Logo Seebrücke Schweiz

Wegweiser Zürich

Unsere Wegweiser im öffentlichen Raum sollen im Stadtbild Aufmerksamkeit auf das Thema Flucht lenken und Menschen erreichen, die sich sonst nicht aktiv mit dem Thema beschäftigen. Sie schaffen eine Verbindung zwischen dem, was hier bei uns in der Nähe passiert und dem, was Menschen aus den Medien z.B. von den europäischen Aussengrenzen kennen. Denn: Das Thema Flucht geht uns hier vor Ort etwas an.

Die Pfeile mit Kilometerangaben zeigen auf Orte, an denen sich die Abschottungspolitik Europas in unserer unmittelbaren Nachbarschaft niederschlägt, z.B. Abschiebegefängnisse oder das Migrationsamt, wo Abschiebungen organisiert werden. Weitere Pfeile zeigen auch auf Orte, die weiter weg liegen und bekanntere Symbole für die europäische Abschottung sind, wie z.B. das Mittelmeer, die tödlichste Grenze der Welt.

Orte der europäischen Abschottung…

… in unserer unmittelbaren Nachbarschaft

Mittelmeer

Hier sind seit 2014 mehr als 25’000 Menschen gestorben.

Am 03. Oktober 2013 ertranken mindestens 359 Menschen bei einem einzigen Schiffsunglück in Sichtweite von Lampedusa. Die Tragödie schlug in der internationalen Presse hohe Wellen der Aufmerksamkeit und Empathie. Trotzdem ist das Mittelmeer fast zehn Jahre später noch immer eine der tödlichsten Grenzen der Welt. Allein im Jahr 2022 sind laut UNO 1’940 Menschen gestorben oder verschwunden. Seit 2014 ist die Zahl auf insgesamt über 25’000 Menschen gestiegen.

Menschen, die sich in seeuntüchtigen Booten auf den Weg nach Europa machen, tun dies aus den unterschiedlichsten Gründen. Was sie alle gemein haben: Niemand besteigt diese Boote freiwillig. Stattdessen sehen sich Menschen aufgrund fehlender sicherer Fluchtrouten und legaler Alternativen zur gefährlichen Reise über das Meer gezwungen. Viele von ihnen verschwinden spurlos auf der Überfahrt. Denjenigen, die ankommen, droht jahrelanges Warten in Lagern oder Kriminalisierung durch europäische Behörden.

Sowohl die hohen Zahlen der Ertrunkenen und Vermissten, als auch die menschenunwürdige Behandlung derer, die Europa erreichen, können verhindert werden. Tatsächlich hatte die EU in Folge der Katastrophe vor Lampedusa in 2013 die Seenotrettungsaktion Mare Nostrum ins Leben gerufen. Allerdings wurde die Mission nach nur knapp einem Jahr wieder eingestellt. Seither gibt es seitens der EU keine offiziellen Seenotrettungs-Missionen im Mittelmeer – ein Vakuum, das zivile Seenotrettungsschiffe versuchen zu füllen. Anstatt Unterstützung zu erhalten, werden sie hieran allerdings immer wieder von europäischen Nationalstaaten gehindert.

Das Massensterben im Mittelmeer kann durch eine einfache Massnahme beendet werden: Menschen sollen sich gar nicht erst auf den Weg über das Meer machen müssen. Seebrücke fordert daher legale Fluchtrouten und sichere Häfen.

Brüssel

Hier wird die sogenannte „libysche Küstenwache“ finanziert.

Bei Treffen im Februar 2017 beschlossen EU-Führungsspitzen der sogenannten „libyschen nationalen Küstenwache mehr Schulungen, Ausstattung und Unterstützung zur Verfügung zu stellen“. Ausgeführt wird diese „Unterstützung“ hauptsächlich durch die italienischen Behörden, die im Rahmen eines Memorandums mit der sogenannten „libyschen Küstenwache“ kollaborieren, welches in 2022 erneuert wurde. Seither erhielten libysche Akteure laut der Organisation Ärzte Ohne Grenzen Unterstützung im Wert von mehr als 30 Millionen Euro, unter anderem in Form von Ausrüstung und Militärschiffen.  

In der Praxis führen diese Abkommen zur europäischen “Grenzsicherung“ dazu, dass bisher zehntausende Menschen in den letzten sechs Jahren völkerrechtswidrig von libyschen Schiffen nach Libyen zurückgebracht wurden. Schutzsuchende Personen haben ein Recht darauf, in ein sicheres Land gebracht zu werden. Was Menschen, die in libyschen Lagern festgehalten werden, stattdessen droht, ist lange bekannt: Folter, Zwangsarbeit und Vergewaltigungen. Dies führt immer wieder dazu, dass Menschen, die aus Seenot gerettet werden, beim Anblick der libyschen Boote panisch ins Wasser springen. Die Besatzungen der libyschen Schiffe scheuen sich auch nicht davor, zur Waffe zu greifen. Immer wieder kommt es auf See zu gefährlichen Konfrontationen zwischen der sogenannten „libyschen Küstenwache“ und zivilen Seenotrettungsschiffen sowie zur Behinderung von Rettungseinsätzen. 

Durch den Ausdruck sogenannte „libysche Küstenwache“ wollen wir daran erinnern, dass es sich hier um einen Akteur handelt, der sich jeglicher Verantwortlichkeit und Legitimation entzieht. Deshalb fordert die Seebrücke gemeinsam mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, dass die europäische Finanzierung der „libyschen Küstenwache“ umgehend gestoppt werden muss.

Warschau

Hier ist der Hauptsitz der gewalttätigen Grenzagentur Frontex.

Frontex ist die europäische Agentur für Grenzschutz und Küstenwache, die 2004 mit dem Ziel gegründet wurde, die EU-Aussengrenzen zu „schützen“. Frontex wird aus dem EU-Haushalt finanziert, sowie durch Beiträge assoziierter Schengen-Länder. Die Schweiz unterstützt die Agentur bis 2027 mit 61 Millionen Franken – trotz eines breit abgestützten Referendums gegen die Finanzierung von Frontex. Gesteuert werden die Frontex-Einsätze aus dem Hauptsitz in Warschau. 

Hauptziel der Frontex-Einsätze ist vor allem der sogenannte „Grenzschutz“. Im Kontext Mittelmeer beobachten sie die Migrationsrouten vor allem aus der Luft. Anstatt Menschenleben zu retten oder zivile Seenotrettungsschiffe über Notfälle zu informieren, kollaborieren sie lieber mit der sogenannten „libyschen Küstenwache“. Sie sind somit in Menschenrechtsverletzungen involviert und verstossen gegen internationales Seerecht. Wie kürzlich bekannt wurde, war Frontex in verschiedene Skandale wie zum Beispiel Pushbacks im Ägäischen Meer verwickelt. Bei einem Pushback werden Menschen illegal über eine Grenze zurückgedrängt, ohne ihr Recht auf das Stellen eines Asylgesuches nutzen zu können.

Neben den gewaltsamen Konsequenzen die Pushbacks und Frontex‘ Kollaboration mit der libyschen Küstenwache im Mittemeer für die Menschen hat, die in libysche Lager zurückgebracht werden, hat Frontex ein strukturelles Problem: Die Aktivitäten der Agentur fördern ein rassistisches Narrativ, in dem Migration grundsätzlich als Bedrohung dargestellt wird. Die Seebrücke unterstützt daher Kampagnen wie No Frontex und Abolish Frontex und fordert: Die Organisation muss ganz abgeschafft werden. 

Rom

Zentrale Seenotrettungsleitstelle MRCC schaut häufig weg

Obwohl sich die Stadt nicht direkt am Meer befindet, spielt Rom eine zentrale Rolle beim täglichen Sterbenlassen im Mittelmeer. Zum einen befindet sich hier ein MRCC (Maritime Rescue Coordination Centre) – eine Leitstelle für die Koordination von Seenotrettungen im zentralen Mittelmeer. Hier werden zum Beispiel Entscheidungen darüber getroffen, welche Schiffe für bestimmte Rettungen verantwortlich sind. 

Das Civil MRCC, ein zivilgesellschaftliches Netzwerk, welches die Arbeit der europäischen MRCCs im Mittelmeer beobachtet, findet allerdings immer wieder Beweise dafür, dass Rettungen verspätet eingeleitet werden oder dass MRCCs in illegale push- oder pull-backs verwickelt sind. In solchen Fällen delegiert das MRCC in Rom Rettungen beispielsweise an die sogenannte „libysche Küstenwache“, welche die Menschen in Seenot dann illegal zurück nach Libyen bringt und entzieht sich dabei gleichzeitig seiner eigenen Verantwortlichkeit.

Zum anderen führen die Entscheidungen migrationsfeindlicher Politiker*innen in Rom, darunter vor allem Matteo Salvini’s Regierung und die aktuelle Premierministerin Giorgia Meloni, dazu, dass die Arbeit ziviler SeenotretterInnen gewollt behindert wird und Menschen auf der Flucht kriminalisiert werden. Unter Salvini wurde zivilen Seenotrettungsschiffen immer wieder über Tage die Einfahrt in italienische Häfen verweigert – eine Praxis, für die er sich 2019 vor Gericht verantworten musste. Unter Melonis Innenminister Piantedosi gibt es nun einen neuen Erlass, der anderweitig versucht Seenotrettungsschiffe bei ihrer Arbeit zu hindern und geflüchtete Menschen weiteren Strapazen auszusetzten, indem ihnen beispielsweise ein unverhältnismässig weit entfernter Hafen zugewiesen wird.

Unser Wegweiser zeigt exemplarisch nach Rom um aufzuzeigen, dass das Sterben im Mittelmeer politisch ist – und dass Regierungen europäischer Nationalstaaten hierfür die Verantwortung tragen. Es sind aktive Entscheidungen von Politiker*innen und populistische Rhetorik, die dazu führen, dass Menschen ertrinken und selbst bestehende internationale See- und Menschenrechtskonventionen missachtet werden.  

Polnisch-belarussische Grenze

Eine europäische Mauer gegen Migrant*innen

Seit Winter 2021 stecken tausende Migrant*innen an der polnisch-belarussischen Grenze fest. Von Belarussischer Seite werden sie nach Polen getrieben, von Polen aus mittels illegaler Pushbacks nach Belarus zurück. Zusätzlich zu diesem Zurückdrängen der Fliehenden gibt es viele Berichte über Gewalt, vermisste Personen und auch über Tote. Menschen auf der Flucht sind neben der Gewalt durch sogenannte “Grenzschützer*innen” auch Hunger und Kälte ausgesetzt. Die polnische Regierung hat an der rund 400km langen Grenze ein 3km breites Sperrgebiet errichtet, in dem sich keine Presse und NGOs frei bewegen dürfen. Sie zeigt mit dieser Massnahme und auch mit deutlichen Äußerungen, dass sie eine harte Linie verfolgt und keine Menschen aufnehmen möchte. Deshalb wurde auch Beginn 2022 der Bau eines fast 200km langen Grenzzauns begonnen.

Polen schafft also einen Raum, in dem nicht unabhängig überprüft werden kann, wie sich “Grenzschützer*innen” verhalten. Gepaart mit den Informationen und Bildern von verprügelten, bewusstlosen, erfrorenen und hungernden Menschen, die uns erreichen, ist diese Entwicklung zutiefst besorgniserregend. Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze ist beispielhaft für den gewaltvollen Umgang mit Migrant*innen an den europäischen Landgrenzen. Wir wollen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füssen getreten werden, und zeigen deshalb auch mit unseren Wegweisern auf die polnisch-belarussische Grenze.

Moria

In den Lagern an den europäischen Aussengrenzen bleiben Migrant*innen für uns unsichtbar

Stellvertretend für viele andere Lager steht das Geflüchtetenlager Moria auf Lesbos. Tausende Menschen leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern an den EU-Aussengrenzen: Auf den griechischen Inseln, der “Balkanroute” oder den kanarischen Inseln. Die Lager sind überfüllt, es gibt viel zu wenig sanitäre Anlagen, kaum medizinische Versorgung. Die Menschen müssen dort in Zelten oder im Freien schlafen, werden monate- oder jahrelang ohne Perspektive festgehalten. Das liegt nicht an fehlenden Ressourcen oder Möglichkeiten, sondern ist gewollte europäische Politik, die für diese katastrophalen Bedingungen verantwortlich ist. 

In Moria lebten 2020 zeitweise rund 16’200 Menschen in einem Camp, das für 3’000 Personen ausgelegt war. „Im Durchschnitt müssen sich bis zu 160 Menschen eine Toilette teilen“, sagte Florian Westphal von Ärzte ohne Grenzen in einem Interview. Rund 250 Menschen nutzten eine einzige Dusche. Die medizinische Versorgung ist unzumutbar: In Moria kamen auf die 16’200 Geflüchteten gerade einmal drei Ärzt*innen, acht Krankenpfleger*innen und zwei Hebammen. Die Menschen in den Lagern auf den griechischen Inseln warten Monate, manchmal Jahre auf den Beginn ihres Asylverfahrens und dürfen währenddessen die Inseln nicht verlassen. Viele der Menschen haben in der Vergangenheit Traumatisches erlebt. Die erbärmlichen Lebensbedingungen, Ausweglosigkeit und mangelnden Informationen verstärken psychische Probleme. 

Im September 2020 ist das Flüchtlingslager Moria abgebrannt und knapp 13’000 Menschen, die zu diesem Zeitpunkt im Camp lebten, verloren auch dieses Obdach. Die Behörden bauten ein neues provisorisches Camp auf: Kara Tepe. Dort sind die Lebensbedingungen nicht besser, die Lagerstrukturen immer gefängnisähnlicher. Es gibt kaum Strom, keine Heizung, mehrmals wurde das Lager bei Regen überflutet. 

Nach dem Brand in Moria ist die mediale Aufmerksamkeit rund um die Lager an den EU-Aussengrenzen abgeflacht. Wir fordern weiterhin die sofortige Evakuierung der Lager und eine menschenwürdige Unterbringung für alle. Deshalb zeigt ein Pfeil unserer Wegweiser auch Richtung Moria. 

Bihać

In die bosnische Stadt werden Migrant*innen zurückgedrängt.

Bihać ist eine Stadt im Nordwesten Bosnien und Herzegowinas, die nur wenige Kilometer von der Kroatischen Grenze entfernt ist und wichtiger Punkt entlang der sogenannten Balkanroute ist nach Italien ist. Der Versuch die Grenze zu überqueren wird von Menschen auf der Flucht selbst “The Game” (das Spiel) genannt. The Game, weil es so willkürlich ist, ob der Weg bis nach Italien geschafft wird oder nicht. Ein Grund dafür ist die Praxis von Pushbacks, die systematisch an der italienisch-slowenischen, der slowenisch-kroatischen und der kroatisch-bosnischen Grenze durchgeführt wird. Menschen werden durch physische, sexuelle, psychische Gewalt von “Grenzschützer*innen” daran gehindert ihr Recht, ein Asylgesuch zu stellen, wahrzunehmen und in das vorherige Transitland zurück gedrängt (siehe z.B. Border Violence Monitoring Network). 

Ausserhalb von Bihać liegt das Camp Lipa. Neben den sowieso schon prekären Bedingungen,  geben auch jüngste Entwicklungen im Lipa Camp Anlass zur Besorgnis: Bosnien verhandelt zur Zeit aktiv über Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern und eine engere Zusammenarbeit mit Frontex, Eurojust und Europol. Auch ist das kürzlich stark in der Kritik stehende ICMPD (Internationales Zentrum für die Entwicklung der Migrationspolitik) in die Camplogistik involviert. Laut eigenen Angaben wurde es mit dem Bau einer abgesonderten, umzäunten Containeranlage als Erweiterung des Camps beauftragt.  Wichtig zu wissen ist, dass es sich beim ICMPD um einen östereichischen Think Tank handelt, der vom ultrakonservativen ehemaligen Vize-Kanzler Michael Spindelegger geleitet wird. Im Rahmen dieses Baus stellt die EU dem Camp 500’000 Euro zur Verfügung. 

Es gibt Stimmen, die in dem Bau dieser abgesonderten Containereinheit bereits die Ausführung der “Rückübernahmeabkommen” sehen. Berichte von zivilgesellschaftlichen Organisationen belegen, dass seit April 2023 mehr als 1000 Menschen von Kroatien mit Bussen direkt in diesen Teil des Camps gebracht wurden. Auch besteht die Befürchtung, dass ein Teil des neugebauten Camps für Auschaffungen gebraucht werden könnte.  

Menschen dürfen nicht eingesperrt werden, nur weil sie Gebrauch von ihren grundlegenden Rechten machen wollen. Jedem Mensch muss die Möglichkeit garantiert werden einen Asylantrag zu stellen!

Genf

Hier wurde die humanitäre Verantwortung der Schweiz gesetzlich verankert.

Die Stadt Genf spielt in der Geschichte der Seenotrettung aus mehreren Gründen eine zentrale Rolle. Zum einen wurde hier am 28. Juli 1951 das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ unterzeichnet, das bis heute gilt. Seither ist die Genfer Flüchtlingskonvention eines der wichtigsten rechtlichen Dokumente zum Schutz der Rechte von Geflüchteten weltweit. Einer der wichtigsten Aspekte ist das „Prinzip der Nicht-Zurückweisung“ in Artikel 33, demzufolge keine geflüchtete Person in ein Land zurückgebracht werden darf, in dem ihr Leben und ihre Freiheit in Gefahr sein könnten[i] – ein Prinzip, dass z.B. die europäische Kooperation mit der sogenannten „libyschen Küstenwache“ bricht.

Das UNHCR bezeichnet sich selbst als „Hüter“ der Genfer Flüchtlingskonvention“. Tatsächlich aber haben Geflüchtete immer wieder dagegen protestiert, dass sich das UNHCR nicht angemessen um die Rechte geflüchteter Menschen kümmert. Die Organisation Refugees in Libya und Unterstützer*innen der UNFAIR-Kampagne beispielsweise kritisieren, dass das UNHCR immer wieder sein eigenes Mandat vergisst und stattdessen zum Instrument staatlicher „Grenzsicherungs“- und „Migrations-Management“- Massnahmen wird[ii].

Neben der Geburtsstadt der Flüchtlingskonvention ist in Genf auch das heute gültige internationale Seenotrettungsrecht in die Wege geleitet worden. 1958 wurde die Rettung aus Seenot in der Genfer Konvention für die Hochsee erstmals festgeschrieben. Bis heute ist sie als Pflicht in verschiedenen Rechtstexten verankert[iii]. Unser Wegweiser nach Genf erinnert daran, dass auch die Schweiz dafür verantwortlich ist, dass Menschenrechte auf See und an Land respektiert und umgesetzt werden!

BAZG

Das Schweizer Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit  kooperiert mit Frontex 

BAZG ist die Abkürzung für  Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, das dem Eidgenössischen Finanzdepartement unterstellt ist.  Das BAZG überwacht und kontrolliert den Personen- und Warenverkehr über die Zollgrenze. Mit anderen Worten: Das BAZG beabsichtigt, “irreguläre Migration zu bekämpfen”. Tatsächlich gibt es aber für viele Menschen keinen “regulären” bzw. legalen Weg nach Europa zu kommen.

Mit dem Schengen-Beitritt der Schweiz 2008, wurden die Aktivitäten von den Grenzwachtkorps (GWK) ins Landesinnere verlegt. Nicht nur im grenznahen Gebiet, sondern auch im internationalen Zugverkehr führt die GWK Kontrollen durch, die zum Ziel haben «illegal» eingereiste und sich «illegal» in der Schweiz aufhaltende Personen ausfinding zu machen. Diese Praxis führt dazu, dass Menschen aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale kontrolliert werden (Racial Profiling).

2022 fand eine grössere Zollreform und Umstrukturierung statt, die zur Folge hatte,  dass die Aufgabenbereiche der Zollbeamit*innnen und Grenzwächter*innen verschmolzen. Das BAZG wurde vollständig uniformiert und bewaffnet und erhielt alle Kompetenzen einer Polizeieinheit. So könnte die neue Polizei bei grenzüberschreitender Kriminalität, Geldwäscherei und «illegaler Migration» aktiv werden und hätte prinzipiell weitreichende Überwachungs- und Zwangsmassnahmenkompetenzen. Und sie erhielt dank einer Generalklausel im Gesetz praktisch unbeschränkte Kompetenzen zur Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten – etwa zu Religionszugehörigkeit, politischer Gesinnung und selbst dem Gesundheitszustand. Insbesondere die Erhebung sensibler Daten führt wiederum zu Racial Profiling.

Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit ist hauptverantwortlich für die Zusammenarbeit der Schweiz mit der “Grenzschutzagentur Frontex”. Es schickt “Grenzschützer:innen” in den Frontex-Einsatz, vertritt die Interessen der Schweiz im Frontex-Verwaltungsrat und ist ans Überwachungsnetzwerk von Frontex angeschlossen. Im Schnitt leisteten Mitarbeitende des BAZG jährlich rund 1400 Einsatztage für Frontex. Auch hatten einzelne Mitarbeitende des BAZG vollen Einblicke in den OLAF-Bericht (Office de Lutte Anti-Fraude; europäisches Amt für Betrugsbekämpfung). Der Bericht belegt unter anderem, dass Führungskräfte bei Frontex absichtlich Pushbacks durch griechische “Grenzschützer:innen” verschleiert haben. Das BAZG vertuschte jedoch sein Wissen über den Bericht und weigerte sich diesen zu veröffentlichen, insbesondere während der No-Frontex-Kampagne. 

Wir fordern gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Abolish Frontex:  Die Offenlegung des OLAF-Untersuchungsberichts und der Rolle der Schweiz beim Vertuschen von illegalen Pushbacks durch den Frontex-Verwaltungsrat. Den sofortigen Stopp der personellen und finanziellen Beteiligung der Schweiz an Frontex. Die Abschaffung von Grenzen. Das aktive Bekämpfen von Fluchtursachen und das Schaffen von sicheren Migrationsrouten. Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle!

SEM

Das Staatssekretariat für Migration trifft alle Asylentscheidungen.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist in der Schweiz für das gesamte Asylverfahren verantwortlich. Das beinhaltet den Asylentscheid, die Unterbringung in den Bundesasylzentren und Abschiebungen in die Herkunfts- oder Drittstaaten.

Das SEM entscheidet, ob ein Asylgesuch angenommen wird und was für einen Aufenthaltsstatus Migrant*innen erhalten. Sie ordnen Abschiebungen bei einem negativen Asylentscheid an, die das kantonale Migrationsamt dann zusammen mit der Polizei durchführt.

Das SEM ist auch verantwortlich für die Einschätzung von Ländern als sichere Herkunftsländer oder Drittländer. Sobald Länder als sichere Herkunftsländer eingestuft sind, können Menschen bei negativem Asylentscheid in Länder zurückgeschafft werden, aus denen sie geflüchtet sind.

Falls Geflüchtete bereits in einem anderen europäischen Land registriert wurden, können sie im Rahmen des Dublin-Abkommens in diese Länder zurückgeschafft werden, wenn diese als sichere Drittstaaten gelten. Als sicher wird zum Beispiel auch Kroatien eingestuft, obwohl es dort nachweislich Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegenüber Geflüchteten gibt. Auch Menschen, die Gewalt und Folter durch Behörden und Polizei in Kroatien erfuhren, wurden vom SEM dahin abgeschoben, obwohl diese Asylverfahren von der Schweiz übernommen werden könnten. Auch die Türkei wird als sicheres Land für Ausschaffungen eingestuft, auch z.B. für Kurd*innen, die in der Türkei ebenfalls mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sind und wodurch die Türkei kaum ein sicheres Herkunfts- oder Drittland darstellt.

Als übergeordnete Instanz zu den Bundesasylzentren ist das SEM verantwortlich für die darin herrschenden Zustände. Übermässige Kontrollen durch schlecht ausgebildete Sicherheitskräfte, Isolation, harte Strafen und Gewalt gegenüber Geflüchteten (oder wie das SEM beschönigend sagt: “Deeskalation”) gehören bewusst zur Tagesordnung.  Erst nach umfassenden Recherchen durch Medien wurde eine Untersuchung wegen der Gewalt eingeleitet und daraufhin eine vom SEM abhängige Beschwerdestelle eingesetzt.

Seit Jahren wehrt sich das Staatssekretariat für Migration zudem gegen die Aufnahme von zusätzlichen Geflüchteten. Einerseits werden Forderungen von zahlreichen Städten abgelehnt, mehr Menschen aufnehmen zu dürfen. Das SEM hält dies für “nicht zielführend”.  So wurden auch nach dem Brand in Moria Ausreden gefunden, weshalb man nicht mehr als 20 unbegleitete minderjährige Asylsuchende aufnehmen kann, obwohl allein die Stadt Zürich 800 Menschen aufnehmen wollte.

Andererseits wird die Aufnahme von Geflüchteten stets als Ausnahme und nicht als Regel geplant, sodass permanent zu wenig Plätze für deren Unterbringung bestehen und so wird die Situation regelmässig als “Notlage” inszeniert, selbst wenn die Zahlen zurückgegangen sind.

Wir fordern die Abschaffung von Lagern und menschenwürdige Unterkünfte für Geflüchtete. Ohne Isolation, Diskriminierung, Gewalterfahrungen oder massive Einschnitte in die Freiheit der Migrant*innen!

Migrationsamt

Die kantonale Behörde setzt Asylentscheide durch.

Weitere Inhalte in Kürze.

Bundesasyllager

Seit 2019 werden asylsuchende Personen in sogenannten «Bundesasylzentren» (BAZ) zwangsweise untergebracht. Zu unterscheiden sind drei verschiedene Arten von Zentren. Zum einen diejenigen „mit Verfahrensfunktion“, in denen alle Personen, die ein Asylgesuch stellen, zunächst untergebracht werden. Zum anderen diejenigen „ohne Verfahrensfunktion“, die bezeichnenderweise den mit Abstand grössten Teil der Zentren stellen. Das sind die Zentren mit „Warte- und Ausreisefunktion“, das heisst hier werden Menschen teils monatelang bis zu ihrer (gewaltsamen) Ausschaffung festgehalten. Bei der dritten Art des BAZs handelt es sich um “besondere Zentren”, in denen Menschen untergebracht werden, die die Behörden als gefährlich oder renitent einstufen.

In den Lagerstrukturen gelten strikte Ausgangszeiten, permanente Eingangskontrollen und ein umfassender staatlicher Zugriff auf die Privatsphäre der Menschen. Machtmissbrauch von Mitarbeitenden in den Lagern wird nicht geahndet. Die Lager sind für die Zivilgesellschaft und die allgemeine Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglich. Für die Menschen in den BAZ gelten besondere Gesetze und Rechte. In den BAZ werden asylsuchende Menschen vom Rest der Gesellschaft isoliert und räumlich konzentriert. Sie sind Elemente der europäischen Abschottungspolitik in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Als Seebrücke lehnen wir die Unterbringung von Menschen in Lagern ab und fordern, ein menschenwürdiges Ankommen zu gewähren.

Weitere Informationen zum Leben im BAZ findest du hier:

Bundesasylzentrum Zürich

Hier leben Asylsuchende in Halbgefangenschaft.

Im BAZ Zürich leben bis zu 360 Erwachsene, Familien, aber auch unbegleitete Minderjährige während ihres laufenden Asylverfahrens. Das Gebäude ist wie ein Gefängnis aufgebaut und so werden die dort untergebrachten Menschen auch wie Insass*innen eines Gefängnisses behandelt. 

Die Sicherheitsbestimmungen sind sehr hoch und das Leben prekär. Dies zeigt sich unter anderem bei den sanitären Anlagen. Die Toiletten sind wie Plumpsklos aufgebaut, so dass die Menschen ihr Geschäft in der Hocke erledigen müssen. Drei schmale Kajütenbetten und sechs Garderobenschränke sind die einzige Möblierung, die im Zimmer zulässig ist. Privatsphäre gibt es nicht: Auch nachts können die Zimmertüren nicht abgeschlossen werden, Mitarbeitende dürfen die Zimmer jederzeit betreten. 

Die Bewohnenden dürfen das Lager zwischen 20 Uhr und 8 Uhr nicht verlassen. Bei jedem Einlass werden sie einer entwürdigenden Ganzkörperkontrolle unterzogen. Viele Nahrungsmittel dürfen nicht ins Lager gebracht werden. Selbst für «erlaubtes» Essen wird eine Quittung verlangt, um sicherzustellen, dass nichts gestohlen ist. Kommen in Zürich Bewohner*innen nach 20 Uhr zurück, erhalten sie keinen Zutritt mehr zu ihrem Zimmer und werden gezwungen, in einem Notschlafraum beim Eingang zu übernachten. Eine kleine Verspätung reicht aus und eine Person erhält kein Mittag- oder Abendessen mehr. 

Zum Weiterlesen:

Bundesasylzentrum Embrach

Hier wird systematisch Gewalt gegen Geflüchtete ausgeübt.

Im Bundesalyllager Embrach werden bis zu 360 Menschen isoliert untergebracht, die sich nicht mehr im Asylverfahren befinden. Sie haben nur wenige Kontaktmöglichkeiten zum Rest der Bevölkerung und fast keine Mittel, den Ort zu verlassen. Es gelten strenge Ausgangszeiten, die Bewohnenden müssen sich bei jedem Eintritt anmelden. Wie vielerorts ist das Mitführen von verderblichem Essen verboten, was mit Hilfe von Ganzkörperkontrollen beim Betreten der Anlage durchgesetzt wird. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag mit einem Abendessen um 18:00 Uhr, und wer danach noch Hunger hat, hat Pech. Denn wie in allen Bundeszentren ist das Verlassen der Anlage am Abend nicht mehr erlaubt. Üblich sind Öffnungszeiten von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Danach hindern private Securitas-Mitarbeiter*innen und Stacheldraht die Personen daran, das Gelände zu verlassen. Die hier untergebrachten Personen leben in Halbgefangenschaft. So können Landesverweise möglichst effizient vollstreckt werden oder die Menschen werden so lange zermürbt, bis sie ‚freiwillig‘ ausreisen. Das BAZ Embrach steht seit Jahren für seinen repressiven und gewaltvollen Umgang mit den dort untergebrachten Menschen in der Kritik. In einem der bekannt gewordenen gewalttätigen Übergriffe vom Januar 2020 brechen Securitas-Mitarbeitende einem Bewohner den Kiefer.

Vom Leben im BAZ berichtet die Recherchegruppe Embrach:

Flughafengefängnis Zürich

Von hier werden Menschen ausgeschafft.

Beim Zürcher Flughafen befindet sich das Ausschaffungsgefängnis (“Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft”), in welchem Personen mit negativem Asylentscheid oder Personen, die ohne Papiere in der Schweiz leben, festgehalten werden. Sie haben sich keines Vergehens schuldig gemacht, ausser dem “rechtswidrigem Aufenthalt” in der Schweiz. Die Administrativhaft bezweckt damit nicht die Sanktionierung oder Untersuchung einer Straftat. Trotzdem bewirkt sie einen Freiheitsentzug und damit einen erheblichen Grundrechtseingriff nach der Schweizerischen Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Ziel der Administrativhaft ist die Ausschaffung dieser Personen in ihr Herkunftsland, das sie aus Gründen verlassen haben, oder ein gemäss Dublin-Verordnung (Fingerabdrücke) zuständiges Land in Europa. Dafür können die Menschen bis zu 18 Monaten ihrer Freiheit beraubt werden. Die Lebensbedingungen in Ausschaffungshaft sind ähnlich prekär wie in regulären Gefängnissen. Die Tage sind strikt strukturiert. Zwar dürfen die Zellen verlassen werden, Spaziergänge sind jedoch lediglich in den engen Mauern des Innenhofs möglich. Der Zugang zum Internet ist stark limitiert. Die Besuchszeiten beschränken sich auf Wochentage, Besucher*innen müssen sich registrieren und 5 Arbeitstage auf die Überprüfung des Besuchsantrags warten. Insgesamt sind die Inhaftierung und Isolation für die betroffenen Personen psychisch extrem belastend.

Kritik und Alternativen zur ausländerrechtlichen Administrativhaft fasst die Rechtsberatung Asylex zusammen:

Beispiel einer unrechtmässigen Inhaftierung:

Bunker Urdorf

Hier werden Menschen unterirdisch untergebracht.

Der Bunker Urdorf ist eine ehemalige Zivilschutzanlage, die als Nothilfelager für geflüchtete Personen genutzt wird, deren Bleiberechtsantrag in der Schweiz abgelehnt wurde. Eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer ist jedoch aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Einige Menschen dürfen die Gemeinde, in der ihr Nothilfe-Lager liegt, nicht verlassen. Sie leben in ständiger Angst, wegen ihres ungesicherten Aufenthaltsstatus ins Gefängnis zu kommen. Für ihren Lebensunterhalt erhalten sie 8.50 Franken am Tag. Arbeiten und selbst für sich sorgen dürfen diese Menschen nicht. 

Im Bunker des kantonalen Nothilfelagers teilen sich die Bewohnenden unterirdisch und auf engstem Raum sechs Schlafräume, einen Aufenthaltsraum, eine kleine Küche, drei Toiletten und eine Dusche. Es gibt keine Privatsphäre, kein Tageslicht und keine frische Luft. Viele Bewohnende leiden unter psychischen und körperlichen Beschwerden. Das Nothilfelager in Urdorf ist das letzte im Kanton Zürich, das in einem Bunker unter der Erde liegt. Zu den Kantonen, die ebenfalls Bunker als Nothilfe-Unterkünfte nutzen, zählt auch Bern. Dauerhaft und ohne Perspektive an einem Ort zu wohnen, der eigentlich für Kriegssituationen gedacht ist, widerspricht geltendem Menschrecht.

Wir lehnen diese Form der Unterbringung klar ab und fordern, allen Menschen ein würdiges Leben und Perspektiven zu ermöglichen.

Reportage “Leben im Bunker”:


Unterstütze die Wegweiser-Aktion der Seebrücke Schweiz

Du hast einen Standort für einen Wegweiser oder eine Idee, wo er gut aufgehoben wäre?

Schreib uns an schweiz@seebruecke.org.

Du möchtest einen Wegweiser sponsern?

Die Materialkosten pro Wegweiser betragen 50 Fr. Wir freuen und über eine Spende: https://seebruecke.ch/spenden/ und danken allen (Dauer-) Spender*innen für die Ermöglichung unserer Projekte.