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Jahresrückblick auf das Mittelmeer

28. December 2020
News

Auch 2020 war der Weg über das Mittelmeer eine der häufigsten und tödlichsten Fluchtrouten nach Europa. Die meisten Schlauch- oder Holzboote starten von Libyen aus. Dort warten die Menschen in menschenunwürdigen Lagern und viele werden auf der Flucht von der lybischen Küstenwache abgefangen oder geraten in Seenot.

Obwohl die Seenotrettung eine staatliche Aufgabe ist, müssen zivile Seenotrettungsorganisationen Menschen vor dem Ertrinken bewahren und werden zusätzlich dabei behindert und kriminalisiert. So bekommen Schiffe oft längere Zeit keine Erlaubnis einen europäischen Hafen anzufahren, obwohl oft Menschen, die dringende medizinische Versorgung benötigen, an Bord sind, darunter auch Kinder und Schwangere. Oder Schiffe werden aus abstrusen und nicht nachvollziehbaren Gründen festgesetzt und Einsätze müssen teilweise ohne Koordination der Seefahrtsbehörde durchgeführt werden.

NGO-Schiffe retten Leben

Im Jahr 2020 konnten insgesamt 3‘500 Menschen durch acht NGO-Schiffe gerettet werden. Aber bei weitem können nicht alle Menschen auf der Flucht übers Mittelmeer entdeckt werden. Für das gesamte Jahr 2020 hat die IOM (International Organization for Migration) 1‘111 Todesfälle im gesamten Mittelmeer und 739 Todesfälle im zentralen Mittelmeer registriert. 82‘704 Menschen haben das europäische Festland erreicht. Mehr als 11‘000 Menschen wurden 2020 von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurück an Land gebracht. Die Covid-19-Pandemie erschwerte die Arbeit der NGO‘s dieses Jahr zusätzlich. Durch die Krise kamen einige Missionen auf dem Mittelmeer zeitweise vollständig zum Erliegen.

„Aufgrund der Corona Pandemie haben die Politiker*innen zu Recht sehr viel darüber gesprochen, dass man alles dafür tun muss, um Menschenleben zu retten. Leider gilt das offenbar nicht für die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken. Heute sind wir an dem Punkt, an dem die EU-Regierungen untätig dabei zusehen, wie Menschen in Mittelmeer ertrinken und Schutzsuchende auf den griechischen Inseln Hunger, Angst und Schmerzen leiden.“ 

Gordon Isler, Vorsitzender von Sea-Eye

Im März waren alle zivilen Seenotrettungsschiffe festgesetzt auf Grund einer Änderung in der Schiffssicherheitsverordnung oder mit Begründung der COVID-19 Pandemie. Laut Recherchen des Spiegels wollte das Verkehrsministerium damit gezielt die Seenotrettung unterbinden. Es wurden Briefe des Innenministeriums verschickt in denen ausdrücklich darum gebeten wird nicht auszulaufen. Die neue EU-Mission „Irini“ hat die Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen und den Ausbau der libyschen Küstenwache zur Aufgabe, die Seenotrettung wird nicht berücksichtigt.

Mit fadenscheiniger Begründung der Covid-19-Pandemie bekommen Schiffe oft nicht die Erlaubnis einen Hafen anzufahren. Dies führ dazu, dass die Situation sich auf den Schiffen enorm zuspitzt, sodass ein Mann versuchte sich das Leben zu nehmen und im September über 120 Menschen versuchten schwimmend das italienische Festland zu erreichen. Im Mai wurden verschiedene Rettungsschiffe von der italienischen Behörde festgesetzt. Daraufhin verlangt das UNO-Menschenrechtsbüro eine sofortige Öffnung der Häfen und kritisierte die Festsetzung von Rettungsschiffen sowie die menschenrechtswiedrigen „Pushbacks“ nach Lybien. Die beteiligten EU-Länder verstiessen mit diesen Massnahmen gegen das Völkerrecht.

Die letzten Monate des Jahres 2020 waren durchzogen von erneuten Festsetzungen der zivilen Rettungsschiffe und zivilen Aufklärungsflugzeuge. Einige wenige Rettungsmissionen konnten trotz der Blockaden, durchgeführt werden.

„Das Jahr 2020 war für alle Seenotretter*innen extrem kräftezehrend und frustrierend“.

Gordon Isler, Vorsitzender von Sea-Eye

Die SEEBRÜCKE Bern unterstützt Sea-Eye

Im Oktober 2020 kaufte Sea-Eye durch Unterstützung des Seenotrettungsbündnisses United4Rescue ein Offshore-Versorgungsschiff (Baujahr 1972), um es für den Rettungsbetrieb umzubauen. Die Sea-Eye 4 sollte ab Februar 2021 einsatzbereit sein. Wir hoffen auf eure Unterstützung sowohl auf dem Land als auch auf dem Meer. Informiert euch und andere. Derzeit läuft noch eine Spendenaktion von Sea-Eye in Bern. Wir wollen einen Rettungstag des neuen Schiffes finanzieren. Unter folgendem Link könnt ihr helfen, das Ziel zu erreichen: https://betterplace.org/f36493

Quellen: