Logo Seebrücke Schweiz

Offener Brief zur Evakuierung Morias

1. October 2020
Presse


An
Karin Keller-Sutter
Bundesrätin
Bundeshaus West
3003 Bern​



Offener Brief der SEEBRÜCKE Schweiz

Bern, 25. September 2020

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Keller-Sutter,

Die katastrophale Situation im Geflüchtetenlager Moria war schon lange vor dem Brand Anfang September bekannt. Denn während Schutzsuchende gezwungen wurden, ohne Hoffnung in menschenunwürdigen Verhältnissen zu leben, verschloss die Politik in Europa und in der Schweiz die Augen und stritt jegliche Verantwortung ab. Nachdem die Situation sich durch den Brand noch einmal verschlimmert hat, ist es unverantwortbar, nicht zu handeln.


Auch die Schweiz sollte sich hier angesprochen fühlen, denn seit 2008 profitiert sie von der Dublin Verordnung und ihrer geographischen Lage im Zentrum Europas ohne europäische Aussengrenzen. Dazu kommt, dass die Zahl der eingehenden Asylanträge bereits seit fünf Jahren sinkt. Während
2015 noch knapp 40.000 Menschen in der Schweiz Asyl beantragten, sind es in diesem Jahr kaum noch 10.000. Das ist ein Rückgang von mehr als 75%.

Diesen Rückgang sehen auch die acht grössten Städte der Schweiz, die sich bereits seit längerem beim Bund dafür einsetzen, mehr Menschen in ihrer Mitte willkommen zu heissen, als es eigentlich der Verteilungsschlüssel vorsieht. Die Antwort vom Bund lautete, dass die Kapazitäten nicht
vorhanden seien. Aber weiss nicht jede Stadt oder jede Gemeinde selbst am besten, wie es in den jeweiligen Asylzentren aussieht, was also wirklich die Kapazitäten sind?


Sehr geehrte Frau Bundesrätin, wenn sich die acht grössten Schweizer Städte bereit erklären, mehr Menschen aufzunehmen, dann meinen sie es auch so. Dann ist das nicht nur eine Überlegung am Rande des Geschehens. Dann sollten auch die Kompetenzen des Bundes dieser Entscheidung nicht
im Wege stehen, denn letztendlich werden das Willkommenheissen und die Unterbringung auch nicht vom Bund übernommen. Asylpolitik funktioniert nicht allein von oben. Gemeinden und Kantone sollten unbedingt mit einbezogen und respektiert werden.


Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, Ihre derzeitige Asylpolitik zu überdenken und sich zu fragen, ob es nicht einfach eine Selbstverständlichkeit sein sollte, in dieser humanitären Notsituation zu
handeln. Holen Sie Menschen aus den griechischen Lagern zu uns in die Schweiz, dorthin wo Kapazitäten vorhanden sind! Bieten Sie Menschen die Möglichkeit, ein Dach über dem Kopf zu haben und sich effektiv vor Covid-19 schützen zu können! Haben Sie Mut ihrer menschlichen Verantwortung nachzukommen und solidarisch mit all unseren Mitmenschen zu sein!


Freundliche Grüsse
SEEBRÜCKE Schweiz