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Augenwischerei durch Bundesrätin Karin Keller-Sutter

18. December 2020
Presse

Medienmitteilung von Evakuieren JETZT vom 18.12.20

Die 37 minderjährigen Geflüchteten hätten längst in der Schweiz aufgenommen werden sollen

Während sich im neuen Geflüchtetenlager auf der Insel Lesvos die unwürdigen Lebensbedingungen verschlechtern (eisige Temperaturen, keine Heizungen, keine Duschen, Überschwemmungen, Zelte ohne Bodenbelag usw.) und Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Grenzwächter*innen fast täglich vorkommen, kündigt Bundesrätin Karin Keller-Sutter auf Weihnachten hin an, 37 unbegleitete Minderjährige in die Schweiz holen zu wollen. Diese Ankündigung ist ein kommunikatives Manöver, welches die bisherige Untätigkeit der Regierung verschleiern soll.

Altes Versäumnis in neuem Mantel kommuniziert

17 der kommunizierten Minderjährigen, die aufgenommen werden sollen, besitzen einen familiären Bezug zur Schweiz. Der Bund ist hier gesetzlich sowieso verpflichtet, zu handeln. Bei den 20 verbleibenden Jugendlichen und Kindern handelt es sich um jene Zahl, deren Aufnahme Bundesrätin Keller-Sutter bereits im September angekündigt hat. Bis heute sind diese anscheinend nicht in die Schweiz eingereist. Die Justizministerin rollt also lediglich ein längst überfälliges Versäumnis medial neu auf. 

Zwar begrüssen wir es, dass 37 Minderjährige aus dieser Hölle auf den griechischen Inseln herauskommen, bedauern aber, dass der Bundesrat die dramatische Situation weiterhin ignoriert und keinen politischen Willen zeigt, ernsthafte Hilfe zu leisten. Zur Erinnerung: Während des Kosovo-Krieges hat die Schweiz in einem Jahr 53’000 Geflüchtete aufgenommen; während der Ungarn-Krise in den 50er-Jahren waren es rund 13’000 Menschen. Zahlen, die meilenweit von den angekündigten 37 Jugendlichen entfernt sind.  

Zivilgesellschaft erhöht Druck

Angesichts dieser sträflichen Untätigkeit von Regierung und Behörden verstärkt die Zivilgesellschaft ihren Druck. Zusätzlich zu den 50’000 Menschen und 140 Organisationen, die den Aufruf “Evakuieren JETZT” unterstützt haben, haben sich inzwischen 25 Städte und Dörfer bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Kirchen und Kirchgemeinden stellen ebenfalls ihre eigenen Strukturen zur Verfügung, um die Aufnahme zu erleichtern. Solche Hilfsangebote landen jede Woche auf dem Schreibtisch von Frau Karin Keller-Sutter, die sich weiterhin taub stellt.

Die Schweiz muss sofort handeln

Nach fünf Jahren haben es Griechenland und die EU immer noch nicht geschafft, menschenwürdige Bedingungen in den Lagern auf den griechischen Inseln zu schaffen. Die Schweiz als Mitglied des Schengen-Raums profitiert vom Dublin-System und ist daher an den katastrophalen Zuständen an den EU-Aussengrenzen mitverantwortlich. Der von der Schweiz mitfinanzierten Grenzschutzagentur Frontex wurden in letzter Zeit zudem massive Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten in der griechischen Inselregion nachgewiesen. Die Beteiligung der Schweiz an Frontex untergräbt daher die Glaubwürdigkeit eines ernsthaften humanitären Engagements unseres Landes. Mit dem Wintereinbruch und der zweiten Welle des Coronavirus müssen die Schweizer Regierung und die Behörden dringend ihren Verpflichtungen nachkommen und die folgenden Massnahmen treffen:

  • Einstellung der Zahlungen an Frontex und Abzug aller Grenzbeamt*innen, bis die Untersuchungen der Vorfälle abgeschlossen sind und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden
  • Nutzung aller verfügbaren Ressourcen, um mehrere Tausend Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen Hinwirkung auf eine gesamteuropäische Lösung zur Evakuierung der griechischen Flüchtlingscamps, nachdem die Schweiz ihren Beitrag geleistet hat.

Es gibt nur eine praktikable Lösung für die Situation auf Lesbos, Samos und den anderen griechischen Inseln: Evakuieren JETZT. Die Schweiz kann und muss einen grösseren Beitrag leisten!

Medienmitteilung als PDF (deutsch)
Communiqué de presse PDF (français)
Comunicato stampa PDF (italiano)