2012 wurde der einzige sichere Fluchtweg in die Schweiz abgeschafft, das Botschaftsasyl. Tausende Tote und unzählige Gewalterfahrungen an den Grenzen später wurde die Wiedereinführung gefordert – und nun abgelehnt. Die angepriesenen Alternativen wie die Erteilung von humanitären Visa oder das Resettlement bleiben sogar hinter den selbst gesteckten Quoten des Parlaments zurück.
Das Botschaftsasyl erlaubte es Menschen, ausserhalb der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen, welches dann von den Behörden geprüft wurde. Es wurde mit der Begründung abgeschafft, dass es diese Möglichkeit nur in der Schweiz, nicht aber in anderen europäischen Staaten gäbe. Die Rede ist von einer «Sogwirkung», die man auf keinen Fall (wieder) riskieren könne und von genügend anderen Möglichkeiten, zum Beispiel mit einem humanitären Visum oder via Resettlement-Programm in die Schweiz zu gelangen. Praktisch hatte die Abschaffung des Botschaftsasyls aber zur Folge, dass Menschen bis heute nur auf Schweizer Boden ein Asylgesuch stellen können. Der Weg dahin ist illegalisiert und lebensgefährlich.
Ein humanitäres Visum zu erhalten ist mit grossen Hürden verbunden. Eine Person muss in ihrem Herkunftsstaat «unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet» sein, einen Bezug zur Schweiz, Integrationsaussichten und keine Möglichkeit haben, in einem anderen Land Schutz zu suchen. Ein kollektiver Fluchtgrund, wie Bedrohung durch Krieg oder Hunger reicht nicht aus. Und das muss dann das SEM auch noch so beurteilen. Zudem muss man einen Antrag in einer Schweizer Botschaft stellen, die es nicht in jedem Land gibt und die für viele Menschen nicht erreichbar ist. 2020 wurden entsprechend auch nur 296 humanitäre Visa ausgestellt.
Ähnlich eng sind die Resettlement-Möglichkeiten. Seit 2019 werden immer für 2 Jahre Aufnahmequoten festgelegt. Bisher betrug die Zahl 1’600 Personen pro zwei Jahre, die von der UNHCR vorausgewählt und vorgeschlagen werden. Dazu muss ihre Flüchtlingseigenschaft schon anerkannt und ebenfalls eine Integrationsbereitschaft in der Schweiz zugesagt sein. 2020/21 wurde diese sowieso schon sehr tiefe Quote nicht erfüllt. Lediglich 1’380 Menschen konnten innerhalb von zwei ganzen Jahren via Resettlement in die Schweiz kommen. Allein aus Afghanistan suchen nach der Machtergreifung der Taliban tausende Menschen Schutz. Resettlement-Plätze der Schweiz für Menschen aus Afghanistan 2021: 219.
In Afghanistan wie an so vielen anderen Orten wolle man lieber vor Ort helfen. Die Gelder, die meist aus dem Topf der Entwicklungszusammenarbeit fliessen, sind immer häufiger an Migrationsabkommen und Abschottungsmassnahmen geknüpft. Die Herkunftsländer sollen aktiv dafür sorgen, dass sich Menschen nicht auf den Weg nach Europa machen, um dort dann ein Asylgesuch stellen zu können. Denn: Eine wirtschaftlich bessere Situation der Menschen führt nicht zwingend dazu, dass sie in ihrem Herkunftsland bleiben wollen. Vielmehr gibt es vielen Menschen erst die Chance, sich Flucht oder Migration nach Europa leisten zu können.
Die offizielle Schweiz wiederholt immer wieder mantraartig zwei Kernargumente: “Es gibt genügend Möglichkeiten, auf sicherem Wege ein Asylgesuch in der Schweiz zu stellen.” Und: “Wir können nicht mehr machen, sonst stehen wir in Europa allein da.” Beide Aussagen werden durch ihre Wiederholung nicht wahrer. Beide Narrative lassen sich verändern. So wie eine andere Schweizer Politik möglich ist, wenn man dann will, so ist auch eine andere europäische Politik möglich. Eine, in der humanitäre und rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden – zumindest also das, was man sich als Staat selbst auf die Fahnen schreibt. Für eine Welt ohne Grenzen und gleiche Möglichkeiten für alle Menschen sind wir auch dann noch weit entfernt.
Auch wir als Seebrücke können nicht oft genug wiederholen: Die Schweiz hat Platz und über 30 aufnahmebereite Städte und Gemeinden. Während wir das schreiben, werden es immer mehr.
Bild: Schweizerische Botschaft Islamabad © EDA