im Mai 2020 gefordert, dass sich der Regierungsrat des Kantons Solothurn beim Bundesrat dafür einsetzen solle, ein Kontingent an geflüchteten Menschen aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen und sie im Kanton unterzubringen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Ausbruch der Corona-Pandemie die ohnehin prekäre Lage tausender Menschen weiter verschlechtert. Aufgrund der Enge und der schlechten hygienischen Bedingungen in den Lagern waren die Menschen durch das Virus stark bedroht – und sind es noch immer. Dennoch hatte sich die Schweiz lediglich zur Aufnahme von 21 unbegleiteten Minderjährigen bereit erklärt.
Bereits im Mai 2020 befand der Kantonsrat die Behandlung dieser drohenden Katastrophe nicht für dringlich. Der Regierungsrat hatte später den Auftrag zur Ablehnung empfohlen. Der Kantonsrat lehnte ihn nun ein Jahr später “grossmehrheitlich”, wie es im Beschluss heisst, ab. Wie so oft wird an die Verantwortlichkeit des Bundes verwiesen.
Die Lage in den griechischen Lagern hat sich unterdessen keineswegs verbessert. Im vergangenen September ist das Lager Moria auf Lesbos abgebrannt. Im schnell errichteten neuen Lager direkt an der Küste verbrachten die Menschen den Winter in ungeheizten Zelten und weiterhin im Mangel an allem, was es zum Leben braucht. Die nachgewiesene Bleibelastung gefährdet die Gesundheit der dort untergebrachten Menschen, insbesondere der Kinder. Auf den anderen Inseln sieht es ähnlich aus. Im Lager Vial auf Chios wurde vergangene Woche die Leiche eines Mannes, der in diesen prekären Bedingungen gestorben war, von Mäusen zerfressen aufgefunden.
Es bleibt weiterhin dringend nötig, alle Lager zu evakuieren.
Foto: Alea Horst
Die Gemeinden Frick, Vordemwald und Uerkheim antworten positiv auf die Kampagne “500 Menschen für die Gemeinden im Aargau”. Das Netzwerk Asyl Aargau hatte Anfang des Jahres alle Gemeinden angefragt, ob sie bereit sind, Menschen aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen.
Der Gemeinderat von Frick erklärt sich bereit, 4 weitere geflüchtete Menschen aufzunehmen, “sofern der Bund dem Aufruf des Osterappells folgen und 5’000 Menschen aus griechischen Lagern evakuieren würde, wovon 500 Personen durch den Kanton Aargau zu übernehmen wären.”
Der Gemeinderat Uerkheim ist bereit “weitere Personen in der Liegenschaft “Rudolfhaus” […] unterzubringen, sofern dies in Absprache mit dem Kantonalen Sozialdienst möglich ist.”
Die Gemeinde Vordemwald antwortet: “Die Situation in den Flüchtlingscamps ist gemäss den erhältlichen Medienberichten dramatisch. Nach unserer Auffassung wäre der Kanton Aargau heute in der Lage, 500 Menschen aufzunehmen. Der Gemeinderat Vordemwald würde sich einer solchen Bereitschaft nicht verschliessen, sollten Bund und Kanton entsprechende Kapazitäten planen und über die Aufnahme von leidgeprüftem Flüchtlingen entscheiden.”
Zusammen mit Aarau, Baden, Brugg, Laufenburg, Lenzburg und Windisch haben somit bereits neun Gemeinden aus dem Aargau ihre Aufnahmebereitschaft bekräftigt. Wir fordern den Kanton sowie den Bund auf, dies ernst zu nehmen und die Möglichkeiten zur Aufnahme zu schaffen.
Ein Beitrag der antira Wochenschau vom 26.04.21
Mehrere Länder haben ihre auf europäischer Ebene zugesicherten Aufnahmeprogramme aus den prekären griechischen Lagern beendet. Insgesamt wurden weniger als 4’000 Menschen evakuiert, davon 91 in die Schweiz.
Vor einem Jahr sagten mehrere europäische Länder zu, Menschen aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Damals befanden sich 40’000 geflüchtete Menschen in den Camps und warteten auf eine Möglichkeit der Weiterreise aus den Lagern und eine Perspektive in Europa. Vergangene Woche landete in Deutschland der letzte Flieger des deutschen Aufnahmeprogramms mit 103 Menschen an Bord. Insgesamt wurden 3.782 Menschen durch europäische Staaten aus Griechenland aufgenommen, davon rund 2.750 von Deutschland. Bei fast 250 aufnahmebereiten Städten wäre deutlich mehr möglich gewesen. Innenminister Seehofer blockiert aber weiterhin vehement die Möglichkeit der kommunalen Aufnahme. So bleiben weiterhin tausende schutzsuchende Menschen in den Lagern zurück.
Traurigerweise ist Deutschland mit dieser geringen Zahl der Aufnahmen dennoch führend in Europa. Eine relativ grosszügige Zusage zur Aufnahme hatten neben Deutschland beispielsweise Portugal mit 1’500 und Frankreich mit 1’000 Menschen gemacht. Bisher haben sie jedoch lediglich 81 (Portugal) beziehungsweise 576 Menschen (Frankreich) aufgenommen. Bis März 2021 haben lediglich die Schweiz, Luxemburg und die Niederlande die von ihnen versprochenen Quoten erfüllt – insgesamt haben die drei Staaten aber gerade mal 140 Menschen aufgenommen.
Im „Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2020“ heisst es, dass insgesamt 71 unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) mit familiärem Bezug zur Schweiz gemäss den Dublin-Bestimmungen aufgenommen wurden, sowie nach dem Brand in Moria im September 2020 nochmals 20 UMAs. Eine traurige Bilanz für eines der reichsten Länder der Welt.
Dass es aber am politischen Willen und nicht an fehlenden finanziellen Mitteln gelegen hat, zeigen die Aufwendungen für die Abschottung. Geld war dann nämlich doch da, und zwar für 1’500 Einsatztage an Frontex-Operationen, mehrheitlich an der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei und für die Entsendung eines Experten ins sogenannte „Grundrechtsbüro“ von Frontex von Februar bis Juni 2021. Die schwerwiegenden Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen durch Frontex-Beamt*innen finden im Bericht Erwähnung, werden vom Bundesrat aber als ausreichend bearbeitet angesehen, da es ja einen internen Untersuchungsausschuss gebe. Von diesem ist nichts zu erwarten. Sieht man sich die Abschottungsziele der Schweiz an, macht Frontex seine Arbeit aus Sicht der Schweizer Behörden ohnehin sehr gut. Sie halten Menschen von europäischem Boden und damit auch aus der Schweiz fern.
Heute Montag, 29. März, hält das Bündnis “Evakuieren Jetzt!” zusammen mit mehr als 15 Städten eine Pressekonferenz in Bern ab, an der sie den Bundesrat auffordern, mehr Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen. Zeitgleich haben wir gemeinsam mit Amnesty International den Bundesplatz mit 700 leeren Stühlen gefüllt. Damit signalisieren Städte, Kirchen und Zivilgesellschaft:
Wir haben Platz!
Städte, Gemeinden und die Zivilgesellschaft machen klar: Wir haben Platz! Die Lebensbedingungen im neuen Lager Moria sind menschenunwürdig (eisige Temperaturen, nicht vorhandene Heizung, wenige Duschen, Überschwemmungen, Zelte ohne Boden, Umzäunung, fehlende medizinische Versorgung, fehlender Schulunterricht für Kinder usw.). Fast täglich gibt es Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Grenzschutz. Die Schweizer Regierung stellt sich weiterhin taub und weigert sich, weitere Menschen in Not aufzunehmen. Für uns ist klar: Moria muss dringend evakuiert werden!
Die Schweiz muss mehr machen
Bislang hat sich die Schweizer Regierung lediglich zur Aufnahme von 97 unbegleiteten Minderjährigen bereit erklärt. Obwohl sich immer noch mehr als 7000 Menschen im Lager befinden, beschränkt sich die Schweiz auf ein Minimum. Zur Erinnerung: Während des Kosovo-Krieges nahm die Schweiz in einem Jahr 53’000 Geflüchtete auf, während der Ungarn-Krise in den 50er Jahren 13’000… Diese Zahlen sind weit entfernt von den 97 derzeit aufgenommenen Menschen.
Druck aus der Zivilgesellschaft
Angesichts dieser Untätigkeit organisiert sich die Zivilgesellschaft und verlangt mehr Unterstützung! Zusätzlich zu den 50’000 Menschen und 145 Organisationen, die den Aufruf “Evakuieren Jetzt!” unterstützten, haben sich auch 25 Städte und Gemeinden bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Kirchen und Gemeinden stellen ihre eigenen Einrichtungen für die Aufnahme zur Verfügung. Solche Hilfsangebote landen jede Woche auf dem Schreibtisch von Frau Karin Keller-Sutter, die sie alle ignoriert.
Die Schweiz muss jetzt sofort handeln!
Nach 5 Jahren haben es Griechenland und die europäische Gemeinschaft immer noch nicht geschafft, menschenwürdige Bedingungen in den Lagern auf den griechischen Inseln zu schaffen. Die Schweiz als Mitglied des Schengen-Raums ist durch ihre Teilnahme am Dublin-System für diese menschenunwürdigen Bedingungen mitverantwortlich. Angesichts der Dringlichkeit der Situation, die sich durch die Coronavirus-Krise weiter verschärft, müssen die Schweizer Regierung und die Bundesverwaltung dringend ihren Verpflichtungen nachkommen und sofort ein grosses Kontingent von Geflüchteten aus den Lagern auf Lesbos aufnehmen.
© Jojo Schulmeister
Luzern gehört zu den aufnahmebereiten Städten in der Schweiz. Nach den Bränden von Moria im September 2020 bekräftigte Stadtrat Martin Merki nochmals die Bereitschaft der Stadt Luzern, Geflüchtete aus Lesbos aufzunehmen. Diese Aufnahmebereitschaft haben wir in Luzern mit der Aufstellung von freien Stühlen symbolisiert.
Am 7. Januar 2020 haben die Organisation Solidaritätsnetz und weitere Organisationen die Petition “Sterben auf dem Mittelmeer stoppen!” eingereicht. Die Petition verlangt umgehend, dass sich die Schweiz am Aufbau eines europäisch organisierten und finanzierten zivilen Seenotrettungssystems beteiligt; dass die Menschen, die aus Seenot gerettet werden, nach rechtsstaatlichen und humanitären Grundsätzen auf die Länder verteilt werden; und dass in der Schweiz die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, damit rasch und dezentral Bootsgeflüchtete aufgenommen werden können.
Die Petition wurde im Ständerat mit 25 zu 14 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt. Während der Ständerat nicht bereit ist, wenigstens ein Minimum gegen das Sterben auf dem Mittelmeer zu tun, findet Ablehnungsbefürworter Thomas Hefti: “Es stört mich, wenn diese Diskussion da und dort so geführt wird, dass wir als die Bösen und Schlechten dastehen.” Aber ist es nicht so, dass die Regierenden diese Situation mit ihrer Abschottungspolitik verursachen?
Mehr Raum möchten wir deshalb dem Votum von Daniel Jositsch für die Annahme der Petition geben:
«Die vorliegende Petition beschäftigt sich mit einer Situation, die nach meiner Einschätzung objektiv betrachtet ein Unrecht darstellt, und zwar unabhängig davon, wie man zur Migrations- und Flüchtlingspolitik steht. Sie stellt einen Missstand dar, der dringend behoben werden muss. Warum?
Die Flüchtlingspolitik, und zwar gesamteuropäisch betrachtet, aber auch in Bezug auf die Schweiz, basiert darauf, dass Sie als Flüchtling, selbst wenn Sie gesetzlich einen Anspruch haben, als solcher anerkannt zu werden und Asyl in der Schweiz zu erhalten, keine Möglichkeit haben, diesen Anspruch in Ihrem Ursprungsland in irgendeiner Art und Weise geltend zu machen. Sie sind dazu gezwungen, auf illegalen Wegen, zum Beispiel mit Schleppern über das Mittelmeer unter Eingehung von Lebensgefahr, sich bis in unser Land zu kämpfen, um hier einen Antrag stellen zu können.
Es mag sein, dass die Schlepper böse, geldgierige Kriminelle sind, aber – und da muss ich dem Kommissionsberichterstatter teilweise widersprechen – sie sind auch die Einzigen, die eine Möglichkeit zur Verfügung stellen, über das Mittelmeer zu kommen. Insofern muss ich Ihnen sagen: Dass es Schlepper gibt, ist der gesamteuropäischen Migrationspolitik geschuldet. Anders kommen Sie nicht über das Mittelmeer.
Diese Situation führte dazu, dass seit 2014 auf der Flucht über das Mittelmeer 21 000 Menschen zu Tode gekommen sind. Das sind zehn Menschen pro Tag! Sie alle erinnern sich vielleicht an dieses Bild von diesem Kind, welches am Mittelmeerstrand gefunden worden ist. (Der Redner zeigt ein Foto) Dieses Bild hat uns alle schockiert, und wir haben alle gefragt, um Gottes Willen, was ist mit diesem armen Kind passiert? – Genau das passiert zehnmal pro Tag! Das passiert mit Kindern, mit Müttern, mit Männern und Frauen, die zum Teil auf der Flucht sind, ohne dass sie irgendetwas dafür können!
Wenn Sie nun sagen – wie es der Kommissionsberichterstatter gesagt hat -, wir schieben den Ball den dortigen Administrationen und Regierungen zu, hilft das diesen Menschen nicht. Wenn Sie in einer solchen Lage sind, wenn Sie in Syrien oder in einem anderen Land sind, in dem Sie nicht mehr leben können und darum auf der Flucht sind, hilft es Ihnen nichts, wenn wir hier sagen, ja, deine Regierung hat eben versagt. Ich möchte Sie zudem darauf hinweisen, dass auch schon Schweizerinnen und Schweizer – wenngleich es schon einige Zeit her ist – darauf angewiesen waren, in anderen Ländern Asyl zu beantragen und als Flüchtlinge anerkannt zu werden.
Ich möchte Sie einfach darauf hinweisen, dass Schweizerinnen und Schweizer – wenn es auch schon einige Zeit her ist – auch schon darauf angewiesen waren, in anderen Ländern Asyl zu erhalten und als Flüchtlinge anerkannt zu werden.
Was will die Petition? Die Petition will nicht mehr und nicht weniger als eine europäisch organisierte Seenotrettungsorganisation. Sie möchte eine geordnete Verteilung der Menschen, die aus der Seenot gerettet werden, und sie möchte eine rasche und dezentrale Aufnahme von Bootsflüchtlingen in der Schweiz.
Der Bundesrat sieht diese Notwendigkeit, er sieht auch, dass die heutige Migrationspolitik, wie sie gesamteuropäisch stattfindet, nicht in Ordnung ist. Aber erstens verweist man – der Kommissionsberichterstatter hat es auch gesagt – auf das Resettlement-Programm; das ist tatsächlich die einzige Version, wie sie quasi vom Ursprungsland her in einem geordneten Verfahren in unser Land kommen. Aber Sie müssen einfach sehen, da sprechen wir von gut tausend Menschen pro Jahr. Ich verniedliche das Problem nicht, aber es betrifft Hunderttausende und nicht tausende.
Der zweite Hinweis des Bundesrates ist: Ja, wir sind halt nicht allein in Europa! Da muss ich Ihnen sagen: Doch, wir sind allein in Europa, weil wir entschieden haben, allein zu sein in Europa! Insofern finde ich es etwas zynisch, wenn wir sagen: Wir sind souverän! Wir pochen auf unsere Souveränität in allen Bereichen. Aber dann, wenn es darum geht, Menschen zu helfen, sagen wir einfach: “Ja, da können wir leider nicht alleine; wir sind ein unabhängiges Land, und deshalb müssen wir unabhängig entscheiden.” Es geht hier um Menschen in Not. Da scheint es mir etwas zynisch zu sein, einfach zu sagen: “Ja, wenn die anderen nichts tun, tun wir auch nichts.”
Von dem her bin ich der Ansicht, dass wir hier neue Wege gehen müssen. Wir müssen hier auch einmal Verantwortung übernehmen, und zwar Verantwortung für diese Situation. Es geht jetzt nicht darum, dass ich Sie dazu aufrufe, unsere Migrationspolitik zu ändern. Nein, Sie können nach wie vor darüber entscheiden, wer in unser Land kommt und wer nicht, wie das heute auch gemacht wird. Der einzige Unterschied ist, dass ich erwarte, dass die Menschen einen Zugang zu einem ordentlichen Rechtsverfahren haben, ohne dass sie sich, von einem Schlepper organisiert, mit einer Nussschale und unter Gefährdung des Lebens ihrer ganzen Familie über das Mittelmeer kämpfen müssen.
Ich möchte einfach, dass sie sich in einem geordneten System, in einem geordneten Verfahren als Flüchtlinge anmelden können. Erst danach ist zu entscheiden, ob jemand einen Anspruch darauf hat, in die Schweiz zu kommen. Wenn ja, dann soll dieser Weg geebnet werden – nicht mehr und nicht weniger! Unter humanitären Gesichtspunkten scheint mir dies das Mindeste zu sein, was man machen kann.
Damit wir Bilder wie dieses (Der Redner zeigt nochmals das Foto) nicht mehr anschauen müssen und solche Situationen verhindern können, ersuche ich Sie dringend darum, die Petition an die Kommission zurückzuverweisen mit dem Auftrag, einen Kommissionsvorstoss auszuarbeiten.»
Bild: Petitionsübergabe in Bern im Januar 2020, https://beobachtungsstelle.ch/news/sterben-auf-dem-mittelmeer-stoppen-petitionsuebergabe/
Der Kantonsrat Genf hat einen Vorstoss von 17 Politiker*innen angenommen, der die Aufnahme von 20 Familien aus dem provisorischen Lager Kara Tepe auf Lesbos verspricht. Kara Tepe wurde nach dem Brand im ursprünglichen Lager Moria Anfang September errichtet und beherbergt immer noch 10.000 Menschen in menschenunwürdigen Bedingungen.
Die Motion mit dem Titel “Antrag zur humanitären Aufnahme von geflüchteten Familien, die im Lager Kara Tepe auf der Insel Lesbos leben” forderte anfangs eine Aufnahme von bis zu zehn Familien. Nachdem die Motion jedoch für dringlich erklärt wurde, gab es auch eine Abänderung im Text. Schlussendlich wurde dem neuen Text und einer Aufnahme von 20 Familien mit 52 zu 43 Stimmen zugestimmt.
Obwohl sich viele Städte und Gemeinden in der Schweiz solidarisch mit den Geflüchteten in Moria gezeigt haben, sind dem bisher noch nicht viele Taten gefolgt. Der Bund hält sich bedeckt und ausser der Aufnahme von wenigen Kindern und Jugendlichen, die grösstenteils bereits familiäre Beziehungen in die Schweiz hatten, haben wir noch keine aktive, geschweige denn humanitäre, Handlung gesehen.
Die Schweiz hat noch nie so wenige Geflüchtete aufgenommen wie in diesen Monaten. Angesichts der derzeitigen Pandemie ist dies erschreckend. Die Pandemie sollte kein Grund dafür sein, dass wir versuchen zu leugnen was auf Lesbos und an den europäischen Aussengrenzen passiert!
Genf hat mit diesem Vorstoss einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist weiter Druck auf den Bund aufzubauen. Die Schweizer Städte und Gemeinden müssen das Gleiche tun, denn nur so kann gewährleistet werden, dass das grundlegende Recht auf Asyl nicht vollständig entmenschlicht wird und die Schweiz ihre restriktive Migrationspolitik beendet.
Leider hat der Grosse Rat des Kantons Bern heute beschlossen, die Motion ,,Evakuieren jetzt! Geflüchtete aus Griechenland brauchen unseren Schutz’’ abzulehnen.
Viele Städte in der Schweiz zeigen sich schon lange solidarisch und sind bereit, Menschen aufzunehmen. Diese Bereitschaft wird mit solchen Beschlüssen untergraben!
Wir können in keiner Weise nachvollziehen, warum Menschen, welche geflüchtet und nun in Griechenland im Elend gestrandet sind, zurückgelassen und bewusst vergessen werden. Warum die Augen verschlossen werden ist uns ein Rätsel….
Seit August 2020 dokumentieren Menschen aus Moria sowie ein Fotograf aus den Niederlanden die Zustände in Moria. Mit ihren Bildern aus dem Lager machen sie auf die katastrophale Situation aufmerksam. Im Februar wurde eine Kampagne gestartet, bei der Plakate mit ihren Fotos designt wurden.
Wir wollen ebenfalls ein Zeichen setzen! An verschiedenen Orten in der Stadt Bern hängen seit heute Poster mit den Bildern. Hast du die Möglichkeit, ein Poster aufzuhängen? Lass es uns wissen! Hast du irgendwo ein Poster gesehen? Schick uns ein Foto oder poste es in deiner Story!
Die Aufnahmebreitschaft der Städte darf nicht untergraben werden – wir haben Platz und Menschen brauchen Schutz!
Noch immer leben etwa 7’000 Menschen im neuen Camp auf Lesbos. In nicht-winterfesten und ungeheizten Zelten, direkt am Meer, dem Wetter ausgesetzt. Die Bedingungen haben sich gegenüber dem im September abgebrannten Camp Moria weiter verschlechtert. Die Situation ist für die dort untergebrachten Menschen eine unzumutbare körperliche und psychische Belastung.
Mit der Kampagne «500 Menschen für die Gemeinden im Aargau» setzt sich der Verein Netzwerk Asyl Aargau dafür ein, dass Gemeinden und Städte ihr Aufnahmekontingent für Menschen freiwillig erhöhen. Sie können so im und mit dem Kanton die notwendigen Kapazitäten dazu schaffen, dass die Regierung beim Bund den «freien Platz» für die Aufnahme von Menschen aus den prekären Lagern anmeldet. Zahlreiche Gemeinden haben bereits positive Rückmeldungen gegeben.
Aarau, Baden, Brugg, Laufenburg, Lenzburg und Windisch äusserten gegenüber dem Bund ihre Bereitschaft, Menschen aus Moria aus humanitären Gründen in ihren Gemeinden willkommen zu heissen. Sie sind bereit, mit Bund und Kanton ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen für eine zukünftige kommunale Aufnahme anzugehen.
Trotz der grossen Zahl an positiven Rückmeldungen auf die Anfrage des Vereins Netzwerk Asyl Aargau stehen manche Gemeinden der Kampagne noch mit Vorbehalt gegenüber. Zu ihnen gehören unter anderem Wohlen, Ennetbaden und Wettingen. Zwar erkennen auch sie die Notsituation der Menschen in den griechischen Lagern an, lehnen die Anfrage jedoch aus einer Reihe unterschiedlicher administrativer Bedenken ab.
Zuständigkeit von Bund und Kanton
Ein Grund für den Vorbehalt sind die deutlich getrennten Zuständigkeitskompetenzen von Bund und Gemeinden. Um diese Befugnisse nicht zu überschreiten, wollen die Gemeinden davon absehen, kommunalen Druck auf den Bund auszuüben. Trotzdem wird teilweise ausdrücklich ergänzt, dass man aufnahmebereit wäre und auch Unterbringungskapazitäten hätte, diese aber erst zur Verfügung stelle, wenn eine entsprechende Forderung des Kantons vorliegen würde.
Finanzielle Belastung
Hinzu kommt, dass für viele Gemeinden immer noch unklar bleibt, wie hoch die Kosten für die Betreuung weiterer Personen sind. Hier werden sehr unterschiedliche Beträge angegeben, die aufzubringen wären. Auch auf den Verfahrensweg wird verwiesen: Gemeinden könnten keine Aufnahme zusagen, ohne dass das Budget dafür an anderer Stelle offiziell genehmigt würde.
Erfüllung der Aufgaben
Viele Gemeinden geben an, bereits deutlich mehr geflüchtete Menschen zu betreuen, als sie nach kantonalem Schlüssel müssten. Auch dieser Aspekt zeigt, dass sie bereit sind, Verantwortung im Schweizer Asylsystem zu übernehmen, dies aber auch von den anderen Gemeinden erwarten.
Unterbringungsmöglichkeiten
Teilweise werden fehlende Unterbringungsmöglichkeiten als Ablehnungsgrund genannt. Dieser Aspekt ist in vielen Gemeinden oftmals nur eine Momentaufnahme. Gerade der veränderte Platzbedarf in der Coronapandemie hat gezeigt, dass es vielerorts kurzfristig möglich ist, weitere Liegenschaften zur Unterbringung bereit zu stellen.
Ob diese Gründe vorgeschoben oder tatsächlich ausschlaggebend für die Entscheidung waren, würden wir von der SEEBRÜCKE Schweiz gern erfahren und fordern deshalb den Bund auf, den Weg für die kommunale Aufnahme von Menschen auf der Flucht nicht länger zu blockieren.
Die Kampagne ist noch nicht beendet. In zwölf Gemeinden steht eine Antwort auf die Anfrage des Netzwerks Asyl Aargau noch aus. Um den Druck von unten zusammen mit den solidarischen Gemeinden weiter aufzubauen, ist jede Unterstützung der Kampagne gern gesehen. Ob durch Medien, Aktionen oder Briefe, seid kreativ!
Alle Anträge der Kampagne “500 Menschen für die Gemeinden im Aargau”.
Der Stadtrat von Kriens reagiert positiv auf die Anfrage einer Krienserin. Diese machte in einem Schreiben auf die Situation in den Lagern an den europäischen Aussengrenzen und die Bereitschaft vieler Schweizer Städte zur Direktaufnahme aufmerksam.
“Das Dossier ist Bundesangelegenheit, dennoch braucht es mutige Städte, welche Druck ausüben und dem Bund signalisieren, dass eine humane Flüchtlingspolitik machbar ist. Ich als Bewohnerin der Stadt Kriens würde mich sehr freuen, wenn auch Kriens ein sicherer Hafen wird und dieses Anliegen mitunterstützt.”
Der Stadtrat unterstützt den Appell an den Bund, die Direktaufname aus Moria zuzulassen und fordert den Bund auf, für die Umsetzung in den Dialog mit den Gemeinden und Städten zu treten. Im Antwortschreiben der Stadt heisst es: «Wir hoffen, mit diesem Entscheid ein Zeichen der humanitären Art zur Verbesserung der Situation von Flüchtlingen aus Lesbos zu setzen.»
Möchtest du auch deine Stadt zum Sicheren Hafen machen? Melde dich bei uns unter schweiz@seebruecke.org.
Hier findest du das in Kriens erfolgreiche Anschreiben, das wir gern auch in den übrigen Gemeinden des Kantons einreichen möchten, sowie alle Details zum Vorstoss.
Bildquelle: https://www.stadt-kriens.ch/stadtbuero/dienstleistungen/medienanfragen.page/1669
Die Städte Laufenburg und Lenzburg im Aargau haben sich bereit erklärt, drei beziehungsweise acht Menschen aus dem griechischen Lager Moria aufzunehmen. Zuvor hatten sich im Kanton bereits Aarau, Baden, Brugg und Windisch solidarisch erklärt.
In Laufenburg akzeptierte der Stadtrat den Vorstoss der IG Asyl Laufenburg und anerkannte die verheerenden Zustände in den europäischen Lagern. Er erklärte sich bereit, geflüchtete Menschen aufzunehmen und diese mit Unterstützung der IG Asyl Laufenburg zu betreuen und einzugliedern.
In Lenzburg nahm der Stadtrat den Vorstoss nach Abstimmung über die Dringlichkeit direkt an. Stadtrat Andreas Schmid unterstützte das Anliegen ausdrücklich: “Der Stadtrat hat sich mit diesem Postulat bereits auseinandergesetzt. Wir sind der Meinung, dass es hier um Menschen in Not geht. Es geht nicht darum, Asylpolitik zu betreiben. Wenn die Stadt Lenzburg etwas dazu beitragen kann, diesen Menschen, welche Hab und Gut verloren haben zu helfen, wird die Stadt Lenzburg dies tun. Aus diesem Grund erklärt sich der Stadtrat dazu bereit, dieses Postulat ohne Abstimmung entgegen zu nehmen.”
Die erfolgreichen politischen Vorstösse im Kanton Aargau gehören zur Kampagne “500 Menschen für den Aargau” des Vereins Netzwerk Asyl Aargau.
Alle Details zu den Vorstössen in Laufenburg und Lenzburg.
Bildquelle: https://www.laufenburg.ch/fotoalbum/
Die Gemeinde Windisch (AG) hat sich bereit erklärt, sechs geflüchtete Menschen von der griechischen Insel Lesbos aufzunehmen. Da grundsätzlich der Bund über die Aufnahme entscheide, hat die Stadt eine Gesetzesänderung auf Bundesebene gefordert.
Dieser Entscheid fiel bereits im Oktober 2020. Wir freuen uns, Windisch auf der Liste der solidarischen Städte in der Schweiz ergänzen zu können.
Bildquelle: https://www.windisch.ch/windisch-im-portraet/portraet/unser-dorf.html/26
Mit einer klaren Mehrheit von 34 zu 14 Stimmen nimmt der Stadtrat von Brugg das Postulat betreffend Aufnahme von Geflüchteten aus dem Lager Moria an.
Björn Urs Bürkler (Grüne) und Pascal Ammann (SP) hatten darin gefordert, dass die Stadt Brugg neun geflüchtete Menschen von der griechischen Insel Lesbos aufnehmen soll. Weiterhin solle sie den Kanton und den Bund dazu auffordern, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um die Aufnahme zu ermöglichen und sich mit anderen aufnahmebereiten Städten innerhalb und ausserhalb des Kantons koordinieren.
Erfreulich ist die Fürsprache für dieses Anliegen nicht nur von der SP und den Grünen, sondern auch von EVP, CVP und GLP. Wenn sich diese Parteien auch über die Gemeinde Brugg hinaus für eine menschenwürdige und aufnahmebereite Asylpolitik einsetzen, können die Forderungen nach einer Evakuierung der griechischen Lager vielerorts Mehrheiten finden.
Der Vorstoss ist Teil der Kampagne «500 Menschen für den Aargau», die vom Verein Netzwerk Asyl Aargau koordiniert wird. Sie fordert die Gemeinden des Aargaus zur Aufnahme von einer geflüchteten Person pro 1356 Einwohnern auf. Zahlreiche Gemeinden haben bereits positive Rückmeldungen gegeben.
Bildquelle: https://www.stadt-brugg.ch/
Im Dezember haben sich zahlreiche Aktivist*innen an Bundesrätin Karin Keller-Sutter gewendet und die Evakuierung der griechischen Lager gefordert. Die Antwort kam als Standardbrief.
Der Brief von Bundesrätin Karin Keller-Sutter dokumentiert, was die Schweiz bis jetzt gemacht hat. Sie unterstützt Strukturen in Griechenland, die kein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Auch einigen wenigen Kindern und Jugendlichen hat sie die Einreise in die Schweiz ermöglicht, die meisten davon hätten aber aufgrund des geltenden Rechts auf Familiennachzug sowieso kommen können. Dass sich nun aber die Schweiz mit diesen Menschen zu profilieren versucht, ist zynisch, denn gleichzeitig leben noch immer tausende von Menschen ohne Schutz in unmenschlich prekären Verhältnissen.
Wir fordern von der reichen und privilegierten Schweiz ein Handeln, das den Menschen auf Lesbos und an anderen Orten eine neue echte Perspektive eröffnet. Es ist an der Zeit, die schweizerische Tradition der humanitären Hilfeleistung nicht mehr nur zu glorifizieren, sondern sie in konkrete Taten umzusetzen.
Antwortschreiben von Karin Keller-Sutter vom 22.01.2021
Am 30.01.21 beteiligte sich die Seebrücke Schweiz am Aktionstag #KeinPushbackistlegal – Aufnahme statt Abschottung.
Im Sommer brannte Moria, jetzt Lipa. Am 23.12.2020 ist das Camp Lipa im Nordwesten Bosniens fast vollständig abgebrannt. Mit einem Schlag verloren über 1000 Menschen ihr Dach über desm Kopf und sind somit schutzlos Schnee und Kälte ausgeliefert.
Bereits vor dem Brand war die Lage für geflüchtete Menschen in Bosnien katastrophal: Tausende mussten in Wäldern und Ruinen ausharren.
An der kroatischen Außengrenze zu Bosnien wird Schutzsuchenden mit allen Mitteln der Zugang zur EU verwehrt. Die Grenzpolizei führt Pushbacks durch, bei denen systematisch Gewalt eingesetzt wird. Die deutsche Bundesregierung unterstützt dieses Vorgehen – erst im Dezember wurden dem kroatischen Grenzschutz 20 Fahrzeuge im Wert von 800.000 Euro geschenkt.
Vucjak, Moria, Lipa- die Namen der Camps wechseln, doch was sie zeigen, bleibt gleich: Die EU setzt auf Abschottung um jeden Preis!
Das nehmen wir nicht länger hin! Wir wollen Aufnahme statt Abschottung! Wir fordern:
Die Schweiz und die EU müssen endlich Verantwortung übernehmen. Der notdürftige Wiederaufbau von Zelten in Lipa stellt keine Lösung für die Menschen dar. Camps sind keine Lösung. Sie sind Teil des Problems!
Wir bleiben laut, bis die Aussengrenzen der EU kein rechtsfreier Raum mehr sind! Denn #KeinPushbackIstLegal!
Der Stadt Luzern sieht noch immer nicht vom angekündigten Abriss des alternativen Wohnraums Eichwäldli ab. Die heutige Demo richtet sich gegen den unsinnigen Abriss, für selbstbestimmte Projekte, Quartiere und Städte sowie ein Leben in Freundschaft und Solidarität. Die Seebrücke Luzern beteiligt sich mit einem Redebeitrag zum heute ebenfalls stattfindenen Aktionstag #KeinPushbackistlegal.
Vielleicht scheint der Vergleich zwischen einer abgeschotteten Aussengrenze Europas und der drohenden Räumung eines Luzerner Wohnraums weit hergeholt. Aber im Grunde verhindern Departements und Regierungen eines gemeinsam: und zwar das gute Leben für alle!
Sie wollen weder Menschen, welche von woanders hier herkommen, noch wollen sie Menschen, die ein anderes Leben führen als das, welches ihre bürgerliche Norm verlangt.
Die verheerenden Bränden von Moria auf der griechischen Insel Lesbos, dem Lager Lipa in Bosnien, und dem Lager Vathy auf der griechischen Insel Samos sind zum Sinnbild der europäischen Solidaritätskrise geworden. Diese Krise hat sich schon lange zu einer humanitären Katastrophe entwickelt.
Für heute hat die Balkanbrücke zu einem internationalen Aktionstag aufgerufen. Auf dem Balkan und in den Lagern an den Aussengrenzen Europas sind Menschen dem Kampf ums Überleben ausgesetzt. Sie frieren, hungern, sind körperlich und seelisch verletzt. Lasst uns heute auch an sie denken. Lasst uns gemeinsam Menschen willkommen heissen und für ihr Ankommen und Bleiberecht kämpfen.
Wir kennen das Eichwäldli als Ort, an welchem Menschen ankommen dürfen. Als Ort, an dem sich antirassistische und antifaschistische Menschen vernetzen können. Das Eichwäldli ist ein Ort mit kreativen und wütenden Persönlichkeiten. Genau das brauchen wir.
Lasst uns zusammenschliessen und gemeinsam für unser aller Wunsch arbeiten und einstehen: Wohn- und Schutzraum für Jede und Jeden. Eichwäldli bleibt, Refugees Welcome!
Bildquelle: https://www.facebook.com/eichwaeldlibleibt/photos/108203174449647
Im Dezember wurde in der Aargauer Gemeinde Turgi eine Petition zur Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Moria eingereicht. Die Initiant*innen kritisieren die Lage in den Camps auf den griechischen Inseln und betonen die breite Unterstützung zur Evakuierung dieser Lager durch die Schweizer Bevölkerung, die Landeskirchen und zahlreiche Organisationen.
Der Gemeinderat ist jedoch nicht bereit, weitere Geflüchtete aufzunehmen. Erneut wird auf die Verantwortung des Bundes verwiesen. Zudem versorge man schon mehr Geflüchtete, als laut Quote vorgeschrieben seien.
Dass diese Argumente nicht dagegen sprechen, sich für eine weitere Aufnahme beim Bund stark zu machen, zeigen bereits 25 Städte und Gemeinden in der Schweiz, darunter auch die Nachbargemeinde Baden, die 14 Menschen aus dem neuen Lager Kara Tepe aufnehmen möchte.
Bildquelle: https://static.az-cdn.ch/__ip/nUyE6Jf3rMSaucWthTaA27YfjxQ/27d056c675cf5002fc1b1e68b9202867b6b05500/n-small2x-16×9-far
Auch 2020 war der Weg über das Mittelmeer eine der häufigsten und tödlichsten Fluchtrouten nach Europa. Die meisten Schlauch- oder Holzboote starten von Libyen aus. Dort warten die Menschen in menschenunwürdigen Lagern und viele werden auf der Flucht von der lybischen Küstenwache abgefangen oder geraten in Seenot.
Obwohl die Seenotrettung eine staatliche Aufgabe ist, müssen zivile Seenotrettungsorganisationen Menschen vor dem Ertrinken bewahren und werden zusätzlich dabei behindert und kriminalisiert. So bekommen Schiffe oft längere Zeit keine Erlaubnis einen europäischen Hafen anzufahren, obwohl oft Menschen, die dringende medizinische Versorgung benötigen, an Bord sind, darunter auch Kinder und Schwangere. Oder Schiffe werden aus abstrusen und nicht nachvollziehbaren Gründen festgesetzt und Einsätze müssen teilweise ohne Koordination der Seefahrtsbehörde durchgeführt werden.
Im Jahr 2020 konnten insgesamt 3‘500 Menschen durch acht NGO-Schiffe gerettet werden. Aber bei weitem können nicht alle Menschen auf der Flucht übers Mittelmeer entdeckt werden. Für das gesamte Jahr 2020 hat die IOM (International Organization for Migration) 1‘111 Todesfälle im gesamten Mittelmeer und 739 Todesfälle im zentralen Mittelmeer registriert. 82‘704 Menschen haben das europäische Festland erreicht. Mehr als 11‘000 Menschen wurden 2020 von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurück an Land gebracht. Die Covid-19-Pandemie erschwerte die Arbeit der NGO‘s dieses Jahr zusätzlich. Durch die Krise kamen einige Missionen auf dem Mittelmeer zeitweise vollständig zum Erliegen.
„Aufgrund der Corona Pandemie haben die Politiker*innen zu Recht sehr viel darüber gesprochen, dass man alles dafür tun muss, um Menschenleben zu retten. Leider gilt das offenbar nicht für die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken. Heute sind wir an dem Punkt, an dem die EU-Regierungen untätig dabei zusehen, wie Menschen in Mittelmeer ertrinken und Schutzsuchende auf den griechischen Inseln Hunger, Angst und Schmerzen leiden.“
Gordon Isler, Vorsitzender von Sea-Eye
Im März waren alle zivilen Seenotrettungsschiffe festgesetzt auf Grund einer Änderung in der Schiffssicherheitsverordnung oder mit Begründung der COVID-19 Pandemie. Laut Recherchen des Spiegels wollte das Verkehrsministerium damit gezielt die Seenotrettung unterbinden. Es wurden Briefe des Innenministeriums verschickt in denen ausdrücklich darum gebeten wird nicht auszulaufen. Die neue EU-Mission „Irini“ hat die Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen und den Ausbau der libyschen Küstenwache zur Aufgabe, die Seenotrettung wird nicht berücksichtigt.
Mit fadenscheiniger Begründung der Covid-19-Pandemie bekommen Schiffe oft nicht die Erlaubnis einen Hafen anzufahren. Dies führ dazu, dass die Situation sich auf den Schiffen enorm zuspitzt, sodass ein Mann versuchte sich das Leben zu nehmen und im September über 120 Menschen versuchten schwimmend das italienische Festland zu erreichen. Im Mai wurden verschiedene Rettungsschiffe von der italienischen Behörde festgesetzt. Daraufhin verlangt das UNO-Menschenrechtsbüro eine sofortige Öffnung der Häfen und kritisierte die Festsetzung von Rettungsschiffen sowie die menschenrechtswiedrigen „Pushbacks“ nach Lybien. Die beteiligten EU-Länder verstiessen mit diesen Massnahmen gegen das Völkerrecht.
Die letzten Monate des Jahres 2020 waren durchzogen von erneuten Festsetzungen der zivilen Rettungsschiffe und zivilen Aufklärungsflugzeuge. Einige wenige Rettungsmissionen konnten trotz der Blockaden, durchgeführt werden.
„Das Jahr 2020 war für alle Seenotretter*innen extrem kräftezehrend und frustrierend“.
Gordon Isler, Vorsitzender von Sea-Eye
Im Oktober 2020 kaufte Sea-Eye durch Unterstützung des Seenotrettungsbündnisses United4Rescue ein Offshore-Versorgungsschiff (Baujahr 1972), um es für den Rettungsbetrieb umzubauen. Die Sea-Eye 4 sollte ab Februar 2021 einsatzbereit sein. Wir hoffen auf eure Unterstützung sowohl auf dem Land als auch auf dem Meer. Informiert euch und andere. Derzeit läuft noch eine Spendenaktion von Sea-Eye in Bern. Wir wollen einen Rettungstag des neuen Schiffes finanzieren. Unter folgendem Link könnt ihr helfen, das Ziel zu erreichen: https://betterplace.org/f36493
Quellen:
Mit klarer Mehrheit hat der Einwohnerrat von Baden (AG) gestern die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus dem ehemaligen Lager Moria auf Lesbos befürwortet. Alle Fraktionen stimmten mehrheitlich für den Vorstoss, mit Ausnahme der SVP. Zuvor hatte sich bereits der Stadtrat aufnahmebereit geäussert.
Konkret erklärt sich die Stadt Baden damit bereit, 14 geflüchtete Menschen aus Moria aufzunehmen. Sie wird den Kanton und den Bund dazu aufzufordern, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Moria zu ermöglichen.
Initiantin Nora Langmoen sagt dazu: “Kanton und Bund blockieren die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Moria. Dies ist unverständlich und enttäuschend. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich auch der Einwohnerrat Baden bereit erklärt, bei Möglichkeit, geflüchtete Menschen aufzunehmen. Je mehr Städte und Gemeinden mitmachen, desto eher werden sich Kanton und Bund bewegen.”
Dazu wird sich Baden auch mit anderen aufnahmebereiten Städten und Gemeinden im Kanton Aargau sowie mit Basel, Bern, Genf, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich, die ähnliche Initiativen zur Aufnahme von geflüchteten Menschen angenommen haben, koordinieren.
Etwa 25 Städte in der Schweiz haben sich mittlerweile solidarisch mit Menschen auf der Flucht erklärt und sind bereit, diese willkommen zu heissen.
Bildquelle: www.baden.ch
Gemeinderäte der SP Bülach und der Grünen Bülach fordern den Stadtrat auf, sich für die Direktaufnahme von Geflüchteten aus dem ägäischen Raum stark zu machen.
Im April 2020 wurde ein von über 100 Menschen unterzeichneter Aufruf mit dem Titel “Bülach unterstützt Geflüchtete” dem Stadtrat überreicht.
Da der Stadtrat nicht komplett auf die Forderungen eingegangen ist, folgt nun ein Postulat mit konkreter Forderung:
Der Stadtrat soll sich gegenüber dem Bundesrat bereit erklären, dass er Geflüchtete direkt in seine Gemeinde aufnehmen will. “Da der Bundesrat bisher von Direktaufnahmen absieht, ist es Aufgabe von uns Gemeinden, den Bundesrat zu einem Richtungswechsel zu drängen und gleichzeitig Bereitschaft zu zeigen die Konsequenzen zu tragen,” erklärt Initiant Dominik Berner von der SP Bülach.
Ausserdem soll der Stadtrad abklären, wie eine Direktaufnahme und Unterbringung von Geflüchteten im Asylzentrum “Müliweg” im Falle einer Zulassung von Direktaufnahmen durch den Bund zeitnah möglich ist.
Bildquelle: SP Zürich, https://buelach.spkantonzh.ch/app/uploads/2020/04/2020.04.08.Rathaus_1.jpeg
Nachdem sich in den vergangenen Monaten angesichts der humanitären Katastrophe in den Camps auf den griechischen Inseln bereits zehn grosse Schweizer Städte aufnahmebereit erklärt haben, wollen nun auch immer mehr kleinere Städte und Dörfer Geflüchtete bei sich willkommen heissen. Damit steigt der Druck auf Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die die Aufnahme durch die Städte auf Bundesebene blockiert. Dabei sind die rechtlichen Voraussetzungen dafür bereits heute vorhanden.
In einer ersten Welle positiver Rückmeldungen haben sich sechs Städte öffentlich bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen und dies an den Bundesrat kommuniziert:
Wohlen (BE): Die Gemeine Wohlen bittet das SEM schriftlich, die Vororthilfe und insbesondere die unkomplizierte Aufnahme von vulnerablen Geflüchteten aus dem abgebrannten Lager in Moria deutlich zu intensivieren. Gleichzeitig bietet die Gemeinde im Rahmen ihrer Möglichkeiten sowohl finanzielle Unterstützung für die Vororthilfe als auch Unterstützung in Form von Unterkunft und Betreuung in der Gemeinde an.
Sevelen (SG): Die Gemeinde Sevelen ist bereit, zusätzlich zu den bereits zugewiesenen Geflüchteten, eine Familie aufzunehmen und zu betreuen.
Arlesheim (BL): Der Gemeinderat unterstützt das Anliegen der Petenten und hat die Bereitschaft bestätigt, fünf weitere Personen aus einem Lager einer griechischen Insel aufzunehmen. Die Aufnahmebereitschaft wurde dem Kanton kommuniziert.
Baden (AG): Die Stadt Baden ist bereit, zusätzliche Aufnahmen zu prüfen, wenn der Bund und der Kanton die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Dies wurde über die Städteinitiative Sozialpolitik an den Bund kommuniziert.
Penthalaz (VD): Die Gemeinde Penthalaz erwartet von der Schweiz eine angemessene Aufnahme von Menschen aus den griechischen Lagern, um die dortige Notsituation zu reduzieren und erklärt sich bereit, selbst Familien aufzunehmen.
Die Stadt Lausanne hat erneut ihre Aufnahmebereitschaft sowie die Bemühungen geäussert, sich auf Bundesebene für eine Lösung einzusetzen. Dabei hofft die Stadt auf eine Kooperation mit den anderen aufnahmebereiten Städten
Die Aufforderung an die Städte erfolgte mit einer Petition, die weiterhin genutzt werden darf, um die Zahl der aufnahmebereiten Städten weiter zu erhöhen und sichtbar zu machen.
Nach dem Brand auf der Insel Lesbos hatte sich der Berner Gemeinderat bereit erklärt, 20 Menschen Zuflucht zu gewähren. Dem Stadtrat ist das zu wenig. Die Grün-alternative Partei, die Partei der Arbeit und die Alternative Linke fordern einen Tag nach dem Brand in einer dringlichen Motion die Aufnahme von 500 Menschen. Bern habe sowohl die finanziellen Mittel als auch die räumlichen Kapazitäten und notwendigen Ressourcen, um mehr als 20 Menschen aufzunehmen.
Durch den Brand hat sich die Dringlichkeit der Lage verschärft und so wurde auch die Dringlichkeit des Postulats anerkannt. 13.000 Menschen sind durch den Brand des Camps, welches ohnehin nur für 3.000 Menschen ausgelegt war, obdachlos geworden. Neben tausenden Erwachsenen leben auch Kinder seit Jahren im Camp Moria unter unvorstellbaren Konditionen, welche laut Ärzte ohne Grenzen dazu geführt haben, dass Jugendliche Suizid begehen oder sich selbst verletzten. Ausbrüche von Krankheiten verschlimmern das beispiellose Leid und Europa schaut zu.
Der Gemeinderat hatte die Annahme des Vorstosses empfohlen: “Der Gemeinderat ist sich der Problematik sehr bewusst. Er hat sich bereits bisher wiederholt für die zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten eingesetzt und ist bereit, hier Verwantwortung zu übernehmen. Der Gemeinderat setzt sich sowohl direkt beim Bund als auch im Rahmen der Städteinititative Sozialpolitik zusammen mit anderen Städten für dieses Anliegen ein. Letztmals hat er nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria sofort reagiert, seine Bereitschaft für die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge bestätigt und den Bund aufgefordert, angesichts der dringlichen Situation sofort zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen bzw. eine Direktaufnahme zuzulassen. Er will sich auch in Zukunft dafür engagieren.”
Am Donnerstag, 05.11.20, wurde der Vorstoss mit 53 zu 17 Stimmen klar angenommen.
Der Gemeinderat von Burgdorf hat einem dringlichen Postulat der SP-Fraktion zugestimmt, dass den Gemeinderat aufforderte,
Bei der Ziffer 1 beschloss der Stadtrat Nichteintreten. Die Ziffer 2 und 3 wurden an den Gemeinderat überwiesen. Es stimmten 21 Personen mit Ja (SP, Grüne, EVP und GLP) und 9 mit Nein (BDP, SVP) bei 7 Enthaltungen (FDP, SVP). Der Gemeinderat wird also einen Brief an den Bundesrat und den Regierungsrat schreiben, mit der dringenden Bitte, die Geflüchteten aus Moria zu evakuieren und das Mithelfen der Stadt Burgdorf anbieten.
Dieses sehr klare Ergebnis zeigt, dass solche Initiativen auch in kleineren Städten Erfolg haben können – und weiter vorangetrieben werden sollten.
Der Gemeinderat Arlesheim BL hat einer Petition zugestimmt, welche dem Bundesrat die Bereitschaft signalisiert, sofort fünf geflüchtete Menschen aus dem Geflüchtetenlager Moria aufzunehmen.
Zumal dies hervorragende Neuigkeiten sind, dienen sie der Veranschaulichung von nationalem Versagen.
Eine Gemeinde mit rund 10’000 Einwohner*innen, hat sich freiwillig dazu bereit erklärt, 5 Menschen in Not aufzunehmen. Dies entspricht 0.05 % der ansässigen Bevölkerung in Arlesheim.
Der Bundesrat hat sich am 11.09.2020 dazu bereit erklärt, 20 unbegleitet minderjährige Asylsuchende aufzunehmen. Mit einer Population von rund 8’600’000 Menschen, entspricht dies 0.000233 %.
Das Boot ist noch lange nicht voll, wir haben Platz!
In eimem dringlichen Appell an den Thuner Gemeinderat forderten politische Parteien, diverse Organisationen und Einzelpersonen aus der Zivilgesellschaft: Direktaufnahme von Geflüchteten jetzt!
“In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 brannte ein Grossteil des notorisch überfüllten Flüchtlingslagers Moria auf der Insel Lesbos nieder. In der Nacht darauf wurde von einem zweiten Feuer fast alles zerstört, was vom ersten Brand verschont geblieben war.
Zuletzt hielten sich in Moria und unmittelbarer Umgebung etwa 12’500 geflüchtete Personen auf – bei einer Kapazität von 2800 Plätzen. Tausende mussten die Nacht unter freiem Himmel auf den Strassen rund um das Camp verbringen. Rund 400 Minderjährige, die ohne Eltern unterwegs sind, wurden in die Hafenstadt Thessaloniki geflogen. Wie deren Zukunft aussieht, ist ungewiss. Erwachsene Geflüchtete müssen auf der Insel bleiben.
Das menschliche Elend ist kaum in Worte zu fassen, hinzu kommt die Angst vor einem unkontrollierten Ausbruch der Corona-Epidemie. Europas Solidarität ist dringend gefragt. Acht Schweizer Städte haben ihre Bereitschaft kundgetan, Geflüchtete direkt aufzunehmen. Die Stadt Zürich fordert vom Bundesrat, eine nationale Konferenz einzuberufen, denn es liege beim Bund, das Angebot der Städte zur Direktaufnahme endlich zu nutzen.
Die Unterstützer*innen dieses Appells fordern den Thuner Gemeinderat auf, sich diesen Städten anzuschliessen. Denn die Schweiz – und auch Thun – kann und soll mehr tun. Für ein Europa der Solidarität, Würde und Menschlichkeit.”
Die Antwort des Gemeinderats ist ernüchternd und für die Initiant*innen unbefriedigend: Eine Lösung liege in der Verantwortung des Bundes. Man sei zwar bereit, sich an der Beseitigung der humanitären Katastrophe zu beteiligen, wolle dabei jedoch keine Kompetenzen überschreiten.
Die Schweiz nimmt nur 53 Menschen in Not auf. Das ist nicht genug und Weinfelden will das ändern. Das Echo von Evakuieren JETZT hallt nicht nur in die grossen Städte, sondern auch bis nach Weinfelden. Gefordert wird in einer Petition die Aufnahme von Geflüchteten von den Ägäis-Inseln als auch Druck auf den Bundesrat auszuüben. Die SP-Vorstandsfrauen Dana Wassmann und Xenja Magri sammelten 107 Stimmen, um ihre Forderungen zu stützen. Hinter der Petition steckt noch viel mehr. Die beiden Frauen fordern und kritisieren konstruktiv, indem sie eine Unterkunft und Versorgungspläne für die Menschen, die alle aufgenommen werden können, vorschlagen.
Einmal mehr zeigt sich der Kanton Basel Stadt solidarisch mit Menschen auf der Flucht. Nach der öffentlichen Solidaritätserklärung im September 2020 nimmt der grosse Rat auch die Standesinitiative mit der Forderung, Menschen aus Griechenland aufzunehmen und die Asylzentren auszulasten, an.
Die BZ berichtet dazu: “Die Basler Regierung soll sich beim Bund für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland starkmachen. Der Grosse Rat hat der Exekutive einen Vorstoss für eine entsprechende Standesinitiative überwiesen.
Die Regierung hatte sich bereit erklärt, den Vorstoss für die Standesinitiative entgegenzunehmen. Dagegen sprachen sich die Sprecher der bürgerlichen Fraktionen aus. Es sei nicht die Aufgabe der Kantone und der Städte, Asylpolitik zu betreiben. Ausserdem sei die Verteilung der Flüchtlinge aus Griechenland ohnehin eine gesamteuropäische Angelegenheit.
Die Ratslinke betonte auf der anderen Seite, dass es wichtig sei, auf Bundesebene klare Zeichen zu vermitteln. Die Schweiz und der Kanton Basel-Stadt hätten die finanziellen Mittel und die benötigte Infrastruktur, um mehr notleidende Menschen aufzunehmen.
Eine Mehrheit des Grossen Rats sprach sich schliesslich mit einem Verhältnis von 44 gegen 35 Stimmen für eine Überweisung der Forderung nach einer entsprechenden Standesinitiative aus.”
Rund 50 Personen haben sich im Juni in einem offenen Brief an die Nidwaldner Regierung gewendet, damit sie den Bund zur Evakuierung der griechischen Inseln auffordert und ihre Unterstütung in der Aufnahme zusagt. Mit der ablehnenden Antwort gaben sich die Initiant*innen nicht zufrieden und doppelten mit einem weiteren Schreiben nach. Ende September äusserte sich der Nidwaldener Regierungsrat erneut ablehnend. Zwei der Argumente sind bereits bekannt: Die Schweiz habe bereits 20 Minderjährige aufgenommen. Am Wichtigsten sei die Hilfe vor Ort.
Neu hinzu kommt die Übernahme der rassistischen Argumentation der griechischen Regierung. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte direkt nach dem Brand des Lagers Moria in der Nacht auf den 9. September 2020 deutlich gemacht, dass er nicht wolle, dass die Menschen die Insel verlassen. Das würde „falsche Signale“ in dieser „Flüchtlingskrise“ senden. Die Regierung lasse sich „nicht erpressen“. Die Brandstiftung, die von den Behörden sehr schnell den Geflüchteten zugeschrieben wurde, dürfe kein Vorbild für andere Lager werden, um eine Evakuierung „zu erzwingen“ (vgl. Medienberichten). Es wurde auf rassistische Weise ein Bild der geflüchteten Menschen als kriminell, gefährlich und undankbar gezeichnet, das ihre unmenschliche Behandlung zu rechtfertigen versucht.
Othmar Filliger, CVP, schreibt im Namen des Regierungsrates: “Eine schnelle Aufnahme von Geflüchteten in andere Europäische Staaten würde unter Umständen dazu führen, dass Einzelpersonen die Situation in anderen Flüchtlingslagern vorsätzlich verschlechtern könnten, um so weitere Aufnahmen zu erzwingen. Dies würde für alle Flüchtenden eine immense Gefahr darstellen.”
Als immense Gefahr kann das neu errichtete Lager auf Lesbos bezeichnet werden. Die Bedingungen stehen denen im abgebrannten Camp Moria in nichts nach. Es wurde in kürzester Zeit aus Zelten ohne Boden auf einem ehemaligen Militärgelände errichtet, auf dem Soldat*innen noch nach Minen suchten, als bereits Menschen angekommen waren. Es wird eine hohe Bleibelastung dieses ehemaligen Schiessplatzes vermutet. Einmal täglich gibt es eine Mahlzeit für die Geflüchteten. Strom gibt es nie, Wasser, Toiletten und Duschen beinahe nicht. Die sogenannte Quarantänestation ist ein Strandabschnitt, der durch Stacheldraht vom Rest des geschlossenen Camps abgetrennt ist (vgl. NGO-Bericht).
Auch diese Antwort bleibt unbefredigend für alle, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen, die auf den griechischen Inseln massiv verletzt werden.
Die SP-Fraktion fordert die Stadt Wil auf, Menschen von der griechischen Insel Lesbos aufzunehmen. Im Vorstoss heisst es:
“In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 haben mehrere Brände das
Flüchtlingslager in Moria auf der griechischen Insel Lesbos vollständig zerstört. Bereits ein Tag nach den Bränden im Flüchtlingslager in Moria bot die Stadt Bern ihre Hilfe an. Mittlerweile haben die acht grössten Städte der Schweiz ihre Unterstützung angeboten.
Die Stadt Wil soll den Beispielen folgen und ebenfalls Hilfe anbieten. Der Stadtrat soll beauftragt werden, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um sich zusammen mitanderen Städten beim Bund für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Camp Morta einzusetzen, welche über die Aufnahmevon 20 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (für die gesamte Schweiz) hinausgeht.
Vor unseren Augen spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab. Bereits vor dem Brand herrschten im Lager prekäre Zustände. Im Lager, welches auf 3’000 Flüchtlingeausgelegt ist, lebten über 12’000 Menschen. Bereits vor dem Brand wurde wiederholt auf die absolutkatastrophalen Bedingungen hingewiesen und zum Handeln aufgefordert. Bereits im Sommer haben Schweizer Städte ihre Unterstützung angeboten.
Wir ersuchen in diesem Zusammenhang den Stadtrat um die Beantwortung
folgender Fragen:
1. Ist der ,die Kantonsregierung und den Bundesratzu einem
konsequenten Handeln und zur Aufnahme von GefIüchteten aus Moria
aufzufordern und zu signalisieren, dass die Stadt Wil bereit ist, ihre
Verantwortung in der Flüchtlingsbetreuung für diese Menschen
wahrzunehmen?
2. Welche Möglichkeitensieht der Stadtrat, Personen in Wil aufzunehmen?
3. Sieht der Stadtratweitere Möglichkeiten, Menschen vor Ort zu unterstützen?”
Die politische Bereitschaft zur Aufnahme von Menschen auf der Flucht von den griechischen Inseln wächst. Gestern stimmte nach dem National- auch der Ständerat der Motion “Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland und Reform des Dublin-Abkommens” zu.
https://seebruecke.ch/demand/aufnahme-von-fluechtlingen-aus-griechenland-sowie-reform-des-dublin-abkommens/
Bereits seit dem Frühjahr fordert das Bündnis Evakuieren-jetzt aus 132 Organisationen die Evakuierung der griechischen Camps. 50.000 Menschen haben diese Forderung in einer Petition unterstützt. Zehn Städte haben sich ausdrücklich aufnahmebereit erklärt.
Als SEEBRÜCKE möchten wir diese Städte dauerhaft solidarisch sehen und sie zu Sicheren Häfen machen. Ob von Seenotrettungsschiffen oder aus unmenschlichen Lagern an den europäischen Aussengrenzen: Menschen auf der Flucht benötigen einen sicheren Ort zum Ankommen.
Zürich
https://seebruecke.ch/demand/stadt-zuerich-fordert-umgehend-eine-nationale-konferenz-zur-direktaufnahme-gefluechteter/
Basel
https://seebruecke.ch/demand/basel-erklaert-sich-bereit-gefluechtete-aus-moria-aufzunehmen/
Bern
https://seebruecke.ch/demand/stadt-bern-will-fluechtlinge-aus-moria-aufnehmen/
Luzern
Winterthur
https://seebruecke.ch/demand/winterthur-unterstuetzt-forderungen-der-stadt-zuerich/
St. Gallen
https://seebruecke.ch/demand/st-gallen-unterstuetzt-forderungen-der-stadt-zuerich/
Delémont
https://seebruecke.ch/demand/delemont-erklaert-sich-bereit-gefluechtete-aus-moria-aufzunehmen/
Lausanne
https://seebruecke.ch/demand/lausanne-ist-bereit-gefluechtete-aus-moria-aufzunehmen/
Genf
https://seebruecke.ch/demand/genf-ist-bereit-gefluechtete-aus-moria-aufzunehmen/
Solothurn
https://seebruecke.ch/demand/aufnahme-von-fluechtlingen-aus-dem-camp-moria/
Bau mit uns Brücken zu Sicheren Häfen!
Das Hello Welcome lanciert nach dem Brand in Moria eine Solidaritätswoche in Luzern. Und noch einiges mehr:
“Für knapp 2700 Menschen ist das Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos konzipiert, 13’000 haben bis Dienstag dort gelebt. Seit der erste Coronafall diagnostiziert worden ist, haben sie alle Angst vor einer Ansteckung – zumal bei den herrschenden prekären Verhältnissen weder Abstands- noch Hygieneregeln eingehalten werden konnten. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist das Lager abgebrannt. Und jetzt?
HelloWelcome fordert die Luzerner Regierung auf, sich beim Bundesrat, bei Karin Keller-Sutter und beim Staatssekretariat für Migration SEM dafür einzusetzen, möglichst schnell möglichst viele Geflüchtete aus Moria in der Schweiz aufzunehmen. Die Städte stehen bereit, die Demos vom Donnerstag, 10. September, haben gezeigt, dass viele Menschen dieses Anliegen unterstützen. Es gibt konkrete Angebote – und wir hoffen, dass es nicht bei symbolischen Aktionen bleibt, sondern umfassende Hilfe geleistet wird. Das Leben auf Moria ist menschenunwürdig.
HelloWelcome steht in Kontakt mit Dorothee Wilhelm in Moria
Vergangenen Montag ist Dorothee Wilhelm, Mitglied des Beirates von HelloWelcome, im Auftrag von ONE HAPPY FAMILY nach Moria gereist, um die dort tätigen Freiwilligen in der sehr schwierigen Situation zu coachen. Sie sagt (heute, 11.9., 11 Uhr), aktuell herrsche auf Lesbos riesige Konfusion. «Es ist nichts übrig, auch keine Strategie, es zeichnet sich noch nichts ab, ausser dass die unbegleiteten Minderjährigen auf das Festland gebracht worden sind.» Und: «Zuerst muss jetzt in die absolute Nothilfe investiert werden.»HelloWelcome lanciert eine «Solidaritätswoche»: «Etliche der Besucherinnen und Besucher von HelloWelcome kennen das Camp Moria aus eigener Erfahrung. Sie wollen unbedingt einen Beitrag leisten, die Geflüchteten in Moria unterstützen, etwas tun gegen die Ohnmacht», sagt Barbara Müller, Co-Geschäftsleiterin bei HelloWelcome. Deshalb lanciert HelloWelcome eine Solidaritätswoche für die Unterstützung der Geflüchteten von Moria. Die Einnahmen gehen in Absprache mit Dorothee Wilhelm an die Geflüchteten von Moria.
Am Montag, 14. September, werden im Rahmen der Kleintheater-Aufführung «HeimatKlang» (20 Uhr) zwei Franken pro Eintritt für Moria gespendet.
Medienmitteilung des Hello Welcome vom 11. September 2020,
Am Dienstag, 15. September, findet um 19.30 im Lokal am Kauffmannweg 9 ein Solidaritätsessen statt: Iyad Al Issa, der seit 1. September als Praktikant bei HelloWelcome arbeitet, kocht gemeinsam mit anderen Geflüchteten. Das Material ist gesponsert, die Einnahmen gehen ebenfalls an die Hilfe in Moria. Solidaritätsbeitrag mindestens 50 Franken pro Person, die Anzahl Plätze ist beschränkt, das Covid-19-Schutzkonzept wird eingehalten.
Während der gesamten Woche sind die Menschen im Raum Luzern und Zentralschweiz aufgerufen, sich finanziell an der Solidaritätsaktion für Moria zu beteiligen: Alle Spenden, die mit dem Vermerk Moria auf das Konto von HelloWelcome eingezahlt werden (HelloWelcome, Kauffmannweg 9, 6003 Luzern, IBAN CH56 0077 8201 2381 0200 1), werden zu hundert Prozent in Moria investiert.”
https://hellowelcome.ch/fluechten-ankommen-heimat/
Bild: © imago images I ANE Edition
Nach den verheerenden Bränden in Moria bekräftigen schweizer Städte erneut ihre Aufnahmebereitschaft.
“Die dramatische Situation im Flüchtlingslager Moria verlangt sofortiges Handeln. Der Stadtrat von Luzern fordert die Bundesbehörden dringend auf, die Direktaufnahme von Flüchtlingen aus Moria zuzulassen. Die Stadt Luzern bekräftigt ihre Bereitschaft, Flüchtlinge zu übernehmen.
Die Zustände im Flüchtlingslager Moria waren bereits vor den Bränden höchst prekär. Nun hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. Hilfe ist dringend notwendig. Der Bund soll aktiv werden und alles Notwendige unternehmen, um zusätzliche Flüchtlinge aus Moria in der Schweiz aufzunehmen. Die Stadt Luzern hat dem Bund bereits im Juni 2020 gemeinsam mit anderen Städten die Bereitschaft signalisiert, Flüchtlinge aus Lesbos aufzunehmen. Diese Bereitschaft wird hiermit bekräftigt.Medienmitteilung der Stadt Luzern vom 10. September 2020
Auch wenn die Schweizer Asylpolitik grundsätzlich in der Kompetenz des Bundes liegt, sind die Städte und Gemeinden traditionell wichtige Partner – so etwa bei der eigentlichen Integrationsarbeit. Die Stadt Luzern unterstützt den Vorschlag der Stadt Zürich und fordert den Bund auf, umgehend eine nationale Konferenz einzuberufen und die Direktaufnahme der geflüchteten Menschen konkret umzusetzen.”
Heute alle auf die Strasse!
18.00 Uhr Landesmuseum Zürich
18.00 Uhr Bahnhofplatz Luzern
14.00 Uhr Bahnhofplatz Bern
Das Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch abgebrannt. Wir sind wütend und fordern die sofortige Evakuierung aller Lager!
Die katastrophale Situation in Moria ist seit langem bekannt: In dem Lager, das ursprünglich für 3.000 Personen ausgelegt ist, lebten bis Dienstagabend mehr als 13.000 Menschen. In Zeiten der Corona-Pandemie mussten Tausende in Zelten oder im Freien schlafen, es gab nicht genügend sanitäre Anlagen, für Nahrung mussten die Menschen oft stundenlang anstehen. Abstand halten, sich vor dem Virus schützen, das war in dieser Situation nicht möglich.
Diese Politik ist Ausdruck eines rassistischen, menschenverachtenden Systems: Europa nimmt für sich in Anspruch, demokratisch zu sein, Rechtsgleichheit zu praktizieren. Dies hat nichts mit der Realität zu tun, wie Geflüchtete behandelt werden: Sie werden von den europäischen Staaten nicht nur ihrer grundlegendsten Rechte beraubt, das europäische
Migrationsregime arbeitet auch daran, möglichst repressiv, möglichst abschreckend zu sein. Für sie gelten europäische Rechte nicht – das ist rassistische Politik. Darum lasst uns gemeinsam unsere Wut auf die Straße tragen!
Kommt alle an die Demonstrationen. Bringt euren Mund-Nasenschutz mit.
Wir fordern: Sofortige Aufnahme! Evakuiert die Lager – Wir haben Platz!
“Wir sind der Überzeugung, dass auch der Kanton Nidwalden in dieser Situation einen Unterschied machen kann.”
So heisst es in der Stellungnahme des Initiativkomitees, dass sich in Nidwalden für die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Griechenland stark macht. Der Regierungsrat lehnte es ab, aktiv zu werden. Die Thematik werde bereits auf Bundesebene behandelt, was eine Forderung seitens des Kantons überflüssig mache. Der Kanton Nidwalden nehme zudem bereits die nach Quote zugewiesenen 0,5 % der Asylsuchenden in der Schweiz auf. Die Frage zur Aufnahmekapazität des Kantons blieb unbeantwortet.
“Und da Sie unsere im offenen Brief gestellte Frage leider nicht beantwortet haben, bitten wir erneut darum.
Wie viele geflüchtete Menschen können im Kanton Nidwalden aufgenommen werden? Zusätzlich möge der Regierungsrat differenzieren zwischen der Anzahl unter den besonderen Bestimmungen aufgrund von COVID-19 und der Normalsituation.
Darüber hinaus rufen wir nochmals dazu auf, diese Zahl an den Bund, beziehungsweise ans SEM, weiterzureichen.”
«Seitens Europa liegt die Verantwortung bei der Europäischen Union, die diese Herausforderung bis anhin nicht lösen konnte.» – So heisst es in der Antwort des thurgauer Regierungsrates zur Frage, ob der Kanton bereit wäre, aus humanitären Gründen Menschen aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen.
Simon Vogel von den Grünen stellte im Mai die Anfrage, ob der Kanton Kapazität zur Aufnahme hätte, ob er zur Aufnahme von Menschen zusätzlich zum bestehenden Kontingent bereit wäre und ob sich der Kanton in Bern für eine umfassende Lösung einsetzen könne.
Die ernüchternde Antwort: 3 Mal Nein. Man habe keinen Platz zur Unterbringung. Die Verantwortung liege nicht beim Kanton. Man ist nicht bereit, sich beim Bund einzusetzen.
Rund 50 Personen haben einen offenen Brief an die Nidwaldner Regierung unterzeichnet. Sie fordern den Kanton zum Handeln auf:
“Wir fordern die Regierung Nidwaldens auf…
– dem Bund Bereitschaft zu signalisieren, dass der Kanton Nidwalden geflüchtete Menschen aus den überfüllten Lagern in Griechenland aufnimmt.
– abzuklären und zu kommunizieren, wie viele geflüchtete Menschen der Kanton Nidwalden aufnehmen und im Kanton menschenwürdig betreuen kann.”
Offener Brief zur Lage der geflüchteten Menschen in Griechenland, Stans im Juni 2020
Im Antwortschreiben lehnt es der Kanton ab, aktiv zu werden. Die Thematik werde bereits auf Bundesebene behandelt, was eine Forderung seitens des Kantons überflüssig mache. Der Kanton Nidwalden nehme zudem bereits die nach Quote zugewiesenen 0,5 % der Asylsuchenden in der Schweiz auf. Der Kanton werde auch im kommenden Jahr wieder acht vulnerable Personen aufnehmen.
Mit einem öffentlichen Aufruf an den Stadtrat hat sich die Initiative “Bülch unterstützt Geflüchtete” dafür stark gemacht, dass die Stadt direkt 20 Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufnimmt.
In der Antwort des Stadtrates heisst es: «Auch der Stadtrat ist besorgt über die Zustände im syrisch-türkischen und im türkisch-griechischen Grenzraum, welche sich durch die Corona-Situation noch verschärft haben.» Aus diesem Grund habe die Stadt Anfang April im Rahmen der
Auslandhilfe 15’000 Franken zugunsten der Flüchtlinge vor Ort an das Schweizerische Rote Kreuz überwiesen. Im Weiteren habe der Stadtrat beschlossen, 2020 zusätzlich zum normalen Auslandhilfe-Budget zugunsten der Geflüchteten einen einmaligen Betrag über 50’000 Franken zu spenden.
Ein Teilerfolg für die Initiative. Zur Forderung der Direktaufnahme verweist der Stadtrat auf die Zuständigkeit des Bundes. Der Zürcher Unterländer berichtet dazu: Dieter Liechti ist jedoch der Meinung, dass die Stadt ohne weiteres beim Bund anklopfen könnte. Es gebe keinen Grund, wieso die Kommunen kein Zeichen nach Bern schicken sollten. «In Bülach haben wir die nötige Infrastruktur, das Geld und die Leute dafür, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen.» Ihm sei aber bewusst, dass dies nicht alle Leute so sehen würden.
Die Behandlung der “Standesinitiative des Kantons Luzern zur Aufnahme von Menschen auf der Flucht” im Kanton Luzern wurde vertagt. Die nächste Session ist im September.
“Ein Wasserhahn für 1.000 Menschen” oder “1 WC für 200 Personen” steht auf den Schildern, mit welchen heute Aktivist*innen der JUSO und der SEEBRÜCKE Schweiz die Parlamentarier*innen vor der Kantonsratssession begrüssten. Sie möchten damit auf die Situation in den griechischen Lagern aufmerksam machen. Mit der Annahme der Standesinitiative von Sara Muff erhält der Kanton Luzern heute die Möglichkeit, sich fair, menschlich und solidarisch zu zeigen.
Im Forderungstext heisst es: “Wir ersuchen den Regierungsrat, folgende Forderungen in Form einer Standesinitiative an die Bundesbehörden zu tragen: 1) Menschen auf den griechischen Inseln oder in Gebieten mit ähnlichen humanitären Krisen soll in der Schweiz Schutz geboten werden, damit ihnen hier ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet werden kann. Die Kapazitäten der Bundesasylzentren sowie der kantonalen Asylzentren sind vollständig auszulasten. 2) Andere Staaten in Europa sollen aufgefordert werden, dies auch zu tun.”
Seit der Einreichung des Vorstosses im März hat sich die Situation in den griechischen Lagern keinesfalls verbessert. Noch immer sind mehrere zehntausend Geflüchtete aus Kriegs- und Konfliktgebieten dort gestrandet, ohne dass sie Schutz erhalten würden. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet und selbst das Recht auf ein Asylgesuch wurde zeitweise ausgesetzt. Die Arbeit von Unterstützer*innen vor Ort wird durch neue Regelungen der griechischen Regierung erschwert.
79.5 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Diese Zahl veröffentlichte das UNHCR anlässlich des Weltflüchtlingstages am vergangenen Samstag. Sie fliehen vor Gewalt, Diskriminierung, Menschenrechtsverletzungen und Konflikten. Die Zahl hat sich seit 2010 verdoppelt und stieg allein im vergangenen Jahr um 9 Millionen. Gleichzeitig können immer weniger Menschen zurückkehren. Waren es in den 1990er-Jahren noch 1.5 Millionen Menschen pro Jahr, können in den vergangen zehn Jahren nur noch rund 390.000 Geflüchtete pro Jahr in ihren Herkunftsort zurückkehren. Dadurch erhöht sich die Gesamtzahl der Menschen auf der Flucht und ohne ein absehbares Ende ihrer Notlage.
Während immer mehr Menschen fliehen müssen, nimmt Europa immer weniger Menschen auf. Dabei sind 46 Millionen Geflüchtete Binnenvertriebene, die in eine andere Region ihres Herkunftslandes gehen. Wer das Land verlässt, bleibt meist in den armen Nachbarländern. Nach Europa kommen nur etwa 10 Prozent der Menschen. Trotzdem scheitern aus politischen Gründen Initiativen, Menschen beispielsweise aus überfüllten Lagern in Griechenland aufzunehmen, einem Land, in dem im Verhältnis zur Bevölkerung deutlich mehr Menschen Zuflucht gefunden haben als etwa in Deutschland. Die bisherigen Bemühungen der Schweiz, die die Aufnahme 23 unbegleiteter Minderjähriger ermöglichte, ist kaum erwähnenswert. Damit tat die Schweiz nicht weniger und nicht mehr als das, wozu sie durch internationale Abkommen verpflichtet ist. Denn laut Dublin-Verordnung müssen Minderjährige mit familiären Bezug zur Schweiz aufgenommen werden.
Sara Muff ist mit ihren Forderungen übrigens nicht allein. Über 30 politische Vorstöße in der ganzen Schweiz fordern in den vergangenen Jahren die rasche und unkomplizierte Aufnahme von Menschen auf der Flucht..Auf der interaktiven Karte der frisch lancierten Homepage seebrücke.ch ist es möglich, Forderungen, Berichterstattungen, den Verlauf und den aktuelle Stand der politischen Forderungen zu verfolgen und die Lage der Schweiz im Bezug auf ihre Asyl- und Migrationspolitik zu verfolgen.
Aktivist*innen der JUSO und der SEEBRÜCKE Schweiz mit Kantonsrätin Sara Muff
Über dreissig politische Vorstösse fordern aktuell in der Schweiz, Geflüchtete aufzunehmen – sie richten sich an solidarische Städte und Gemeinden, an Kantone oder direkt an den Bund. Auf der politischen Landkarte der neuen Webseite von SEEBRÜCKE Schweiz www.seebrücke.ch werden alle gegenwärtigen Vorstösse überschaubar dargestellt. Die Visualisierung verdeutlicht die breite Abstützung der Forderungen und ermöglicht eine bessere Vernetzung der Akteure.
Die SEEBRÜCKE Schweiz setzt sich für ein allgemeines und humanitäres Recht auf Migration ein. Sie will eine Gesellschaft schaffen, in der die Solidarität nicht an Ländergrenzen aufhört und die sich öffentlich gegen eine Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer einsetzt. Aus diesem Grund fordert SEEBRÜCKE Schweiz von Städten, Kantonen und dem Bund, dass sie sich solidarisch mit Menschen auf der Flucht erklären. Die interaktive Karte auf der Webseite der SEEBRÜCKE Schweiz präsentiert inhaltliche Forderungen, Berichterstattungen, den Verlauf und den aktuellen Stand aller hängigen Vorstösse zu diesem Thema und ermöglicht dadurch eine koordinierte Vernetzung aller Akteure. Eindrücklich zeigt diese Karte auch, dass sowohl Zivilgesellschaft als auch Politiker*innen unterschiedlicher Parteien hinter diesen Forderungen stehen.
SEEBRÜCKE Schweiz fordert konkret, dass sich die Schweiz aktiv an der Seenotrettung beteiligt und eine rasche Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen ermöglicht. In der vergangenen Woche wurden 278 Menschen von NGOs aus Seenot gerettet – hier bietet sich wieder eine Chance für die Schweiz, sich an einer fairen Verteilung der Menschen in Europa zu beteiligen und dazu beizutragen, dass ihnen das Menschenrecht auf ein Asylverfahren gewährt wird.
Ebenso dringlich ist aus Sicht der SEEBRÜCKE Schweiz die Evakuierung der überfüllten griechischen
Lager, die in den vergangenen Monaten thematisch in den Mittelpunkt gerückt waren. Am Dienstag hat der Nationalrat die Motion “Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens” angenommen – ein erster Schritt in die richtige Richtung.
In den letzten Wochen haben die Reaktionen auf den Tod von George Floyd deutlich gemacht, dass die westliche Welt ein schwerwiegendes Rassismusproblem hat. Tief in den gesellschaftlichen Strukturen verankert, spiegelt es sich deutlich in der Situation auf dem Mittelmeer oder in den Lagern an den europäischen Aussengrenzen wider. Wären es weisse Europäer*innen, welche zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken, hätte die europäische Gemeinschaft längst alles daran gesetzt, diese zu retten und die Ursachen zu bekämpfen. Black Lives Matter! Auch auf dem Mittelmeer!
Offener Brief zur Lage der geflüchteten Menschen in Griechenland
Sehr geehrte Damen und Herren Regierungsräte
«Jede Person kann einen Unterschied machen.» Dies sagte Regierungsrätin Michèle Blöchliger in ihrer Rede am Flüchtlingstag 2019 auf dem Dorfplatz in Stans. Anlässlich der humanitären Katastrophe, die sich am Rand Europas abspielt, erinnern wir uns an diese Worte und fragen,
was wir alle zur Linderung dieses Leids tun können. Unter prekären hygienischen Verhältnissen leben zurzeit über 42’000 geflüchtete Menschen, darunter viele Kinder, in mehreren drastisch überbelegten Lagern. Amnesty International, die Schweizerische Flüchtlingshilfe und über 100 andere Organisationen, sowie unzählige Menschen haben mit dem Osterappell «#Evakuieren JETZT» bereits den Bundesrat und das Parlament aufgefordert, sofort zu handeln. Auch wir können nicht länger untätig sein und fordern die Regierung Nidwaldens auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den geflüchteten Menschen in Griechenland dringend zu helfen.
Wir sind ein überparteiliches Komitee aus verschiedenen Parteien, Vereinen und Privatpersonen, welche die Vorkommnisse an den Grenzen Europas mit Entsetzen verfolgen. Wir glauben an die Solidarität einer weltoffenen Schweiz, welche nicht nur Wert auf eine wirtschaftliche, sondern auch auf die humanitäre Tradition legt und ihre Verantwortung in einer globalisierten Welt konsequent wahrnimmt. Wenn Menschen an den Grenzen unseres Wohlstandes sterben oder in unwürdigen Zuständen in Lagern leben, ist es unsere moralische Verpflichtung, diesen Menschen die Hand zu reichen und ihnen zu helfen. Machen wir dies nicht, zerstören wir das Fundament unserer Gesellschaft.
In der Schweiz verzeichnen wir gemäss Staatssekretariat für Migration die tiefste Anzahl Asylgesuche seit 2007. Dieser Rückgang und die Einführung der beschleunigten Asylverfahren hatten zur Folge, dass seit März 2019 erheblich weniger Menschen im Asylprozess auf die Kantone
verteilt wurden. In Nidwalden hatte dies zur Folge, dass 30 Plätze in Wohnungen und die Unterkunft im Hotel Alpina in Wolfenschiessen abgebaut wurden.
Die nachbarschaftliche Solidarität im Zuge der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass schnelle, unbürokratische Hilfe in Zeiten der Not möglich ist und grosse Veränderungen nicht immer Zeit brauchen: Menschen erledigen die Einkäufe Fremder, Kinder wurden über Wochen zu Hause
unterrichtet, Homeoffice ist plötzlich Normalität und Menschen hängen Taschen voller Essen an Zäune. All das wurde gemacht, um besonders gefährdete Menschen zu schützen. Diese Solidarität darf jedoch nicht an unseren Landesgrenzen enden.
Unsere bisherige Erfahrung mit Corona zeigte uns des Weiteren, dass eine Eindämmung des Virus nur unter Einhaltung der Distanzregeln in Verbindung mit Hygienemassnahmen möglich ist. Beides ist in den Lagern in Griechenland unmöglich umzusetzen – ein Ausbruch wäre fatal. Der Status Quo ist es auch!
Wir wissen, dass die Zuständigkeit für die Aufnahme von geflüchteten Menschen beim Bund liegt. 23 Kinder einzufliegen reicht jedoch bei weitem nicht! Um diese humanitäre Katastrophe einzudämmen, braucht es konkrete Massnahmen und es braucht ein Bekenntnis der Kantone.
Wir fordern die Regierung Nidwaldens auf…
– dem Bund Bereitschaft zu signalisieren, dass der Kanton Nidwalden geflüchtete Menschen aus den überfüllten Lagern in Griechenland aufnimmt.
– abzuklären und zu kommunizieren, wie viele geflüchtete Menschen der Kanton Nidwalden aufnehmen und im Kanton menschenwürdig betreuen kann.
Wir sind überzeugt, dass das Bekenntnis unserer Kantonsregierung zur Solidarität einen Unterschied macht.
Die Schweiz hat Platz! Nidwalden hat Platz! Wir haben Platz!
Freundliche Grüsse
Sandra Niederberger, SP Landrätin
Verena Zemp, Grüne Landrätin
Susi Ettlin, SP Landrätin
Daniel Niederberger, SP Landrat
Patrik Näpflin, Vize Präs. Bistro Interculturel
Lukas Moor, Koordinator Bistro Interculturel
sowie 50 Mitunterzeichnende
Am Dienstag wird die “Standesinitiative des Kantons Luzern zur Aufnahme von Menschen auf der Flucht” behandelt. Seit im März die Türkei die Grenzen zu Griechenland geöffnet hat, hat sich die Situation für die Menschen auf der Flucht keineswegs verbessert.
Zur Unterstützung der Forderung haben wir im Mai zusammen mit der JUSO Stadt Luzern eine Petition lanciert und waren am Tag der Einreichung vor dem Kantonsparlament mit einer Kunstinstallation anwesend, die einige der Zustände in den griechischen Lagern veranschaulichte. Über die Forderungen berichtete unter anderem Tele1.
Nachdem der Nationalrat grad die Motion “Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens” angenommen hat, muss sich auch Luzern solidarisch zeigen!
Der Nationalrat hat am Dienstag die Motion zur “Aufnahme von Flüchtlingen sowie Reform des Dublin-Abkommens” angenommen.
https://www.parlament.ch/…/amtliches-bulletin-die-verhandlu…
In insgesamt drei Petitionen fordern 50’000 Personen die Evakuierung von Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln. Sie verlangen eine sofortige Aufnahme von Geflüchteten durch die Schweiz. Die Petitionen von «Evakuieren Jetzt», von Amnesty International und vom Netzwerk Migrationscharta.ch werden gemeinsam am 23. Juni dem Bundesrat eingereicht.
Der Grosse Rat Bern lehnt in der Sommersession 2020 die dringliche Motion “Direktaufnahme von Geflüchteten an der EU-Aussengrenze” ab. Die Stimmverteilung: 65 Ja, 80 Nein, 4 Enthaltungen.